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VerfGBbg, Beschluss vom 17. Juni 2016 - VfGBbg 95/15 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 2 Abs. 1; LV, Art. 2 Abs. 3; LV, Art. 2 Abs. 5; LV, Art. 10; LV, Art. 12 Abs. 1; LV, Art. 41 Abs. 1;   LV, Art. 52 Abs. 3; LV, Art. 52 Abs. 4
- BGB, § 917; BGB, § 918; BGB, § 1023 Abs. 1 Satz 1
- ZPO, § 139; ZPO, § 308; ZPO, § 522 Abs. 2 Satz 1; ZPO, § 726 Abs. 1; ZPO, § 731; ZPO, § 767
- VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 46
Schlagworte: - Zwangsvollstreckung
- Vollstreckungsabwehrklage
- Notwegerecht
- Ersatzweg
- Verlegungsanspruch
- Gleiche Eignung eines Ersatzweges
- Prozessuale Überholung
- Vollstreckbarkeit des Titels
- Klauselerteilung
- Hilfsantrag
- Auslegung gestellter Anträge
- Rechtliches Gehör
- Willkür
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 17. Juni 2016 - VfGBbg 95/15 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 95/15




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

J.,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigte:              Rechtsanwälte G.,

wegen            Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 4. Dezember 2014 (21 C 263/14); Beschlüsse des Landgerichts Neuruppin vom 24. Juni 2015
(2 T 136/14) und vom 30. September 2015 (4 S 20/15)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 17. Juni 2016

durch die Verfassungsrichter  Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen,  Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche und Partikel

beschlossen: 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

Gründe:

A.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung eines Wegerechts in ihr Grundstück.

 

I.

Das Landgericht verurteilte die Beschwerdeführerin am 25. September 2013 auf die Berufung des Klägers des Ausgangsverfahrens dazu, diesem ein Wegerecht auf ihrem Grundstück zu gewähren, damit er sein hinterliegendes Grundstück erreichen könne. Das Grundstück der Beschwerdeführerin sei gemäß nach §§ 917, 918 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) duldungspflichtig. Nach ergebnislosen außergerichtlichen Verhandlungen über die Nutzung eines anderen, von der Beschwerdeführerin auf einem benachbarten Grundstück gepachteten Weges, leitete der Kläger des Ausgangsverfahrens die Zwangsvollstreckung ein.

 

Mit dem angegriffenen Urteil vom 4. Dezember 2014 (21 C 263/14) wies das Amtsgericht die Vollstreckungsabwehrklage der Beschwerdeführerin ab, da der angebotene Ersatzweg nicht zum Wegfall des Notwegerechts führe. Der mit einem Dritten abgeschlossene schuldrechtliche Pachtvertrag räume beiden Vertragsparteien ein uneingeschränktes Kündigungsrecht ein, gewährleiste dem Beklagten des Ausgangsverfahrens keine einem dinglichen Recht vergleichbare Sicherung und ermögliche das Stellen einer Rüstung zur Durchführung von Fassadenarbeiten, was die Nutzung als Weg ausschließe.

 

Auf die Berufung fasste das Landgericht gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO einen Hinweisbeschluss: Das Amtsgericht sei zu Recht vom Fortbestehen des bereits titulierten Notwegerechts ausgegangen, das allerdings durch die Vollstreckungsabwehrklage, die auf eine Verlegung des Notwegerechts gerichtet sei, nicht in Frage gestellt werde. Der geltend gemachte Verlegungsanspruch setze aber gemäß § 1023 Abs. 1 Satz 1 BGB (analog) voraus, dass die alternativ angebotene Wegführung ebenso geeignet sei wie der titulierte Notweg. Unter „gleicher Eignung“ sei dabei nicht nur die Beschaffenheit der Zuwegung, sondern auch ihre rechtliche Qualität zu verstehen, was vorliegend angesichts der Ausgestaltung des Pachtvertrages nicht angenommen werden könne. Dieser räume dem Beklagten des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagter) kein eigenes Forderungsrecht gegenüber dem Verpächter ein und gewährleiste ihm nicht in demselben Maße die Sicherheit und Beständigkeit der Durchsetzung des Wegerechts wie der titulierte Notwegeanspruch.

 

Mit Beschluss vom 24. Juni 2015 wies das Landgericht die Berufung zurück und führte aus, der Beklagte sei nicht verpflichtet, einer Verlegung des titulierten Notweges zuzustimmen, da die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 1023 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht erfüllt seien. Auf die Zumutbarkeit der mit der Ausübung des Notwegerechts einhergehenden Belastung der Beschwerdeführerin komme es dagegen nicht mehr an. Ihr Einwand, dem Beklagten stehe auch bei Wegfall des Pachtvertrages der auf dem Grundstück lastende Notweg zur Verfügung, sei unzutreffend. Im Erfolgsfall besitze dieser keinerlei Möglichkeit mehr, den titulierten Notweg zu nutzen, wenn sich die unterbreitete Alternativlösung als unsicher herausstelle. Die Beschwerdeführerin verfolge das Ziel, den gegen sie erstrittenen Titel aus der Welt zu schaffen.

 

Die hiergegen gerichtete Gehörsrüge wies das Landgericht mit Beschluss vom 30. September 2015, zugestellt am 30. Oktober 2015, zurück. Die Einlassung der Beschwerdeführerin, sie beabsichtige entgegen der Auffassung des Gerichts nicht, das titulierte Urteil zu kippen und aus der Welt zu schaffen, zeuge von einer grundlegenden Fehleinschätzung des Wesens der Vollstreckungsgegenklage. Bei dieser handele es sich um eine prozessuale Gestaltungsklage, die darauf gerichtet sei, einem bestehenden Titel die Eignung als Vollstreckungsgrundlage zu nehmen. Ob der Antrag auf Unzulässigerklärung der Vollstreckung uneingeschränkt, bedingt, befristet oder sonst modifiziert gestellt werde, entscheide allein die Klägerseite. Die Beschwerdeführerin aber habe in erster wie in zweiter Instanz beantragt, die Vollstreckung für unzulässig zu erklären. Im Erfolgsfalle wäre der Beklagte gezwungen, sein Wegerecht in einem neuen Klageverfahren durchzusetzen, aus dem bereits erstrittenen Urteil könne er keine Rechte mehr herleiten.

 

II.

Die Beschwerdeführerin hat am 22. Dezember 2015 Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie rügt eine Verletzung des Artikels 2 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 Landesverfassung (LV) und ihrer Grundrechte auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 10 LV), auf Gewährung eines fairen Verfahrens und des rechtlichen Gehörs (Art. 52 Abs. 3 LV) sowie auf Schutz des Eigentums (Art. 41 Abs. 1 LV).

 

Zur Begründung führt sie aus, das Landgericht verletze Art. 10 LV und Art. 41 Abs. 1 LV, da es zu Unrecht annehme, die Vollstreckungsabwehrklage führe zwingend zur „Abschaffung“ des titulierten Urteils und damit zur Beseitigung der Rechtsgrundlage des Wegerechts. Die Vollstreckbarkeit könne auch nur zeitweilig oder nur sachlich eingeschränkt erhalten bleiben und durch eine erneute Klauselerteilung wiederhergestellt werden. Das Landgericht habe überdies die Grundrechte der Beschwerdeführerin mit den Rechten des Beklagten nicht in einen angemessenen Ausgleich gebracht. Letzterer werde bei der Wahrnehmung des Notwegerechts „mitten durch das Leben der Beschwerdeführerin marschieren“. Das Grundstück sei baulich abgeschlossen und von außen nicht einsehbar und bilde ihren Lebensmittelpunkt. Das Gericht lasse gegenüber dieser schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigung unberücksichtigt, dass dem Beklagten ein beinahe gleich geeigneter Ersatzweg zur Verfügung gestellt worden sei.

 

Das Landgericht habe weiter das Grundrecht auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 LV verletzt, indem es entgegen § 139 ZPO nicht auf die zu weite Fassung des Klageantrags - statt der beantragten uneingeschränkten sei sinnvollerweise die zeitlich auf das Bestehen des Pachtvertrages beschränkte Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung zu beantragen gewesen - hingewiesen und der Beschwerdeführerin dadurch die Möglichkeit einer teilweisen Klagerücknahme genommen habe.

 

Gleiches gelte für die Annahme des Landgerichts, der Pachtvertrag reiche zur Beseitigung der Notwegelage nicht aus. Auch insoweit sei das Gericht gemäß § 139 ZPO zur Erteilung eines Hinweises verpflichtet gewesen, um es der Beschwerdeführerin zu ermöglichen, prozessual zu reagieren, etwa die Ansprüche aus dem Pachtvertrag an den Beklagten abzutreten oder diesem Vollmacht zu erteilen.

 

Schließlich stelle das Landgericht in seinem Berufungsbeschluss auf andere Gründe ab, als es sie in der Anhörung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO mitgeteilt habe; zudem seien diese Gründe in dem die Gehörsrüge zurückweisenden Beschluss wiederum relativiert worden. Während das Gericht zunächst davon ausgegangen sei, der Titel solle „aus der Welt geschafft“ werden, nehme es später an, lediglich die Vollstreckung aus dem Titel könne im Falle des Erfolges der Vollstreckungsabwehrklage nicht mehr betrieben werden. Da dem Beklagten aber in jedem Fall eine Möglichkeit eröffnet sei, zu seinem Grundstück zu gelangen - entweder über den gepachteten oder über den titulierten Notweg -, sei diese Rechtsansicht unhaltbar.

 

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

I.

1. Die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts ist unzulässig, da dieses durch die bestätigende Berufungsentscheidung des Landgerichts prozessual überholt ist.

 

2. Soweit die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 30. September 2015 gerichtet ist, fehlt der Beschwerdeführerin das Rechtsschutzbedürfnis. Die Zurückweisung der Gehörsrüge ist mit der Verfassungsbeschwerde nicht angreifbar, denn sie schafft keine eigenständige Beschwer. Sie lässt allenfalls eine bereits durch die Ausgangsentscheidung eingetretene Verletzung rechtlichen Gehörs fortbestehen, indem eine Selbstkorrektur durch die Fachgerichte unterbleibt. Ein schutzwürdiges Interesse an einer - zusätzlichen – verfassungsgerichtlichen Überprüfung der Gehörsrügeentscheidung besteht nicht (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 19. Juni 2015 - VfGBbg 54/15 -, vom 20. März 2015 - VfGBbg 58/14 - und vom 20. Februar 2015 - VfGBbg 44/14 -).

 

3. Die in Art. 2 Abs. 1, 3 und 5 LV festgelegten Verfassungsgrundsätze und objektiv-rechtlichen Strukturprinzipien begründen keine subjektiv-öffentlichen Rechte und sind deshalb im Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht rügefähig (vgl. etwa Beschluss vom 19. September 2014 - VfGBbg 19/14 -, m. w. Nachw.).

 

4. Im Übrigen genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den Begründungserfordernissen aus § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg). Die Beschwerdeführerin zeigt mit ihr ihre Beschwerdebefugnis im Sinne der Möglichkeit, durch die angegriffene gerichtliche Entscheidung in ihren Grundrechten verletzt zu sein, nicht auf. Eine § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg genügende Begründung der Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass der die Rechtsverletzung enthaltende Vortrag substantiiert und schlüssig dargelegt wird. Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde hat sich der Beschwerdeführer mit dieser inhaltlich auseinander zu setzen. Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (st. Rspr., vgl. nur Beschluss vom 25. Mai 2015 - VfGBbg 32/14 -; zum Bundesrecht vgl. BVerfGE 130, 1, 21 m. w. Nachw.).

 

Dem genügt die Beschwerdeschrift nicht. Sie lässt nicht erkennen, inwiefern die angegriffene Entscheidung Grundrechte der Landesverfassung verletzen könnte. Bei der Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen ist es nicht Aufgabe des Verfassungsgerichts, diese allgemein auf ihre materielle und verfahrensrechtliche Richtigkeit zu überprüfen und sich in dieser Weise an die Stelle der Fachgerichte zu setzen. Eine Überprüfung erfolgt vielmehr allein am Maßstab der Landesverfassung darauf, ob eine gerichtliche Entscheidung hierin gewährte Rechte verletzt. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung des Zivilgerichts als willkürlich zu charakterisieren ist oder sie auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts oder des Umfangs seines Schutzbereichs beruht oder sie unter Verletzung von Verfahrensgrundrechten zustande gekommen ist.

 

a. Eine gerichtliche Entscheidung stellt nicht bereits bei jeder fehlerhaften Anwen-dung einfachen Rechts einen Verstoß gegen das Willkürverbot dar. Dies ist vielmehr erst dann der Fall, wenn sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar und damit schlechthin unhaltbar ist. Sie muss Ausdruck einer objektiv falschen Rechtsanwendung sein, die jeden Auslegungs- und Beurteilungsspielraum außer Acht lässt und ganz und gar unverständlich erscheint. Diese Voraussetzungen liegen unter anderem dann vor, wenn ein Gericht mit seiner rechtlichen Beurteilung ohne nachvollziehbare Begründung in Widerspruch zu einer durch Rechtsprechung und Literatur geklärten Rechtslage tritt oder der Inhalt einer Norm krass missdeutet wird, sodass sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Von einer willkürlichen Missdeutung kann dagegen nicht gesprochen werden, wenn sich das Gericht eingehend mit der Rechtslage auseinandergesetzt hat und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (st. Rspr., vgl. nur Beschluss vom 19. Juni 2015 - VfGBbg 24/15 -, m. w. Nachw.). Die angegriffene Entscheidung ist, gemessen an diesem Maßstab, nicht zu beanstanden.

 

Das Landgericht hat angenommen, rechtliche Voraussetzung eines Anspruchs auf eine Verlegung eines titulierten Notwegerechts analog § 1023 Abs. 1 Satz 1 BGB sei die gleiche Eignung der alternativ angebotenen Wegführung. Hiergegen ist verfassungsrechtlich nichts zu erinnern. Das Gericht orientiert sich erkennbar am Wortlaut der Norm und stützt sich für die von ihm angenommene Auslegung auf höchstrichterliche Rechtsprechung (BGH NJW 1981, 1036 ff), der auch in der Literatur gefolgt wird (vgl. nur Bassenge, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 1023 Rn. 2).

Es hat ausgeführt, die Nutzung des alternativ angebotenen Weges, die nur auf einem zwischen der Beschwerdeführerin und einem Dritten abgeschlossenen, frei kündbaren Pachtvertrag fuße, sei zu der des titulierten Notweges nicht vergleichbar, da sie nicht auf einer eigenständigen Rechtsposition des Beklagten des Ausgangsverfahrens gründe und es an der gleichwertigen Nutzungssicherheit des Wegerechts fehle. Diese Annahme ist gut nachvollziehbar, und ihr lässt sich auch nicht, wie die Beschwerdeführerin meint, entgegensetzen, dem Beklagten stehe bei einem Wegfall des Pachtvertrages ohne Weiteres wieder die Möglichkeit offen, den Notweg zu nutzen, so dass er sein Grundstück immer erreichen könne. Diese Ansicht verkennt, dass die von der Beschwerdeführerin erhobene Vollstreckungsabwehrklage im Erfolgsfalle gemäß § 767 ZPO die Vollstreckbarkeit des Titels beseitigt (vgl. nur Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl., § 767 Rn. 1, m. w. Nachw.). Das Landgericht hat darauf ebenfalls hingewiesen. Die Vollstreckbarkeit des Titels lebte bei einem künftig erfolgenden Entfall des Grundes der erfolgreichen Klage - vorliegend der Nutzbarkeit des Pachtweges - auch nicht gewissermaßen wieder auf oder wäre durch Klauselerteilung wiederherzustellen, sondern müsste gemäß § 726 Abs. 1, § 731 ZPO letztlich im Klagewege durchgesetzt werden (vgl. OLG Koblenz Rpfleger 1985, 200; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 10. Aufl., Rn. 110 f, 131 ff).

 

Das Landgericht hat schließlich nicht, wie die Beschwerdeführerin behauptet, angenommen, eine Vollstreckungsabwehrklage führe zur „Abschaffung“ des Titels selbst; es hat vielmehr sehr deutlich gemacht, dass lediglich seine Vollstreckbarkeit betroffen wird.

 

b. Die angegriffene Entscheidung beruht auch nicht auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts oder vom Umfang seines Schutzbereichs.

 

Der Vortrag der Beschwerdeführerin, im Rahmen der nach § 767 ZPO, § 1023 Abs. 1 Satz 1 BGB zu treffenden Abwägung habe das Landgericht ihren Grundrechten nicht angemessen Rechnung getragen, weil es den von ihr alternativ zur Verfügung gestellte Weg unberücksichtigt gelassen habe, greift nicht. Er verkennt, dass das Landgericht gerade die in § 1023 Abs. 1 Satz 1 BGB durch den Bundesgesetzgeber für die Interessen der an dem dort geregelten Rechtsverhältnis Beteiligten getroffene Entscheidung konkretisiert hat, indem es von der fehlenden Eignung des Ersatzweges ausging. Das Interesse des Grundstückseigentümers wird in § 1023 Abs. 1 Satz 1 BGB dadurch aufgegriffen, dass die Ausübung des auf dem Grundstück lastenden Rechts durch den hierzu Berechtigten für den Eigentümer „besonders beschwerlich“ sein muss. Nachdem das Landgericht aber die gleiche Eignung des Ersatzweges verneint hatte, bedurfte es einer Prüfung des weiteren Tatbestandsmerkmals - der Belastungssituation des Grundstückseigentümers - nicht mehr.

 

c. Eine Verletzung der Rechte aus Art. 52 Abs. 3, Abs. 4 LV liegt schließlich ebenfalls nicht vor.

 

aa. Eine solche liegt zunächst nicht deshalb vor, weil sich das Gericht in seiner angegriffenen Entscheidung in argumentative Widersprüche zu vor- oder nachgehenden Beschlüssen setzte. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Widersprüchlichkeit gerichtlicher Beschlüsse eines einheitlichen Verfahrens eine Grundrechtsverletzung darstellen kann (vgl. etwa BVerfG NJW 1996, 3202, zum Fall einer unvermittelten Änderung der Rechtsauffassung des Gerichts in einer entscheidungserheblichen Frage), kann vorliegend dahinstehen, da ein derartiger Widerspruch schon nicht existiert. Das Landgericht hat in allen seinen Beschlüssen zentral darauf abgestellt, der von der Beschwerdeführerin begehrten Verlegung des Notwegerechtes stehe die fehlende eigenständige Rechtsposition des Beklagten des Ausgangsverfahrens im Verhältnis zum Verpächter und die mangelnde gleichwertige Nutzungssicherheit des Pachtweges entgegen. Dass das Landgericht im Rahmen seines nach
§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO getroffenen Beschlusses ausführte, die Beschwerdeführerin wolle den gegen sie erstrittenen Titel „aus der Welt schaffen“, verdeutlichte lediglich anschaulich die vollstreckungsrechtlichen Konsequenzen einer erfolgreichen Vollstreckungsabwehrklage. Im Rahmen seines die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschlusses hat das Gericht dies zudem auch klargestellt.

 

bb. Die Rechte auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 LV und auf ein faires Verfahren aus Art. 52 Abs. 4 LV werden nicht dadurch verletzt, dass das Landgericht die Berufung vollumfänglich zurückwies, statt den Antrag einschränkend dahin zu verstehen (zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Auslegung prozessualer Willenserklärungen vgl. BVerfGE 88, 118, 123 ff.; Degenhart, in: Sachs, GG, 7. Aufl., Art. 103 Rn. 47), die Zwangsvollstreckung möge wenigstens für die Dauer des Bestehens des Pachtvertrages für unzulässig erklärt werden. Die Beschwerdeführerin hatte in dem Ausgangsverfahren beantragt, die Vollstreckung des Urteils für unzulässig zu erklären; die zeitliche Beschränkung der Unzulässigkeit der Vollstreckbarkeit des Titels für die Dauer des Bestehens des Pachtvertrages hatte sie dagegen nicht beantragt. Gegen das auf die Vollstreckungsabwehrklage hin ergangene Urteil des Amtsgerichts hat sie uneingeschränkt Berufung eingelegt. Die Gerichte mussten daher die umfassend gestellten Anträge zunächst auch als solche behandeln (§ 308 ZPO).

 

Allerdings hat der Bundesgerichtshof wiederholt angenommen, einer umfassend gegen einen Vollstreckungstitel gerichteten, jedoch nur zum Teil begründeten Vollstreckungsabwehrklage sei teilweise stattzugeben, ohne dass es hierfür eines Hilfsantrages bedürfe (BGH NJW 1993, 1394, 1396; NJW-RR 1991, 759 f; NJW-RR 1987, 59 f; zustimmend etwa Herget, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 767 Rn. 21; Kindl, in: Saenger, ZPO, 6. Aufl., § 767 Rn. 15, 25). Vorauszusetzen sei, dass der mit dem Klageantrag geltend gemachte Anspruch teilbar sei. Der auf Zusprechung der Gesamtmenge gerichtete Antrag erlaube es dem Gericht dann, dem Kläger eine hierin enthaltene Teilmenge zuzusprechen. Dabei handele es sich nicht um etwas Anderes als das Beantragte, das wegen der in § 308 ZPO normierten Bindung des Gerichts an die Parteianträge nicht zugesprochen werden könne, sondern um ein Weniger, das stets im Mehr enthalten sei.

 

Ohne dass über den Umfang der gerichtlichen Pflicht zu einer angemessenen (fairen) Auslegung gestellter Sachanträge im Sinne des § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO entschieden werden müsste (vgl. Degenhart, a. a. o., Rn. 12 ff, 30 ff: Offenkundigkeit der Verletzung des einfachen Prozessrechts), verletzt das Landgericht diese in verfassungsrechtlich relevanter Weise schon deshalb nicht, weil es sich innerhalb des einfachgesetzlich von § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO vorgegebenen Rahmens hält. Anders als in den auf (Geld- oder) teilbare Leistungen gerichteten, der dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zugrunde liegenden Fällen stellte eine Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung, die zeitlich auf das Bestehen des Pachtvertrages beschränkt wäre, vorliegend nicht ein bloßes „Weniger“ im Vergleich zu einer vollständigen Unzulässigerklärung dar, sondern etwas hiervon Verschiedenes: Das Notwegerecht der §§ 917 f BGB auf der einen Seite besteht von Gesetzes wegen zugunsten des Inhabers und erweitert sein Eigentumsrecht (vgl. nur Bassenge, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 917 Rn. 1), das Nutzungsrecht an dem seitens der Beschwerdeführerin von einem Dritten gepachteten Wege auf der anderen Seite ist hingegen (nur) vertraglicher Natur und stand nicht unmittelbar dem Beklagten des Ausgangsverfahrens zu.

 

An dieser wesensmäßigen Verschiedenheit der Grundlage der Nutzungsrechte hätte zuletzt auch, anders als die Beschwerdeführerin meint, eine Abtretung der vertraglichen Ansprüche an den Beklagten oder eine zu seinen Gunsten erfolgende Vollmachterteilung nichts geändert, so dass es auch eines diesbezüglichen gerichtlichen Hinweises nicht bedurfte.

 

cc. Zuletzt war das Gericht auch nicht aus Art. 52 Abs. 3 LV dazu verpflichtet, der Beschwerdeführerin einen Hinweis darauf zu geben, diese möge ihren Klageantrag umstellen und lediglich die zeitweise Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung, bezogen auf die Existenz des Pachtvertrages, verlangen.

 

II.

Die Entscheidung ist einstimmig ergangen. Sie ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dresen
   
Dr. Fuchsloch Dr. Lammer
   
Nitsche Partikel