VerfGBbg, Beschluss vom 17. Februar 2017 - VfGBbg 52/16 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 46 - BbgHintG, § 5 Abs. 3 und 4 |
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Schlagworte: | - Begründung - fehlende Auseinanderansetzung mit gerichtlicher Entscheidung - mehrere selbständig tragende Erwägungen |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 17. Februar 2017 - VfGBbg 52/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 52/16
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
F.,
Beschwerdeführer,
wegen Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 29. Juli 2016 (11 VA 1/16)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
am 17. Februar 2017
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch und Dr. Lammer
beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
Gründe:
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen eine gerichtliche Entscheidung im hinterlegungsrechtlichen Verfahren.
A.
1. Der Beschwerdeführer hinterlegte nach eigenen Angaben 2012 beim Amtsgericht Bad Freienwalde (Oder) einen Geldbetrag von 235,06 €, benannte dabei eine Versicherung, eine Rechtsanwaltskanzlei oder deren Vertreter als Empfangsberechtigte und verzichtete auf die Rücknahme des hinterlegten Betrages. Nachdem die Gläubigerin der zugrundeliegenden Forderung die Zwangsvollstreckung betrieben und der Beschwerdeführer erfolglos hiergegen Vollstreckungserinnerung und Vollstreckungsabwehrklage eingelegt hatte, erklärte er gegenüber der Hinterlegungsstelle, dass nunmehr er als Empfangsberechtigter zu führen sei und bat um Auszahlung des hinterlegten Betrages. Die Hinterlegungsstelle lehnte dies mit Schreiben vom 30. September 2015 ab.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers wies das Amtsgericht mit Schreiben vom 23. Dezember 2015 zurück, denn der Antrag, die Empfangsberechtigung auf sich selbst zu ändern, habe faktisch die Wirkung einer Rücknahme der Hinterlegung, die indes aufgrund des erklärten Verzichts ausgeschlossen sei.
Der Beschwerdeführer stellte unter dem 9. Januar 2016 Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 5 Abs. 3 Brandenburgisches Hinterlegungsgesetz (BbgHintG) i. V. m. § 23 EGGVG.
Nachdem das Brandenburgische Oberlandesgericht mit Schreiben vom 22. März 2016 auf Bedenken an der Zulässigkeit des Antrages hingewiesen hatte, da es an einer nach § 5 Abs. 3 BbgHintG erforderlichen Entscheidung des Präsidenten des Land- oder Amtsgerichts fehle, erklärte der Beschwerdeführer, er überlasse es dem Oberlandesgericht, ob es entweder das Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung ruhend stelle und den Präsidenten des Landgerichts Frankfurt (Oder) gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 BbgHintG die Entscheidung über seine Beschwerde treffen lasse oder den Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Wege des sogenannten Meistbegünstigungsprinzips für zulässig erachte.
Das Brandenburgische Oberlandesgericht verwarf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit Beschluss vom 29. Juli 2016 (11 VA 1/16) als unzulässig. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung sei nicht statthaft. Gemäß § 5 Abs. 2 BbgHintG würden Beschwerden gegen Entscheidungen der Hinterlegungsstelle im Aufsichtsweg erledigt. Der Aufsichtsweg sei noch nicht erschöpft. Gegen die hier ergangene Entscheidung der Direktorin des Amtsgerichts Bad Freienwalde (Oder) sei die weitere Beschwerde an den Präsidenten des Landgerichts gegeben. Daran fehle es hier. Unabhängig davon sei der Antrag auch deshalb nicht statthaft, weil der Beschwerdeführer sein Rechtsschutzbegehren nur mittels einer Klage auf Herausgabe des Hinterlegungsgutes gegen das Land gemäß § 5 Abs. 4 BbgHintG erreichen könne.
2. Mit seiner am 29. September 2016 erhobenen Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 52 Abs. 3 LV), seines Anspruchs "auf Meistbegünstigung als Ausprägung des Anspruches auf Gleichheit vor dem Gesetz gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 LV und Gleichheit vor Gericht gemäß Art. 52 Abs. 3 Hs. 1 LV in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 5 Abs. 1 LV" sowie des fairen Verfahrens (Art. 52 Abs. 4 LV) geltend.
Sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt, da das Oberlandesgericht ihn vor der Beschlussfassung nicht darauf hingewiesen habe, dass vor der Erhebung eines Antrages auf gerichtliche Entscheidung eine weitere Beschwerde zum Präsidenten des Landgerichtes erhoben werden müsse. Das Meistbegünstigungsprinzip komme zum Ansatz, wenn in einer ablehnenden Entscheidung über die Möglichkeit, ein bestimmtes Rechtsmittel einzulegen, falsch belehrt worden sei. In solchen Fällen sei das unstatthaft eingelegte Rechtsmittel als statthaft zu behandeln. Das Oberlandesgericht hätte den zurückgewiesenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung als statthaft bewerten können oder in eine weitere Beschwerde umdeuten und an den zuständigen Landgerichtspräsidenten verweisen können. Der Anspruch auf ein faires Verfahren sei ebenfalls verletzt, da ihm das Oberlandesgericht die unrichtige Rechts-mittelbelehrung in der Entscheidung des Amtsgerichtes zugerechnet habe. Durch die Verwerfung des Antrages als unstatthaft sei ihm trotz der Möglichkeit einer Umdeutung der von der Verfahrensordnung eingeräumte Rechtsweg zum zuständigen Landgerichtspräsidenten in unzumutbarer und aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise abgeschnitten worden.
B.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.
Die Beschwerde genügt nicht den Begründungserfordernissen aus § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg, die voraussetzen, dass der die Grundrechtsverletzung enthaltende Vorgang substantiiert und schlüssig vorgetragen wird. Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer sich mit dieser inhaltlich auseinanderzusetzen. Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 15. April 2016 - VfGBbg 86/15 - und vom 22. Mai 2015 - VfGBbg 32/14 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Stützt das Fachgericht seine Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Erwägungen, muss der Beschwerdeführer jede von ihnen angreifen und deren Unvereinbarkeit mit dem Verfassungsrecht darlegen. Denn eine Grundrechtsverletzung vermag der Verfassungsbeschwerde nur dann zum Erfolg zu verhelfen, wenn die angegriffene Entscheidung auch auf ihr beruht. Ist aber das Fachgericht mit einer anderen in seiner Entscheidung herangezogenen und vom Beschwerdeführer nicht weiter angegriffenen Erwägung zum selben Ergebnis gekommen, fehlt es an der Kausalität des Verfassungsverstoßes für das Ergebnis des fachgerichtlichen Verfahrens (vgl. Beschluss vom 9. Oktober 2015 - VfGBbg 65/15 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; Magen, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 92 Rn. 18).
Das Oberlandesgericht führt zur Begründung seiner Entscheidung zwei selbständige Überlegungen an, wie sich aus der Formulierung "unabhängig davon" ergibt. Zum einen stelle der Bescheid des Amtsgerichts Bad Freienwalde (Oder) vom 23. Dezember 2015 keinen statthaften Gegenstand eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach § 5 Abs. 3 BbgHintG dar; zum anderen erweise sich der Antrag auch wegen des Vorrangs der Klage auf Herausgabe des Hinterlegungsguts nach § 5 Abs. 4 BbgHintG als unstatthaft. Mit diesem zweiten Begründungsansatz setzt sich der Beschwerdeführer in seinem Schreiben vom 28. September 2016 nicht auseinander. Seine Rügen zum Verstoß gegen die Gebote des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens sowie zur Verletzung des Meistbegünstigungsprinzips zielen allein auf die Erwägungen des Oberlandesgerichts zum statthaften Gegenstand eines Antragsverfahrens nach § 5 Abs. 3 BbgHintG.
Ungeachtet dessen ist auch bezogen auf die vom Beschwerdeführer angegriffene Begründung des Oberlandesgerichts nicht erkennbar, dass diese das Grundrecht auf rechtliches Gehör und faires Verfahren oder das Meistbegünstigungsprinzip als Ausprägung verfassungsrechtlicher Grundsätze der allgemeinen Gleichheit vor dem Gesetz und des Vertrauensschutzes verletzten könnte. Eine unzutreffende Rechtsmittelbelehrung führt auch unter Beachtung dieser Prinzipien nicht dazu, dass diese einen nicht statthaften Rechtsbehelf zulässig machen kann (vgl. Rimmelspacher, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, Vorb § 511 Rn. 92; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, Vorb § 124 Rn. 24; BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1985 - BVerwG 2 C 14.84 -, NJW 1986, 862). Gewährleistet wird nur, dass einem Verfahrensbeteiligten dadurch kein Rechtsnachteil entsteht, dass das Gericht seine Entscheidung in einer falschen Form erlassen hat oder für ihn eine auf einem Fehler oder einer Unklarheit der anzufechtenden Entscheidung beruhende Unsicherheit, das einzulegende Rechtsmittel betreffend, besteht. Vorliegend ist ein solcher auf die irrführende Rechtsmittelbelehrung des Amtsgerichts Bad Freienwalde (Oder) vom 23. Dezember 2015 zurückzuführender Nachteil jedenfalls nicht ersichtlich. Schließlich ist die weitere Dienstaufsichtsbeschwerde zum Präsidenten des Landgerichts Frankfurt (Oder) nicht fristgebunden und kann daher weiterhin nachgeholt werden.
2. Die Entscheidung ist einstimmig ergangen. Sie ist unanfechtbar.
Möller | Dr. Becker |
Dielitz | Dresen |
Dr. Fuchsloch | Dr. Lammer |