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VerfGBbg, Beschluss vom 17. Januar 2020 - VfGBbg 13/19 EA -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
EA
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 27 Abs. 2
- VerfGGBbg, § 13; VerfGGBbg, § 30 Abs. 1; VerfGGBbg, § 33
- VwGO, § 123 Abs. 3
- ZPO, § 920 Abs. 2
Schlagworte: - einstweilige Anordnung
- einstweilige Anordnung abgelehnt
- Untersagung
- Antragsbefugnis
- Prozessstandschaft
- WLAN
- Schule
- Gemeinwohlbezug
- Gesundheitsgefahren
- Anordnungsgrund
- Glaubhaftmachen
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 17. Januar 2020 - VfGBbg 13/19 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 13/19 EA




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 13/19 EA

In dem verfassungsgerichtlichen Verfahren

D.,

Antragstellerin,

wegen            Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 17. Januar 2020

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dresen, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Dr. Lammer, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

 

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

 

Gründe:

A.

Die Antragstellerin hat am 29. Oktober 2019 Verfassungsbeschwerde im eigenen Namen erhoben und den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sie ist Mutter eines Kindes, das eine Schule besucht, in der ein WLAN-Netz betrieben wird. Sie hat bereits erreicht, dass ihr Kind - und dessen Klasse - im Unterricht bis zum Abitur nicht mit WLAN-gestützter Technik umgehen muss, fürchtet jedoch gesundheitliche Beeinträchtigungen und Dauerschäden ihres Kindes aufgrund des Umstands, dass es in der Schule WLAN-Strahlung ausgesetzt sei. Hierzu hat die Antragstellerin eine Fülle von Unterlagen vorgelegt, die Gesundheitsgefahren durch WLAN beweisen sollen.

Sie macht geltend, dass ihr Kind in der Schule durch die staatlich veranlasste Bestrahlung mit WLAN durch die öffentliche Gewalt gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten aus der Verfassung des Landes Brandenburg (LV) verletzt werde, und benennt Art. 7 Abs. 1 Satz 1, Art. 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, Art. 10, Art. 13 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 Satz 2, Art. 27 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 und Abs. 7, Art. 29 Abs. 1 und Abs. 3, Art. 39 Abs. 2, Abs. 5 und Abs. 7 LV. Die Antragstellerin möchte zum Schutz der Persönlichkeit ihres Kindes keine Angaben zu diesem machen. Die Antragstellerin selbst sei in ihren Rechten aus Art. 7 Abs. 1 Satz 1, Art. 8 Abs. 3, Art. 10, Art. 12 Abs. 1 Satz 2, Art. 13 Abs. 1, Art. 21 Abs. 5, Art. 26 Abs. 1 und Art. 27 Abs. 2 LV verletzt. Ihr entstünde ein schwerer und unabwendbarer Nachteil, wenn sie zunächst auf den Rechtsweg verwiesen werde.

Die Antragstellerin beantragt,

im Wege der einstweiligen Anordnung zu beschließen,

das WLAN-Netz in dem W.-Gymnasium K. sofort abzuschalten und die Verwendung funkbetriebener Computer im Unterricht des W.-Gymnasiums K. sofort zu unterlassen und den Betrieb Funkstrahlung emittierender privater Geräte (Mobiltelefone, Smartphones, Tablets, Kopfhörer) der Schüler und des Schulpersonals im Schulgebäude und auf dem Schulgelände des W.-Gymnasiums K. sofort zu untersagen.

Zudem begehrt die Antragstellerin, dass mit der einstweiligen Anordnung nicht näher benannte Regelungen zu deren Vollstreckung gemäß § 33 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) erlassen werden.

B.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

Soweit die Antragstellerin den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung im Rahmen der erhobenen Verfassungsbeschwerde im eigenen Namen stellt, um den Schutz von Rechten ihres Kindes aus der Landesverfassung geltend zu machen, ist sie nicht antragsbefugt. Das Kind tritt nicht als Beschwerdeführer und Antragsteller auf. Die Beschwerdebefugnis für eine Verfassungsbeschwerde und entsprechend die Antragsbefugnis für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zum vorläufigen Schutz dieser Rechte während des Verfahrens der Verfassungsbeschwerde (vgl. § 30 Abs. 3 Satz 2, Abs. 6 Satz 1, Abs. 7 Satz 2 und 3 VerfGGBbg) setzen die Möglichkeit voraus, selbst, unmittelbar und gegenwärtig in seiner grundrechtlich geschützten Rechtsposition beeinträchtigt bzw. verletzt zu sein (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 15. November 2019 - VfGBbg 17/19 -, https://verfassungsgericht.bran-denburg.de, m. w. N.). Eine Prozessstandschaft, d. h. die Möglichkeit, die Verletzung von Grundrechten eines Dritten im eigenen Namen geltend zu machen, d. h. hier die Rechte des nicht am Verfahren beteiligten Kindes durch die Mutter als alleiniger Beschwerdeführerin und Antragstellerin, ist daher im Verfassungsbeschwerdeverfahren und im zugehörigen Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ausgeschlossen (vgl. Beschluss vom 15. November 2019 - VfGBbg 17/19 -, https://verfas-sungsgericht.brandenburg.de; BVerfG, Beschlüsse vom 27. Juni 2018 - 2 BvR 1562/17 -, Juris, Rn. 40, m. w. N., und vom 29. Mai 2006 - 1 BvR 1080/01 -, Juris, Rn. 20, m. w. N.). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann zwar in Sonderfällen in Betracht kommen, in denen ansonsten gar kein Grundrechtsschutz bestünde (vgl. dazu BVerfG, Beschlüsse vom 4. November 1987 - 1 BvR 1611/84, 1 BvR 1669/84 -, Juris, und vom 29. Mai 2006 - 1 BvR 1080/01 -, Juris, Rn. 22, m. w. N., und Rn. 24). Dies ist aber vorliegend nicht der Fall, da das Kind, vertreten durch die Sorgeberechtigte(n), seine eigenen Rechte wahrnehmen könnte.

Soweit die Antragstellerin den vorläufigen Schutz von eigenen Rechten aus der Landesverfassung im Wege der einstweiligen Anordnung begehrt, ist ein Anordnungsgrund weder dargetan und glaubhaft gemacht noch erkennbar.

Gemäß § 30 Abs. 1 VerfGGBbg kann das Verfassungsgericht einen Zustand durch eine einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Eine einstweilige Anordnung darf dabei nur ergehen, wenn sie, und zwar im Sinne einer zusätzlichen Voraussetzung, „zum gemeinen Wohl“ und „dringend“ geboten ist. Insoweit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. Beschlüsse vom 17. Juli 1997 - VfGBbg 21/97 EA -, vom 3. September 2019 - VfGBbg 8/19 EA - und vom 20. September 2019 - VfGBbg 9/19 EA -, https://verfassungsgericht.branden-burg.de). Ein Anknüpfungspunkt für einen Gemeinwohlbezug kann zu bejahen sein, wenn die Gefahr eines irreparablen Nachteils für die Freiheit und Unversehrtheit der Person oder für vergleichbar elementare Menschenrechte besteht (vgl. Beschluss vom 20. Januar 2000 - VfGBbg 43/99 EA -, https://verfassungsgericht.branden-burg.de).

Gemäß § 13 VerfGGBbg i. V. m. § 123 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sind solche Gefahren als Anordnungsgrund darzulegen und glaubhaft zu machen.

Daran fehlt es jedoch. Es ist weder dargetan noch objektiv erkennbar, dass der Antragstellerin selbst ein irreparabler, nicht anders abwendbarer persönlicher Nachteil für die Unversehrtheit ihrer Person droht, wenn ihr Kind bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache weiter in einer Schule beschult wird, die ein WLAN-Netz betreibt und in der Klassen anderer Schüler gegebenenfalls mit WLAN-gestützter Technik umgehen und Lehrer und ältere Schüler in den Pausen und auf dem Schulhof private WLAN-gestützte Geräte nutzen dürfen.

Da ein Anordnungsgrund für eine einstweilige Anordnung damit nicht gegeben ist, ist eine Folgenabwägung für und gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht mehr vorzunehmen.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Möller

Dr. Becker

 

Dresen

Dr. Finck

 

Heinrich-Reichow

Kirbach

 

Dr. Lammer

Sokoll

 

Dr. Strauß