VerfGBbg, Beschluss vom 16. November 2012 - VfGBbg 61/11 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 41 Abs. 1; LV, Art. 39; LV, Art. 52 Abs. 3 - VerfGGBbg, § 45 Abs. 2; VerfGGBbg, § 46; VerfGGBbg, § 49 Abs. 4 |
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Schlagworte: | - Anschluss- und Benutzung - Befreiung - private Anlage - höherer Umweltstandard - Beitritt zum Verfahren |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 16. November 2012 - VfGBbg 61/11 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 61/11
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
1. W.,
2. R.-W.,
Beschwerdeführer zu 1) – 2),
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt S.,
Verbandsvorsteher des Wasser- und Abwasserzweckverbandes Herzberg,Osterodaer Straße 4,
04916 Herzberg/Elster,
Äußerungsberechtigter zu 1),
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte K.,
Präsident des Verwaltungsgerichts Cottbus,
Vom-Stein-Straße 27,
03050 Cottbus,
Äußerungsberechtigter zu 2),
Präsident des Oberverwaltungsgerichts
Berlin-Brandenburg,
Hardenbergstraße 31,
10623 Berlin,
Äußerungsberechtigter zu 3),
wegen des Bescheides des Äußerungsberechtigten zu 1) vom 5. September 2006, des Urteils des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 8. Oktober 2009 – VG 7 K 276/07 - und der Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. September 2011 - OVG 9 N 97.09 - und 26. Oktober 2011 - OVG 9 RN 5.11 -
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt
am 16. November 2012
b e s c h l o s s e n :
Die Verfassungsbeschwerde wird zum Teil verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.
G r ü n d e:
A.
Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang für die Abwasseranlage des Äußerungsberechtigten zu 1) und die nachfolgenden gerichtlichen Entscheidungen.
I.
Die Beschwerdeführer sind Eigentümer eines Wohngrundstücks in H., Ortsteil P., auf dem sie gegenwärtig eine Drei-Kammer-Klärgrube betreiben. Die Verbandsversammlung des vom Äußerungsberechtigten zu 1) vertretenen Verbandes beschloss am 15. Mai 2006 die „Entwässerungssatzung für die öffentlichen Entwässerungsanlagen des Herzberger Wasser- und Abwasserzweckverbandes“ (i. F.: Satzung). § 4 der Satzung ordnet hinsichtlich der zentralen Abwasseranlage den Anschluss- und Benutzungszwang an; zur Möglichkeit der Befreiung bestimmt § 5 der Satzung:
§ 5 Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang
(1) Von der Verpflichtung zum Anschluss oder zur Benutzung der zentralen Schmutzwasserbeseitigungsanlage kann der Grundstückseigentümer auf Antrag ganz oder teilweise befreit werden, wenn ihm der Anschluss oder die Benutzung aus besonderen Gründen auch unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Gemeinwohls nicht zumutbar ist. Der Antrag auf Befreiung ist unter Angabe der Gründe schriftlich beim Zweckverband einzureichen.
(2) – (3) ...
Am 8. August 2006 beantragten die Beschwerdeführer die Erteilung einer Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang. Der Äußerungsberechtigte zu 1) lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 5. September 2006 ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 2. März 2007 zurück.
Am 27. März 2007 erhoben die Beschwerdeführer Klage beim Verwaltungsgericht Cottbus, mit der sie die Verpflichtung des Äußerungsberechtigten zu 1) zur Erteilung der Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang begehrten. Sie machten u. a. geltend, die zentrale Abwasserentsorgung mit Anschluss- und Benutzungszwang verkenne den Klimawandel im Land Brandenburg. Der Ressourcenschutz des Wassers beginne auf ihrem Gartengrundstück. Nach der zu erwartenden Verpflichtung des Äußerungsberechtigten zu 1), sie vom Anschluss- und Benutzungszwang zu befreien, wollten sie auf ihrem Grundstück eine biologische Kläranlage für die Behandlung ihrer häuslichen Abwässer betreiben.
Das Verwaltungsgericht Cottbus wies die Klage mit Urteil vom 8. Oktober 2009 ab. Der geltend gemachte Befreiungsanspruch bestehe nicht. Die Regelung über den Anschluss- und Benutzungszwang sei mit höherrangigem Recht vereinbar, ebenso die Befreiungsregelung in § 5 der Satzung. Der Zwang zum Anschluss und zur Benutzung der leitungsgebundenen Abwasserentsorgung diene dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere der Volksgesundheit. Aus § 15 Abs. 2 Satz 1 Gemeindeordnung (GO) bzw. nunmehr § 12 Abs. 3 Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgKVerf) folge, dass der Satzungsgeber nur für atypische Fallgestaltungen eine Befreiung erlauben dürfe. An der hinreichenden Bestimmtheit der Befreiungsregelung bestünden keine Zweifel, da sich Sinn und Zweck der Regelung ermitteln lasse und der Regelung selbst objektive Kriterien zu entnehmen seien, die eine willkürfreie Anwendung ermöglichten. Nach den satzungsrechtlichen Voraussetzungen bestehe kein Anspruch auf die begehrte Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang. Die in § 15 Abs. 2 Satz 2 GO bzw. § 12 Abs. 3 Satz 2 BbgKVerf enthaltene Privilegierungsoption für Anlagen, die einen höheren Umweltstandard aufweisen als die von der Gemeinde vorgesehene Einrichtung, könne zwar im Rahmen der den Befreiungstatbestand betreffenden Abwägung berücksichtigt werden. Auf den Standard einer erst noch zu schaffenden Abwasseranlage könnten sich die Beschwerdeführer aber nicht berufen, da das Gesetz bei der Befreiungsoption nur bereits in Betrieb befindliche private Anlagen im Blick habe. Eine mit der Herstellung des Anschlusses verbundene, objektiv unzumutbare Belastung wirtschaftlicher oder sonstiger Art sei nicht dargetan worden. Es sei den Beschwerdeführern daher ohne weiteres zumutbar, ihre Klärgrube aufzugeben und das Grundstück an die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage anzuschließen.
Den Antrag der Beschwerdeführer auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 29. September 2011 ab. Die hiergegen erhobene Anhörungsrüge wies das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 26. Oktober 2011 zurück.
II.
Mit ihrer am 21. November 2011 erhobenen Verfassungsbeschwerde machen die Beschwerdeführer einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 (Staatsgrundsätze), Art. 6 Abs. 2 (Verfassungsbeschwerde), Art. 7 Abs. 1 (Menschenwürde), Art. 8 Abs. 1 (Recht auf Leben), Art. 10 (allgemeine Handlungsfreiheit), Art. 12 Abs. 1 (Gleichheitssatz), Art. 39 Abs. 2 (Schutz der personalen Unversehrtheit vor Verletzungen und unzumutbaren Gefährdungen), Art. 41 Abs. 1 (Eigentum), Art. 42 Abs. 1 (freie Entfaltung wirtschaftlicher Eigeninitiative) und Art. 52 Abs. 3 (rechtliches Gehör) der Verfassung des Landes Brandenburg (LV) geltend. Die Annahme der Fachgerichte, sie – die Beschwerdeführer – könnten sich nicht auf einen höheren Umweltstandard der von ihnen geplanten Anlage berufen, verstoße gegen Art. 6 Abs. 2 LV. Der Befreiungstatbestand der Satzung enthalte keine konkreten Regelungen, die Einschränkung ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit sei deshalb zu global. Die Entscheidungen der Fachgerichte stellten zudem krasse Fehlentscheidungen dar. Unter Beachtung der Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser hätte es sich den Fachgerichten erschließen müssen, dass die Ablehnung der beantragten Befreiung ermessensfehlerhaft gewesen sei. Zudem würden die angegriffenen Entscheidungen Belange des Umweltschutzes grob vernachlässigen. Die streitgegenständliche Satzung stehe nicht im Einklang mit § 18a Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG). Der Anschluss- und Benutzungszwang dürfe nur für solche Grundstücke bestehen, die nicht geeignet seien, ihre Abwässer ökologisch aufzuarbeiten und wieder dem natürlichen Wasserkreislauf zuzuführen. Die von den Fachgerichten zitierte Volksgesundheit sei nicht durch eine zentrale Abwasserbeseitigung allein zu sichern, sondern nur durch die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen. Die Entscheidungen verletzten deshalb ihren Anspruch auf Erhalt des „ökologischen Existenzminimums“. Die Fachgerichte hätten ferner verkannt, dass die Ausübung des Anschluss- und Benutzungszwanges in ihr Eigentumsrecht eingreife. Schließlich sei auch der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden, weil das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg nicht in angemessenem Umfang auf ihre Ausführungen und Darlegungen eingegangen sei.
III.
Der Verbandsvorsteher des Wasser- und Abwasserzweckverbandes Herzberg sowie die Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg und des Verwaltungsgerichts Cottbus - Äußerungsberechtigte zu 1) - 3) - hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Der Äußerungsberechtigte zu 1) hält die Verfassungsbeschwerde bereits für unzulässig, jedenfalls sei sie aber unbegründet. Es sei weder dargelegt worden noch sonst ersichtlich, dass die angegriffenen Entscheidungen in die bezeichneten Grundrechte der Beschwerdeführer eingriffen. Das angerufene Verfassungsgericht habe bereits mehrfach entschieden, dass der Anschluss- und Benutzungszwang mit den Grundrechten der Landesverfassung vereinbar sei.
IV.
Die verwaltungsgerichtlichen Verfahrensakten waren beigezogen.
B.
Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.
I.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, soweit sie sich gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 26. Oktober 2011 wendet. Mit diesem Beschluss hat das Oberverwaltungsgericht die gegen den Beschluss vom 29. September 2011 erhobene Gehörsrüge der Beschwerdeführer zurückgewiesen. Die Zurückweisung der Gehörsrüge ist mit der Verfassungsbeschwerde nicht angreifbar, weil sie keine eigenständige Beschwer schafft. Sie lässt allenfalls eine bereits durch die Ausgangsentscheidung eingetretene Verletzung rechtlichen Gehörs fortbestehen, indem eine Selbstkorrektur durch das Fachgericht unterbleibt. Ein schutzwürdiges Interesse an einer – zusätzlichen – verfassungsgerichtlichen Überprüfung der Gehörsrügeentscheidung besteht nicht (Beschluss vom 25. Mai 2012 – VfGBbg 14/12 -, www.verfassungsge-richt.brandenburg.de).
2. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung der Art. 7 Abs. 1, 8 Abs. 1, 39 Abs. 2, 42 Abs. 1 LV und des nach ihrer Auffassung aus diesen Gewährleistungen herzuleitenden „Grundrechts auf Garantie eines ökologischen Existenzminimums“ rügen, fehlt es der Verfassungsbeschwerde bereits an einer ausreichenden Begründung (§ 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg – VerfGGBbg -). Die Beschwerdeführer haben nicht dargelegt, inwiefern sie durch die angegriffenen Entscheidungen in diesen Grundrechten verletzt sein können. Ferner genügt die Verfassungsbeschwerde insoweit nicht den Anforderungen, die sich aus dem in § 45 Abs. 2 VerfGGBbg verankerten Subsidiaritätsgrundsatz ergeben. Das Vorbringen der Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat sich mit den vorgenannten Grundrechten nicht näher auseinandergesetzt. Nach dem Grundsatz der materiellen Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde muss die geltend gemachte Verletzung verfassungsmäßiger Rechte aber bereits bei den Fachgerichten substantiiert gerügt werden. Wird dies – wie hier – versäumt, obwohl die Geltendmachung der behaupteten Grundrechtsverletzung möglich und zumutbar gewesen wäre, so ist es dem Beschwerdeführer verwehrt, die entsprechende Rüge nachträglich mit der Verfassungsbeschwerde geltend zu machen (vgl. Beschlüsse vom 18. Oktober 2007 – VfGBbg 11/07 EA -, NVwZ-RR 2008, 210 und 27. Mai 2011 – VfGBbg 20/10 -, www.verfassungsge-richt.brandenburg.de).
3. Auch die behauptete Verletzung des Art. 6 Abs. 2 LV ist nicht dargelegt worden. Die Vorschrift gewährleistet die Verfassungsbeschwerde; von diesem verfassungsrechtlich verbürgten Recht haben die Beschwerdeführer vorliegend Gebrauch gemacht.
4. Schließlich kann eine Verletzung des Art. 2 Abs. 1 LV nicht mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden. Diese Bestimmung legt objektiv-rechtliche Strukturprinzipien fest, begründet aber keine subjektiv-öffentlichen Rechte des Bürgers und ist deshalb im Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht rügefähig (Beschluss vom 19. November 2010 – VfGBbg 26/10 -, www.verfassungsge-richt.brandenburg.de).
II.
Die Verfassungsbeschwerde erweist sich, soweit sie zulässig ist, als unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen keine durch die Verfassung des Landes Brandenburg gewährleisteten Grundrechte der Beschwerdeführer.
1. Es ist in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg geklärt, dass die Anordnung und Durchsetzung des Anschluss- und Benutzungszwanges grundsätzlich mit den Grundrechten der Landesverfassung vereinbar ist.
Insbesondere stellt der Anschluss- und Benutzungszwang eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne von Art. 41 Abs. 1 Satz 2 LV dar, die als Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums gemäß Art. 41 Abs. 2 LV vom Einzelnen hinzunehmen ist (zur Abwasserentsorgung vgl. bereits Beschluss vom 17. September 2009 – VfGBbg 22/08 -; ferner Beschlüsse vom 20. April 2006 – VfGBbg 6/06 – und – VfGBbg 74/05 -, jeweils www.verfassungsge-richt.brandenburg.de). Daran ist auch im vorliegenden Verfahren festzuhalten.
Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BbgKVerf (und ebenso nach der Vorgängerregelung in § 15 Abs. 1 Satz 1 GO) ist Voraussetzung für die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwanges das Vorliegen von Gründen des öffentlichen Wohls. Gegen die den angegriffenen Entscheidungen zugrunde liegende Annahme, die satzungsmäßige Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwanges rechtfertige sich hier aus Gründen des Gesundheitsschutzes, ist verfassungsrechtlich nichts zu erinnern. Dass durch den Anschluss- und Benutzungszwang mit größtmöglicher Sicherheit eine nicht sachgemäße Abwasserbeseitigung im Verbandsgebiet verhindert und damit Gefahren für das Allgemeinwohl (insbesondere durch eine mögliche Verunreinigung des Grundwassers) vorgebeugt werden kann (in diesem Sinne etwa BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 1997 – 8 B 250.97 -, juris; OVG für das Land Brandenburg, Urteil vom 31. Juli 2003 – 2 A 316/02 -, LKV 2004, 277), ist ohne weiteres nachvollziehbar und wird durch das im Wesentlichen auf ihr eigenes Grundstück beschränkte Vorbringen der Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogen. Hinzu kommt, dass sich eine in Umsetzung der den Gemeinden zugewiesenen Abwasserbeseitigungspflicht (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Brandenburgisches Wassergesetz) vorgehaltene zentrale Abwasserbeseitigungsanlage im Regelfall nicht wirtschaftlich betreiben lässt, wenn Anschluss und Benutzung der freien Entscheidung des Einzelnen überlassen bleiben (ebenso Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 11. Mai 2004 – Vf. 44-VI-02 -, BayVBl 2004, 527). Bei einer zu geringen Zahl von Nutzern bestünde die Gefahr einer unverhältnismäßigen finanziellen Belastung der Kommunen und der freiwillig Teilnehmenden, zumal die Gemeinden ihre zentralen Entwässerungsanlagen im Hinblick auf einen etwaigen Defekt oder die mögliche Stilllegung einer privaten Kläranlage grundsätzlich so dimensionieren müssen, dass sämtliche Grundstücke im Einzugsgebiet angeschlossen werden können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 1997 – 8 B 234.97 -, NVwZ 1998, 543).
Die von den Beschwerdeführern angeführten bundes- und europarechtlichen Vorgaben stehen den angegriffenen Entscheidungen nicht entgegen. Der durch das 6. Gesetz zur Änderung des WHG vom 11. November 1996 (BGBl I S. 1690) in § 18a Abs. 1 angefügte Satz 2, wonach dem Wohl der Allgemeinheit auch die Beseitigung von häuslichem Abwasser durch dezentrale Anlagen entsprechen kann, gebietet kein Absehen von der Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwanges, sondern soll den Kommunen lediglich „mehr Spielraum für die Optimierung ihrer Entsorgungskonzepte" eröffnen (vgl. BT-Ds. 13/4788, S. 20). Nach der Neuregelung des Wasserhaushaltsgesetzes vom 31. Juli 2009 (BGBl I S. 2585), die u. a. der Umsetzung der von den Beschwerdeführern genannten EG-Richtlinie diente (vgl. BT-Ds. 16/12275, S. 3), ist dies nunmehr in § 55 Abs. 1 Satz 2 WHG geregelt, ohne dass damit eine inhaltliche Änderung verbunden gewesen wäre (vgl. BT-Ds. 16/12275, S. 68; ferner Czychowski/Reinhardt, WHG, Kommentar, 10. Auflage 2010, § 55 Rn. 10).
Hält sich die satzungsrechtliche Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs mithin im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung, die ihrerseits keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt, so ist auch die durch Art. 10 LV gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit der Beschwerdeführer nicht verletzt (vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 80, 137, 153).
Besonderen Ausnahmefällen, in denen die Ausübung des Anschluss- und Benutzungszwanges zu unbilligen Härten führen würde, kann durch die in der Satzung des Äußerungsberechtigten zu 1) vorgesehene Möglichkeit der Befreiung hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. Beschluss vom 17. September 2009 – VfGBbg 22/08 -, a. a. O.).
2. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ist diese Befreiungsregelung auch hinreichend bestimmt. Nach dem Rechtsstaatsprinzip der Landesverfassung und dem darin enthaltenen Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes ist der Gesetzgeber gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Der Gesetzgeber ist aber nicht gezwungen, einen Tatbestand mit genau erfassbaren Merkmalen zu umschreiben. Auslegungsbedürftigkeit macht eine Norm nicht unbestimmt. Die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen und Ermessensermächtigungen widerspricht dem Bestimmtheitsgebot deshalb nicht, solange Zielrichtung und Rahmen der Regelung erkennbar bleiben (zum Bundesrecht vgl. BVerfGE 49, 89, 133 ff.; 87, 234, 263; 93, 213, 238). Diesen Anforderungen genügt § 5 der Satzung. Für den Normadressaten ist erkennbar, dass die Entscheidung über die Gewährung einer Befreiung von einer Abwägung zwischen den privaten Interessen des betroffenen Grundstückseigentümers und den Erfordernissen des Gemeinwohls abhängt. Inhalt und Gewicht der in die Abwägung einzustellenden Gesichtspunkte lassen sich mit herkömmlichen juristischen Methoden der Auslegung ermitteln. Sowohl aus dem Wortlaut des § 5 der Satzung als auch aus der dargelegten Schutzrichtung der öffentlichen Abwasserbeseitigung ergeben sich hierfür objektive Kriterien, wie bereits in den angegriffenen Entscheidungen ausgeführt worden ist.
3. Dass die angegriffenen Entscheidungen eine Befreiung der Beschwerdeführer vom Anschluss- und Benutzungszwang ablehnen, verletzt diese ebenfalls nicht in ihren Grundrechten. Dabei obliegt dem Verfassungsgericht des Landes Brandenburg keine umfassende Kontrolle der fachgerichtlichen Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts. Es überprüft nur, ob der Entscheidung eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung und Reichweite eines Grundrechts oder ein Verstoß gegen das Willkürverbot zugrunde liegt (st. Rspr., vgl. etwa Beschluss vom 18. März 2011 – VfGBbg 56/10 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).
Eine Entscheidung ist nur dann willkürlich im Sinne der Art. 12 Abs. 1 und 52 Abs. 3 Alt. 1 LV, wenn sie unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar ist und sich deshalb der Schluss aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen (vgl. LVerfGE 9, 95, 100). Hierfür ist nichts ersichtlich. Die angegriffenen Entscheidungen gehen davon aus, dass nach der Satzung des Äußerungsberechtigten zu 1) eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang auch dann in Betracht kommt, wenn private Anlagen einen höheren Umweltstandard aufweisen als die kommunale Einrichtung (vgl. Urteil des VG Cottbus vom 8. Oktober 2009, S. 5 UA). Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts wird durch eine solche Befreiungsmöglichkeit den in Art. 39 Abs. 4 und 5 LV verankerten Staatszielbestimmungen (Ressourcenschonung und Vorsorgeprinzip) Rechnung getragen (vgl. Beschluss vom 17. September 2009 – VfGBbg 22/08 -, a. a. O.). Wenn die Fachgerichte weiterhin unter Hinweis auf Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Ausnahmecharakter des § 12 Abs. 3 Satz 1 BbgKVerf bzw. der Vorgängerregelung in § 15 Abs. 2 Satz 1 GO (vgl. hierzu Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, Urteil vom 31. Juli 2003 – 2 A 316/02 -, a. a. O.) annehmen, dass bei der zur Feststellung des Befreiungstatbestandes erforderlichen Abwägung allerdings nur solche privaten Anlagen zu berücksichtigen sind, die spätestens bei betriebsbereiter Fertigstellung der öffentlichen Abwasserentsorgungsanlage bereits betrieben werden, dann bewegt sich dies im Rahmen anerkannter Auslegungsmethoden und lässt sachfremde Erwägungen nicht erkennen; nichts anderes gilt für die Schlussfolgerung der Gerichte, dass es auf den möglichen höheren Umweltstandard der von den Beschwerdeführern in Aussicht genommenen Kläranlage unter diesen Umständen nicht ankommt.
Die Verwaltungsgerichte haben dabei auch nicht den Wert-gehalt des Eigentumsgrundrechts verkannt. Die bloße Absicht der Beschwerdeführer, auf ihrem Grundstück zukünftig eine biologische Kläranlage zu betreiben, stellt schon keine von Art. 41 LV geschützte eigentumsrechtliche Position dar.
4. Schließlich ist nicht feststellbar, dass der Anspruch der Beschwerdeführer auf rechtliches Gehör (Art. 52 Abs. 3 LV) verletzt worden ist. Nach Art. 52 Abs. 3 LV sind die Gerichte verpflichtet, den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte müssen jedoch nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich bescheiden. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sie den ihnen unterbreiteten Vortrag hinlänglich berücksichtigen. Deshalb muss sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände ergeben, dass das Gericht seiner Pflicht zur Kenntnisnahme und zur Erwägung des Vorgetragenen nicht nachgekommen ist (vgl. Beschlüsse vom 10. Mai 2007 – VfGBbg 8/07 -, LVerfGE 18, 150, 157 und vom 17. Juni 2011 – VfGBbg 33/10 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Dafür bestehen hier keine Anhaltspunkte. Im Übrigen würden die fachgerichtlichen Entscheidungen auch nicht auf dem gerügten Gehörsverstoß beruhen, da das von den Beschwerdeführern für nicht hinreichend berücksichtigt gehaltene Vorbringen zu Art. 39 LV und § 55 WHG nicht entscheidungserheblich gewesen ist. Unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Gerichte, eine Befreiung komme von vornherein nur bei bereits betriebenen Anlagen in Betracht, kam es auf die von den Beschwerdeführern angeführten Gesichtspunkte nicht an.
C.
Der vom Äußerungsberechtigten zu 1) mit Schriftsatz vom 30. Januar 2012 erklärte Beitritt zum Verfahren ist nicht statthaft und damit unzulässig. Der Äußerungsberechtigte zu 1) gehört von vornherein nicht zum Kreis der Beitrittsberechtigten. Nach § 49 Abs. 4 VerfGGBbg können die nach den Absätzen 1 und 3 zu beteiligenden Organe dem Verfassungsbeschwerdeverfahren beitreten, die Landesregierung auch dann, wenn eine Handlung oder Unterlassung einer Behörde des Landes beanstandet wird. Zwar ist der Äußerungsberechtigten zu 1) hier nicht nur nach Absatz 2 (begünstigter Gegner des gerichtlichen Verfahrens), sondern auch nach Absatz 1 als Behörde zu beteiligen, deren Bescheid mit der Verfassungsbeschwerde beanstandet wird. Dies macht ihn aber nicht zu einem „Organ“ i. S. d. des Absatzes 1, womit – auch in Abgrenzung zum Begriff „Behörde“ - ersichtlich nur die in § 12 Nr. 1 VerfGGBbg genannten Beteiligten gemeint sind.
D.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Möller | Dr. Becker |
Dielitz | Dr. Fuchsloch |
Dr. Lammer | Nitsche |
Partikel | Schmidt |