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VerfGBbg, Beschluss vom 16. November 1995 - VfGBbg 15/95 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 45 Abs. 2; VerfGGBbg, § 48 Satz 1; VerfGGBbg, § 19 Abs. 1; VerfGGBbg, § 19 Abs. 3
- ZPO, § 114 Satz 1
Schlagworte: - Subsidiarität
- Prozeßkostenhilfe
- Beistand
amtlicher Leitsatz: In Grundbuchsachen macht die Möglichkeit der Grundbuchberichtigungsklage (§ 894 BGB) die Anrufung des Verfassungsgerichts unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität unzulässig.
Fundstellen: - LVerfGE 3, 185
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 16. November 1995 - VfGBbg 15/95 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 15/95



IM NAMEN DES VOLKES
B E S C H L U S S

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

der H.,

Beschwerdeführerin ,

Bevollmächtigter: D.,

betreffend

a) den Beschluß des Amtsgerichts Cottbus - Grundbuchamt - vom 28. September 1994,

b) den Beschluß des Landgerichts Cottbus vom 4. Januar 1995,

c) den Beschluß des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 10. Mai 1995

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dr. Macke, Prof. Dr. Harms-Ziegler, Dr. Knippel, Prof. Dr. Mitzner, Prof. Dr. Schröder, Prof. Dr. Schöneburg und Weisberg-Schwarz

am 16. November 1995

b e s c h l o s s e n :

1. Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe wird zurückgewiesen.

G r ü n d e :

A.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Ablehnung eines grundbuchrechlichen Berichtigungsantrages sowie gegen die Zurückweisung eines auf die entsprechende weitere Beschwerde bezogenen Prozeßkostenhilfebegehrens.

Die Beschwerdeführerin ist Erbin zu 1/3 ihrer am 16. Februar 1987 verstorbenen Mutter, Frau F. geb. U.. Diese war Eigentümerin eines 6.740 qm großen Grundstücks in B. Am 3. März 1978 schloß sie mit den Eheleuten L. einen vor dem damaligen Staatlichen Notariat Cottbus aufgenommenen Grundstückskaufvertrag; in dessen § 1 ist als Kaufgegenstand das Grundstück mit Grundbuchblatt und Flurbezeichnung aufgeführt. Zugleich erklärten die damaligen Vertragsbeteiligten die Auflassung. Die Eheleute L. wurden am 5. Mai 1978 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.

Mit Schreiben vom 27. Februar 1994 stellte die Beschwerdeführerin bei dem Amtsgericht Cottbus - Grundbuchamt - Antrag auf Berichtigung des Grundbuches. Sie machte geltend, Gegenstand des Grundstückskaufvertrages aus dem Jahre 1978 sei der Sache nach nicht das gesamte Grundstück, sondern nur ein3.325 qm großer Teil desselben gewesen.

Durch Beschluß vom 28. September 1994 wies das Amtsgericht Cottbus durch die Rechtspflegerin den Antrag unter Hinweis auf die Bezeichnung des Kaufgegenstandes in § 1 des Kaufvertrages zurück. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies das Langericht Cottbus durch Beschluß vom 4. Januar 1995 zurück. Der daraufhin bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht gestellte Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe zur Durchführung der weiteren Beschwerde gemäߧ§ 78 ff. Grundbuchordnung (GBO) blieb ohne Erfolg (Beschluß vom 10. Mai 1995, zugestellt am 23. Mai 1995).

Mit ihrer am 15. Juli 1995 bei dem Verfassungsgericht eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Rechte aus Artikel 12 Abs. 1, 41 Abs.1 Satz 1 und 52 Abs. 3 und 4 der Landesverfassung.

Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, die von den Gerichten vorgenommene Auslegung der Urkunde des Staatlichen Notariats Cottbus verletze bedeutsame Strukturelemente der Landesverfassung. Die Auslegung sei im Lichte der Verfassung nicht mehr verständlich und stelle Willkür dar. Durch die aus ihrer Sicht falsche Eintragung im Grundbuch werde sie außerdem an der Verwertung ihres Grundstücks gehindert; dies bedeute eine Verletzung ihres Eigentums. Darin, daß sie auf einen die Entscheidung des Landgerichts tragenden rechtlichen Gesichtspunkt vor Erlaß der Entscheidung nicht hingewiesen worden sei, liege zudem eine Verletzung rechtlichen Gehörs. Schließlich sei der Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt worden: Das Oberlandesgericht hätte sich zur Abwehr der ihr drohenden Eigentumsverletzung nicht auf das Fehlen von öffentlichen Urkunden berufen dürfen; es hätte vielmehr von Amts wegen Beweis erheben müssen.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

Es kann zunächst dahinstehen, ob der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin als Lehrbeauftragter a.D. einem Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule gleichzustellen ist und er deshalb die Beschwerdeführerin nach § 19 Abs. 1 des Brandenburgischen Verfassungsgerichtsgesetzes (VerfGGBbg) vor dem Verfassungsgericht wirksam vertreten kann; ebenso kann offenbleiben, ob er - verneinendenfalls - nach Maßgabe des § 19 Abs. 3 VerfGGBbg als Beistand der Beschwerdeführerin behandelt werden könnte.

Es bedurfte auch keiner Entscheidung, ob die Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf das in der Sache nicht mehr durchgeführte Beschwerdeverfahren vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht (§§ 78 ff. GBO) mangels Erschöpfung des Rechtsweges (§ 45 Abs. 2 VerfGGBbg) unzulässig ist.

Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht jedenfalls der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde entgegen, wie er in § 45 Abs. 2 VerfGGBbg seinen Ausdruck gefunden hat. Dieser Grundsatz fordert von einem Beschwerdeführer, daß er über die Rechtswegerschöpfung hinaus alles im Rahmen seiner Möglichkeiten Stehende getan hat, um eine etwaige Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder zu verhindern. Der Subsidiaritätsgrundsatz dient einer sachgerechten Aufgabenverteilung zwischen dem Verfassungsgericht und den Fachgerichten. Demnach obliegt es vorrangig den Fachgerichten, einfachrechtliche Vorschriften auszulegen und die zur Anwendung der Vorschriften erforderlichen Ermittlungen sowie die Würdigung des Sachverhalts vorzunehmen (ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg, vgl. Beschluß vom 20. Oktober 1994 - VfGBbg 12/94 - GewArch 1995, 414, 415; Beschluß vom 15. September 1994 - VfGBbg 5/94 - UPR 1995, 353; Beschluß vom 17. März 1994 - VfGBbg 11/93 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Hiernach kann sich die Beschwerdeführerin nach Lage des Falles nicht in zulässiger Weise an das Verfassungsgericht wenden. Sie kann ihr Rechtsschutzziel - Berichtigung des Grundbuches zu ihren Gunsten - in zumutbarer Weise vor den ordentlichen Gerichten verfolgen. Insbesondere möglich ist eine auf den sachenrechtlichen Anspruch aus § 894 BGB gestützte Klage auf Erteilung der Berichtigungsbewilligung gegen die Eheleute L. Die gegebenenfalls in diesem Zusammenhange vorzunehmende Auslegung des Grundstückskaufvertrages vom 3. März 1978 einschließlich der Auflassung sowie die Bewertung der von der Beschwerdeführerin hierzu vorgelegten Schreiben gehört vor das Fachgericht. Die Frage der Erfolgsaussicht einer Klage aus § 894 BGB muß hier offenbleiben.

Da die Verfassungsbeschwerde erfolglos geblieben ist, war - mangels hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung - auch der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zurückzuweisen (§ 48 Satz 1 VerfGGBbg i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozeßordnung).

Dr. Macke Prof. Dr. Harms-Ziegler
Dr. Knippel Prof. Dr. Mitzner
Prof. Dr. Schröder Prof. Dr. Schöneburg
Weisberg-Schwarz