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VerfGBbg, Beschluss vom 17. Januar 2020 - VfGBbg 71/19 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 2 Abs. 5; LV, Art. 6 Abs. 2; LV, Art. 6 Abs. 3; LV, Art. 52 Abs. 1 Satz 2; LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 2
- VwGO, § 146 Abs. 2; VwGO, § 166 Abs. 6
Schlagworte: - Prozesskostenhilfe
- Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse
- Effektiver Rechtsschutz
- Gleichheit vor Gericht
- Prozessuale Überholung
- Nichtabhilfebeschluss
- Zwischenentscheidung
- Unzureichende Begründung
- Staatsziel
- Unzulässigkeit eines Rechtsbehelfs
- Instanzenzug
Fundstellen: - NVwZ-RR 2020, Heft 10, S. 418 ff.
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 17. Januar 2020 - VfGBbg 71/19 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 71/19




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 71/19

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

B.,

Beschwerdeführer,

wegen

Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. August 2019 - OVG 12 M 26.19 -; Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 30. Januar 2019 - VG 5 K 2319/18 (PKH) - und vom 16. Juli 2019 - VG 5 K 2319/18

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 17. Januar 2020

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dresen, Dr. Finck, Heinrich-Reichow, Kirbach, Dr. Lammer, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird teilweise verworfen
und im Übrigen zurückgewiesen.

 

Gründe:

 

A.

I.

Der Beschwerdeführer beantragte vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Akteneinsicht nach dem Umweltinformationsgesetz gegen ein Forschungszentrum. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 30. Januar 2019 ‌‑ VG 5 K 2319/18 (PKH) - mit der Begründung ab, der Beschwerdeführer sei der Aufforderung, eine vollständige Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzureichen, nicht nachgekommen.

Den dagegen erhobenen Rechtsbehelf wies das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 12. Juni 2019 zurück. Dagegen legte der Beschwerdeführer Beschwerde ein, der das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 16. Juli 2019 nicht abhalf. Entgegen der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung im Beschluss vom 12. Juni 2019 sei eine Beschwerde nicht statthaft. Beschlüsse über die Ablehnung von Prozesskostenhilfe seien mit der Beschwerde gemäß § 146 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht anfechtbar, wenn sie allein mit dem Fehlen oder dem fehlenden Nachweis des Vorliegens der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe begründet werden. Nichts anderes könne gelten, wenn das Gericht mit einer Entscheidung nach § 166 Abs. 6 VwGO im Rahmen einer Erinnerung eine ablehnende Entscheidung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bestätige. Auch in dieser Konstellation sei nach dem gesetzgeberischen Willen kein weiterer Rechtsbehelf vorgesehen. Die Fehlerhaftigkeit der Rechtsmittelbelehrung führe nicht zur Statthaftigkeit der Beschwerde.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg verwarf die Beschwerde mit Beschluss vom 30. August 2019. Sie sei gemäß § 146 Abs. 2 VwGO unzulässig, da das Verwaltungsgericht den Prozesskostenhilfeantrag allein deshalb abgelehnt habe, weil sich der Beschwerdeführer nicht hinreichend über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erklärt habe. Daran ändere weder etwas, dass der angefochtene Beschluss mit einer unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung ergangen sei, noch dass das Verwaltungsgericht seine Entscheidung erst im Wege einer Erinnerung gegen die ablehnende Entscheidung der Urkundsbeamtin getroffen habe.

II.

Am 10. September 2019 hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. August 2019 und die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 30. Januar 2019 und vom 16. Juli 2019 erhoben. Er trägt vor, die Gerichte verweigerten ihm sachwidrig die beantragte Prozesskostenhilfe. Er sei ohne Geldeinkommen und seine Akteneinsichtsklage habe Aussicht auf Erfolg. Die beteiligten Richter seien befangen. Er sei in seinen Grundrechten auf Rechtsschutz aus Art. 6 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), auf rechtliches Gehör aus Art. 52 LV, auf Justizgewährung aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), auf Gehör vor Gericht gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, auf Menschenwürde und in dem Gleichheitsgrundsatz aus Art. 1 und Art. 3 GG durch Bevorzugung „[G]eldreicher“ und auf einen Rechtsweg aus Art. 6 EMRK und Art. 9 der Aarhus-Konvention verletzt.

Die „teilweise rechtswidrig partei[i]schen ‚Richter‘“ lögen zum Nachteil des Beschwer­deführers. Die Gerichte verstießen zudem gegen Art. 101 GG „durch Anonymität“, Art. 20 Abs. 3 GG (Bindung an Gesetz und Recht) sowie Art. 34 GG (Amtspflicht).

Die Annahme fehlender Nachweise für die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sei willkürlich. Soweit das Verwaltungsgericht von dem Beschwerdeführer die Vorlage von Nachweisen für ein „Nichtgeldeinkommen“ gefordert habe, sei dem Beschwerdeführer dies unmöglich. Das Verwaltungsgericht habe ihm vielmehr das Gegenteil zu beweisen. Er habe dem Verwaltungsgericht nachgewiesen, dass er kein eigenes Bankkonto mehr habe, kein Geldeinkommen außer 784,00 Euro Pacht jährlich beziehe, kein Bargeld und keine Wertsachen habe und von Nahrungs- und Sachspenden seiner Mutter lebe.

Auch seien die Gerichte kriminell, da die Beschwerde unter dem 16. Juli 2019 als nicht statthaft, zuvor aber als unzulässig bzw. unbegründet bezeichnet worden sei.

 

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig und im Übrigen jedenfalls unbegründet.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 30. Januar 2019 und vom 16. Juli 2019 richtet.

1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 30. Januar 2019, gefasst durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, richtet, ist sie wegen prozessualer Überholung unzulässig. Diese tritt ein durch die vollständige Überprüfung einer Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch die mit der Überprüfung befasste Instanz (st. Rspr., vgl. zuletzt Beschluss vom 10. Mai 2019 ‑ VfGBbg 41/18 ‑, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Der Beschluss vom 30. Januar 2019 ist, was aus dem Nichtabhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts vom 16. Juli 2019 hervorgeht, durch den richterlichen Beschluss vom 12. Juni 2019 im Erinnerungsverfahren inhaltlich bestätigt worden. Von ihm geht keine Wirkung mehr aus, die den Beschwerdeführer möglicherweise in Grundrechten verletzen könnte.

2. Die Nichtabhilfeentscheidung des Verwaltungsgerichts vom 16. Juli 2019 ist nicht selbstständig angreifbar. Als Zwischenentscheidung, mit der eine eigenständige Beschwer nicht verbunden ist, ist sie nicht anfechtbar (Beschluss vom 10. Mai 2019 ‌‑ VfGBbg 41/18 ‑, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

II.

Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. August 2019 richtet, ist sie teilweise unzulässig und im Übrigen - bei ebenfalls verbleibenden Bedenken gegen die Zulässigkeit - jedenfalls unbegründet.

1. Im Hinblick auf die Rüge, die entscheidenden Richter seien parteiisch/befangen, die auf eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV zielt, sowie die Rüge der Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV ist die Verfassungsbeschwerde mangels Einhaltung der gesetzlichen Begründungspflicht unzulässig.

a. Nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) ist eine Begründung erforderlich, die eine mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts des Beschwerdeführers schlüssig aufzeigt. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, muss sich der Beschwerdeführer argumentativ mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung auseinandersetzen (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 16. August 2019 - VfGBbg 45/18 -, und vom 10. Mai 2019 ‌‑ VfGBbg 41/18 -, https://verfassungs-gericht.brandenburg.de).

b. Dies leistet die Beschwerdeschrift nicht. Seine Rüge, die entscheidenden Richter seien befangen, hat der Beschwerdeführer nicht mit weiteren Ausführungen - mit Ausnahme der nicht nachvollziehbaren Bemerkung „durch Anonymität“ zu Art. 101 GG - belegt. Eine unter bloßer Angabe der Art. 52 Abs. 3 LV, Art. 103 Abs. 1 GG geltend gemachte Gehörsverletzung (Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV) lässt sich dem vorgetragenen Sachverhalt ebenfalls nicht entnehmen.

2. Die weiteren gerügten Artikel des Grundgesetzes (Art. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 34 GG) sowie Art. 9 der Aarhus-Konvention sind vor dem Landesverfassungsgericht nicht rügefähig, da gemäß Art. 6 Abs. 2 LV eine Verfassungsbeschwerde nur mit der Begründung einer Verletzung der in der Landesverfassung statuierten Grundrechte erhoben werden kann. Soweit zu Gunsten des Beschwerdeführers davon ausgegangen wird, dass er auch inhaltsgleiche Rechte der LV zu rügen beabsichtigt, macht er damit keine im Rahmen der Verfassungsbeschwerde rügefähigen Grundrechte geltend: Die Bindung an Gesetz und Recht gemäß Art. 2 Abs. 5 LV (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) legt als Staatsziel objektiv-rechtliche Strukturprinzipien fest; ihr Inhalt ist nicht individuell einklagbar. Auch Art. 6 Abs. 3 LV begründet ebenso wenig wie Art. 34 GG für sich genommen ein einklagbares Grundrecht (zum Ganzen Beschluss vom 18. November 2011 ‌‑ VfGBbg 40/11 -, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

Gegenüber dem vom Beschwerdeführer geltend gemachten Verstoß gegen die Menschenwürde gemäß Art. 7 Abs. 1 LV (vgl. Art. 1 Abs. 1 GG) wegen einer Ungleichbehandlung gegenüber bemittelten Personen ist das Grundrecht auf Gleichheit vor Gericht spezieller und damit vorrangig.

3. Soweit der Beschwerdeführer rügt, die Annahme fehlender Nachweise für die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verstoße gegen das Verbot der Ungleichbehandlung vor Gericht gemäß Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV, ist eine Verletzung dieses Grundrechts durch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ausgeschlossen. Dieses hat eine inhaltliche Prüfung mangels Zulässigkeit des Rechtsbehelfs nicht durchgeführt. Den Erinnerungsbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 12. Juni 2019, der den Beschwerdeführer insoweit einzig belasten könnte, hat er nicht mit seiner Verfassungsbeschwerde angegriffen.

4. Im Hinblick auf die Rüge der Verletzung seines Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz gegen Handlungen der öffentlichen Gewalt gemäß Art. 6 Abs. 1 LV ist die Verfassungsbeschwerde offensichtlich unbegründet.

Die Garantie effektiven Rechtsschutzes gewährleistet den Zugang zu den Gerichten sowie eine verbindliche Entscheidung durch den Richter aufgrund einer grundsätzlich umfassenden tatsächlichen und rechtlichen Prüfung des Streitgegenstands. Art. 6 Abs. 1 LV beeinflusst auch die Auslegung und Anwendung derjenigen gesetzlichen Bestimmungen, die für die Eröffnung und die Beschreitung eines Instanzenzugs von Bedeutung sind. Das Grundrecht begründet dabei aber keinen Anspruch auf die Eröffnung eines Instanzenzugs; die Entscheidung über den Umfang des Rechtsmittelzugs bleibt vielmehr dem Gesetzgeber überlassen (z. B. Beschluss vom 30. November 2018 - VfGBbg 46/17 -, https://verfassungs­gericht.‌branden­burg.de; vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2014 ‌‑ 1 BvR 2534/10 -, Rn. 19, www.bverfg.de, m. w. N.).

Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg verstößt nicht gegen die genannten Gewährleistungen des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz. Für den hier vorliegenden Fall, dass das Verwaltungsgericht einen Antrag auf Prozesskostenhilfe nur ablehnt, weil es die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, hat der Gesetzgeber in § 146 Abs. 2 VwGO nämlich - wie das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zutreffend ausführt - ausdrücklich bestimmt, dass diese Entscheidung nicht mit der Beschwerde angegriffen werden kann. Dabei kommt den von den Gerichten verwendeten Begriffen „unstatthaft“ und „unzulässig“ die gleiche Bedeutung zu.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Möller

Dr. Becker

 

Dresen

Dr. Finck

 

Heinrich-Reichow

Kirbach

 

Dr. Lammer

Sokoll

 

Dr. Strauß