VerfGBbg, Beschluss vom 16. September 2011 - VfGBbg 7/11 EA -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde EA |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 - ZPO, § 580 |
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Schlagworte: | - Rechtswegerschöpfung - Widerruf von Prozesshandlungen - Rücknahme einer Beschwerde |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 16. September 2011 - VfGBbg 7/11 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 7/11 EA
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren und im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
M.
Beschwerdeführer und Antragsteller zu 1),
K.
Beschwerdeführer und Antragsteller zu 2),
K.
Äußerungsberechtigte,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte B.
wegen des Beschlusses des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 27. Juni 2011 und der Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 12. Juli 2011 (Az.: 15 UF 167/11) sowie des Beschlusses des Amtsgerichts Potsdam vom 26. Mai 2011 (Az.: 43 F 159/11)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Postier, Dr. Becker, Dielitz, Möller, Nitsche, Partikel und Schmidt
am 16. September 2011
b e s c h l o s s e n :
1. Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
A.
Der Beschwerdeführer zu 1) wendet sich gegen Beschlüsse und Verfügungen, die das Amtsgericht Potsdam und das Brandenburgische Oberlandesgericht im Rahmen von Streitigkeiten über das Sorgerecht zwischen ihm und der Äußerungsberechtigten für deren gemeinsamen minderjährigen Sohn, dem Beschwerdeführer zu 2), getroffen hat.
I.
Der Beschwerdeführer zu 2) lebt bei der Äußerungsberechtigten, die derzeit alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge ist.
Zwischen den Kindeseltern besteht Streit über die Behandlung einer bei ihrem Sohn diagnostizierten Phimose. Der Beschwerdeführer zu 1) beantragte vor dem Amtsgericht Potsdam im Rahmen einer einstweiligen Anordnung die Übertragung der Gesundheitssorge auf ihn (Az.: 43 F 159/11). Nachdem das Amtsgericht Potsdam der Äußerungsberechtigten mit Beschluss vom 10. Mai 2011 zunächst die operative Behandlung der Erkrankung untersagt hatte, hob es nach mündlicher Verhandlung durch Beschluss vom 26. Mai 2011 diese Anordnung auf und lehnte den Antrag auf Übertragung der Gesundheitssorge auf den Beschwerdeführer zu 1) ab. Das Brandenburgische Oberlandesgericht verhandelte am 27. Juni 2011 über die dagegen gerichtete Beschwerde. In der mündlichen Verhandlung nahm der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer zu 1) die Beschwerde zurück. Mit in der mündlichen Verhandlung verkündetem Beschluss legte das Gericht dem Beschwerdeführer zu 1) die Kosten des Beschwerdeverfahrens auf und setzte den Streitwert fest.
Mit Schriftsätzen vom 10. Juli 2011 beantragte der Beschwerdeführer zu 1) beim Brandenburgischen Oberlandesgericht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, die Anordnung des Amtsgerichts Potsdam vom 10. Mai 2011 in Kraft zu lassen sowie die Aufnahme weiterer wesentlicher Vorgänge in das Sitzungsprotokoll. Er fechte die Rücknahme der Beschwerde wegen Drohung und Täuschung gem. § 123 BGB an und erhebe Anhörungsrüge. Er und seine Bevollmächtigte seien durch Ignorieren und bewusstes Verkehren ihres Vortrags so lange eingeschüchtert und in die Irre geführt worden, bis sie angesichts vorgetäuschter Aussichtslosigkeit und der „vage im Raum“ stehenden Drohung, die Akten unter anderem wegen der vom Beschwerdeführer zu 1) zur Dokumentation der Erkrankung des Beschwerdeführers zu 2) gefertigten Fotos an die Staatsanwaltschaft Potsdam abzugeben, die Beschwerde zurückgenommen hätten. Die zunächst von seiner Verfahrensbevollmächtigten abgegebene Erklärung, dass die Beschwerde nicht zurückgenommen werde und er eine Feststellung darüber begehrt habe, dass derzeit keine Phimose bestehe, sei nicht aufgenommen worden. Der Vorsitzende habe getäuscht, indem er nur unvollständig aus den „Leitlinien der deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie“ zitiert und diese durch Zugrundelegen längst überholter Tatsachen zur Bestätigung seiner voreingenommenen Haltung uminterpretiert habe. Er, der Beschwerdeführer zu 1), habe sich zudem dadurch weiterer Verunsicherung ausgesetzt gefühlt, dass der Vorsitzende in der Sitzung angegeben habe, die Fotos einem ihm bekannten Kinderarzt gezeigt zu haben, welcher davon ausgehe, dass eine operative Behandlung erforderlich sei. Die Fotos seien dem Bekannten ohne Beweisbeschluss gezeigt worden. Dies stelle eine Amtspflichtverletzung gem. § 580 Nr. 5 Zivilprozessordnung (ZPO) dar. Des Weiteren seien irreführende rechtliche Hinweise auf die Erfolglosigkeit der Beschwerde aus Rechtsgründen ergangen. Der Senat habe ausgeführt, dass im Hauptsacheverfahren zum elterlichen Sorgerecht (43 F 347/10) in absehbarer Zeit nicht mit einer Entscheidung zu seinen Gunsten zu rechnen sei. Dabei habe sich der Senat offensichtlich Ausführungen eines dort eingereichten gegnerischen Schriftsatzes zu eigen gemacht, den er, der Beschwerdeführer zu 1), schon bestritten habe. Zudem komme es entgegen des Hinweises des Senats im Rahmen des Eilverfahrens nicht darauf an, wann mit der für ihn positiven Entscheidung in der Hauptsache zu rechnen sei. Er sei auch pflichtwidrig nicht auf den Zusammenhang mit dem am selben Tag verhandelten Beschwerdeverfahren zur Beschränkung seines Umgangsrechts (15 UF 168/11) hingewiesen worden. Er habe dann in einer Atmosphäre der Drohung, auf Grund von Tatsachenverkennung und letztendlich durch Täuschung anhand von realitätsfernen Behauptungen, was ein Bekannter des Senatsvorsitzenden gesagt habe, erschüttert und entnervt seine Beschwerde zurückgenommen.
Er mache ferner Verfahrensfehler geltend und rüge Verstöße gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör.
Mit Verfügung vom 12. Juli 2011 teilte der Vorsitzende des erkennenden Senats mit, dass nichts zu veranlassen sei. Die Beschwerde sei zurückgenommen und das Verfahren beendet. Eine Täuschung oder Drohung habe nicht vorgelegen. Der Beschwerdeführer zu 1) habe die Rücknahme nach mehrmaligen Unterbrechungen und dezidierten Hinweisen des Senats auf die Unbegründetheit der Beschwerde aus Rechtsgründen erklärt.
II.
Der Beschwerdeführer zu 1) hat am 26. August 2011 im eigenen Namen und im Namen des Beschwerdeführers zu 2) Verfassungsbeschwerde gegen die Zurückweisung seines Antrags auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung und der Anhörungsrüge im gerichtlichen Schreiben vom 12. Juli 2011 und den Beschluss vom 27. Juni 2011 erhoben. „Mittelbar“ wende er sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 26. Mai 2011 und teilweise gegen den vom 10. Mai 2011.
Die Beschwerdeführer beantragen in der Hauptsache,
die Zurückweisung durch das Brandenburgische Oberlandesgericht vom 12. Juli 2011 aufzuheben und die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht anzuordnen;
den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 27. Juni 2011 (15 UF 167/11) sowie den Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 26. Mai 2011 (Az.: 43 F 159/11) ganz und den vom 10. Mai 2011 teilweise aufzuheben.
Daneben beantragen sie sinngemäß, weitere Anordnungen für die ihrer Auffassung nach fortzusetzenden fachgerichtlichen Verfahren zu treffen.
Sie begehren ferner die Feststellung, dass sie auf Grund mangelnder Amtsermittlung der Fachgerichte bezüglich der Phimose im Zeitraum von Oktober 2007 bis März 2010 in ihren Grundrechten verletzt wurden.
Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 2 Abs. 5 der Verfassung des Landes Brandenburg – LV -), der Persönlichkeitsrechte (Art. 7 Abs. 1 i. V. m. Art. 10 LV), des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 12 Abs. 1 und 3 LV), der Familien-, Eltern- und Kindrechte (Art. 26 und 27 LV), des Rechts auf rechtliches Gehör und auf ein faires Verfahren (Art. 52 Abs. 3 und 4 LV) sowie die Verletzung von Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention und der UN-Kinderrechtskonvention.
III.
Die Beschwerdeführer beantragen außerdem den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit welchem sie vorläufig die Aussetzung der Wirksamkeit der Beschlüsse vom 27. Juni 2011 (Bbg OLG) und 26. Mai 2011 (AG Potsdam) begehren.
IV.
Das Brandenburgische Oberlandesgericht, die Äußerungsberechtigte und die weiteren Beteiligten des Ausgangsverfahrens hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Akte des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (Az.: 15 UF 167/11) hat vorgelegen. Die Akte zum verfassungsgerichtlichen Verfahren VfGBbg 10/11 wurde beigezogen.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
I. Hinsichtlich der angegriffenen Beschlüsse des Amtsgerichts Potsdam vom 26. Mai 2011 und 10. Mai 2011 wurde der nach § 45 Abs. 2 VerfGGBbg vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde zu beschreitende Rechtsweg auf Grund der Rücknahme seiner zunächst eingelegten Beschwerde nicht erschöpft.
Der Beschwerdeführer zu 1) hat zwar zunächst Beschwerde gegen den nach mündlicher Verhandlung ergangenen Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 26. Mai 2011 erhoben, diese aber wieder zurückgenommen. Damit hat er den zunächst beschrittenen Rechtsweg nicht ausgeschöpft (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 2, 123, 124; Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, Kommentar, 2. Auflage 2005, § 90 Rdnr. 120).
Die Rücknahme der Beschwerde ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer wirksam.
1. Das Verfassungsgericht muss die Frage der Wirksamkeit der Rücknahme selbst klären, weil davon abhängt, ob der Rechtsweg erschöpft ist. Insoweit geht es um eine vom Verfassungsgericht von Amts wegen zu prüfende Zulässigkeitsvoraussetzung.
Bei Streit über die Wirksamkeit der Rücknahme eines Rechtsmittels ist zwar nach den allgemeinen, von der Rechtsprechung entwickelten Regeln das Verfahren vor dem Fachgericht fortzuführen und dort in der Besetzung, in der über die Sache zu entscheiden wäre, über die Wirksamkeit zu befinden (so Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 26. September 2007 – XII ZB 80/07 -, NJW-RR 2008, 85; Saenger, Kommentar, ZPO, 4. Auflage 2011, § 269 Rdnr. 44). Danach wäre es Aufgabe des Brandenburgischen Oberlandesgerichts gewesen, eine Senatsentscheidung über die Wirksamkeit der Rücknahme herbeizuführen. Eine Verfügung des amtierenden Vorsitzenden genügt nicht. Diese Inkorrektheit kann dem Beschwerdeführer zu 1) nicht entgegengehalten werden. Er hat mit seinen an das Brandenburgische Oberlandesgericht gerichteten Schriftsätzen vom 10. Juli 2011 die Anfechtung der Beschwerderücknahme erklärt und dadurch sinngemäß den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens bei dem Oberlandesgericht gestellt. Damit hat er alles in seiner Macht Stehende getan, um die Wirksamkeit der Rücknahme fachgerichtlich klären zu lassen. Da der Senatsvorsitzende mitgeteilt hat, es sei nichts weiter zu veranlassen, hat er zu erkennen gegeben, dass der Senat die Frage der Anfechtung nicht entscheiden werde und dass kein Anfechtungs- bzw. Widerrufsgrund vorliege. Vor diesem Hintergrund wäre es eine reine Förmelei, würde das Verfassungsgericht das bei ihm anhängige Verfahren aussetzen, um dem Brandenburgischen Oberlandesgericht Gelegenheit zu geben, rechtsförmlich
über die Wirksamkeit der Rücknahme zu befinden. Auf eine Zurückverweisung an das Brandenburgische Oberlandesgericht kann hier ausnahmsweise auch deshalb verzichtet werden, weil die Rechtslage eindeutig ist.
2. Der Beschwerdeführer zu 1) hat die Beschwerde rechtswirksam zurückgenommen. Daran besteht kein Zweifel. Die Behauptung, dass er vor Abgabe dieser Erklärung die Rücknahme der Beschwerde verweigert haben will, lässt keine andere Bewertung zu.
Die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung ist auch nicht rückwirkend durch Anfechtung oder Widerruf entfallen.
Eine Anfechtung von Prozesserklärungen in entsprechender Anwendung von §§ 119 ff. Bürgerliches Gesetzbuch scheidet aus. Prozesserklärungen sind auch im familiengerichtlichen Verfahren grundsätzlich unanfechtbar und unwiderruflich (BGH, Beschluss vom 26. September 2007 – XII ZB 80/07 -, NJW-RR 2008, 85; Musielak, ZPO, Kommentar, 8. Auflage 2011, Einl. Rdnr. 64; Rauscher in: Münchener Kommentar, ZPO, Bd. I, 3. Auflage 2008, Einl. Rdnr. 393; Stein/Jonas, Kommentar, ZPO, 22. Auflage 2005, vor § 128 Rdnr. 284). Zwar darf wegen des Grundsatzes des effektiven Rechtsschutzes der Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer Weise erschwert werden. Dies kann die Parteien aber nicht ihrer Verantwortung dafür entheben, vor der Vornahme von Prozesshandlungen deren Konsequenzen zu bedenken. Dadurch werden sie nicht unzumutbar in ihren verfassungsrechtlich geschützten Rechten beeinträchtigt. Dies gilt umso weniger, wenn sie anwaltlich vertreten sind.
Nur ausnahmsweise kann ein Widerruf von prozessrechtlichen Bewirkungshandlungen, deren Folgen unmittelbar mit der Erklärung eintreten, in Betracht kommen. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist ihr Widerruf auf die Fälle beschränkt, in denen die Verfahrensordnung ohnehin eine Rechtskraftdurchbrechung vorsieht. Das ist der Fall, wenn Restitutionsgründe i. S. von § 48 Abs. 2 FamFG i. V. mit § 580 ff. ZPO vorliegen, die zu der Prozesshandlung geführt haben (Musielak, a.a.O., § 578 Rdnr. 5; Zimmermann in: Münchener Kommentar, ZPO, Bd. IV, 3. Auflage 2010, § 25 FamFG Rdnr. 10).
Von den in § 580 ZPO enumerativ aufgeführten Gründen liegt nach den Ausführungen des Beschwerdeführers zu 1) keiner vor, insbesondere ist im Sinne von § 580 Nr. 5 ZPO nicht ersichtlich, dass der Senatsvorsitzende sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Beschwerdeführer schuldig gemacht und dadurch die Rücknahme veranlasst hat.
a. Aus der von dem Beschwerdeführer zu 1) behaupteten „Drohung“ des Gerichts, das Verfahren an die Staatsanwaltschaft abzugeben, ergibt sich kein Widerrufsgrund. Insoweit hat der Beschwerdeführer zu 1) mit seiner Anfechtungserklärung nicht hinreichend vorgetragen, dass die „vage im Raum stehende“ Abgabe an die Staatsanwaltschaft nur für den Fall der Fortführung des Verfahrens erfolgen sollte. Dies gilt umso mehr, als nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu 1) im an das Brandenburgische Oberlandesgericht gerichteten Schriftsatz vom 10. Juli 2011 die Verfahrenspflegerin des Beschwerdeführers zu 2) und die Äußerungsberechtigte die Diskussion über mögliche sexuelle Handlungen aufgebracht haben. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer zu 1) umfassend dazu vorgetragen, dass er weder eine Körperverletzung noch sexuelle Handlungen beim Beschwerdeführer zu 2) begangen oder vorgenommen habe. Die ohnehin nur „vage im Raum stehende“ Drohung war demnach unter Zugrundelegung der Darstellungen des Beschwerdeführers 1) nach seinem eigenen Vorbringen schon ungeeignet, ihn zu einer Rücknahme zu bewegen.
b. Die nach den Darstellungen des Beschwerdeführers zu 1) ergangenen Hinweise des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die Aussichtslosigkeit der Beschwerde aus Rechtsgründen stellen ebenfalls keinen Widerrufsgrund dar.
Dass der Äußerungsberechtigten als alleinigen Inhaberin der elterlichen Sorge die Entscheidung über die Behandlung des Kindes zustehe, solange sie aus medizinischer Sicht sinnvoll sei und das Kindeswohl nicht gefährde, gibt die Rechtsauffassung des Gerichts wieder. Diese war dem Beschwerdeführer zu 1) aus dem erstinstanzlichen Verfahren bekannt. Er hatte bereits im Schriftsatz vom 26. Mai 2011 seine anderslautende Rechtsauffassung dargelegt. Das Gleiche gilt zu den Ausführungen des Senats, dass das Kind nicht selbst über die Behandlung entscheiden könne. Auch hier gab es keine Täuschung. Diese Ansicht war für den Beschwerdeführer zu 1) nicht neu. Bereits der Beschluss des Eildienstrichters vom 7. Mai 2011 enthält hierzu Ausführungen, mit welchen sich der Beschwerdeführer zu 1) in seinem Schriftsatzes vom 10. Mai 2011 auseinandergesetzt hat.
Auch die nach Meinung des Beschwerdeführers zu 1) irreführenden Hinweise, dass eine Übertragung der elterlichen Sorge auf ihn im Hauptsacheverfahren in nächster Zeit nicht absehbar sei, bieten keinen Widerrufsgrund. Die Bewertung der Erfolgsaussichten des Hauptsachverfahrens hat der Beschwerdeführer zu 1) nach seinen Schilderungen schon in der Verhandlung am 27. Juni 2011 bezweifelt. Durch die dennoch und unter anwaltlicher Vertretung erklärte Rücknahme hat er eine Entscheidung verhindert.
c. Ebenso wenig lässt sich aus dem Unterlassen des Hinweises des Gerichts, dass sich das Verfahren zur elterlichen Sorge auch auf das am selben Tag verhandelte Beschwerdeverfahren zum Umgangsrecht (15 UF 168/11) auswirken werde, einen Ansatz für einen zulässigen Widerruf erkennen. Ein Hinweis war schon deshalb nicht erforderlich, weil sich der Zusammenhang bereits eindeutig aus dem Umgangsbeschluss des Amtsgerichts vom 26. Mai 2011 ergab, der auf das Verhalten des Beschwerdeführers zu 1) im Zusammenhang mit der streitigen Behandlung der Phimose abstellte.
d. Die vom Beschwerdeführer zu 1) geschilderten Ausführungen des Senats zu den tatsächlichen Fragen begründen kein Widerrufsrecht. Dies gilt insbesondere für das behauptete selektive Zitieren der „Leitlinien der deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie“ und der Mitteilung der Auffassung des dem Senatsvorsitzenden bekannten Mediziners. Es ist schon nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer zu 1) insoweit einem Irrtum unterlegen wäre, der ein Widerrufsrecht begründen könnte. Die Frage, welche Behandlung erfolgversprechend und dem Kindeswohl zuträglich ist, war von Beginn an streitig. Der Beschwerdeführer zu 1) hat nach Ergehen des Beschlusses des Amtsgerichts vom 26. Mai 2011 erneuten fachmedizinischen Rat des Herrn Dr. Sippel eingeholt. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die angeblich einseitigen Ausführungen des Senats einen Irrtum über die Behandlungsmöglichkeiten der Phimose und deren Nebenwirkungen erregt haben könnten. Soweit die Frage entscheidungserheblich gewesen sein sollte, hätte es dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer zu 1) offen gestanden, eine förmliche Beweiserhebung anzuregen (§ 30 Abs. 3 FamFG). Auf die Frage, ob die Erkundungen des Vorsitzenden noch von den Befugnissen der §§ 29 ff. FamFG gedeckt waren, die die Erhebung von Freibeweisen zulassen, und ob er dabei seiner Pflicht zur Geheimhaltung (vgl. § 203 StGB) nachgekommen ist, kommt es demnach nicht an.
II. Hinsichtlich der angegriffenen Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 12. Juli 2011 fehlt die Beschwerdebefugnis. Die in § 45 VerfGGBbg vorausgesetzte Beschwerdebefugnis ist gegeben, wenn die behauptete Verletzung eigener Grundrechte möglich erscheint.
1. Soweit die mündliche Verhandlung nicht wiedereröffnet wurde, kommt eine Grundrechtsverletzung nicht in Betracht. Die Wiedereröffnung kann nach Abschluss des Verfahrens nicht mehr erfolgen. Das Verfahren war jedoch bereits durch Rücknahme der Beschwerde beendet.
2. Soweit die am 10. Juli 2011 erhobene Anhörungsrüge nicht beschieden wurde, entfaltet dieses Unterlassen keine selbstständige Grundrechtsbeschwer. Durch den Beschluss zu der Anhörungsrüge besteht allenfalls eine bereits durch die Ausgangsentscheidung eingetretene Verletzung rechtlichen Gehörs fort, indem eine Selbstkorrektur durch das Fachgericht unterblieben ist (Beschluss vom 15. Juli 2011 - VfGBbg 10/11 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).
III. In Bezug auf den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 27. Juni 2011 ist keine eigene Rechtsverletzung dargelegt. Der darin enthaltende Ausspruch der Kostenfolge lässt keine Verletzung von Landesgrundrechten erkennen.
IV. Die das weitere Verfahren vor dem Amtsgericht Potsdam und dem Brandenburgischen Oberlandesgericht in dem sorgerechtlichen Eilverfahren (43 F 159/11 bzw. 15 UF 167/11) betreffenden Anträge gehen ins Leere, da das Verfahren abgeschlossen ist, so dass für die Entscheidung hierüber kein Rechtsschutzbedürfnis besteht.
V. Die auf Feststellung gerichteten Anträge sind verfristet.
Die Beschwerdeführer begehren die Feststellung, dass sie auf Grund mangelnder Amtsermittlung der Fachgerichte bezüglich der Phimose im Zeitraum von Oktober 2007 bis März 2010 in ihren Grundrechten verletzt seien. Insoweit ist keine gerichtliche Entscheidung oder Maßnahme angegeben oder ersichtlich, gegen die sich die Verfassungsbeschwerde innerhalb der Zweimonatsfrist des § 47 Abs. 1 VerfGGBbg richten könnte. Das Amtsgericht Potsdam hatte mit Beschluss vom 31. März 2008 (Az.: 43 F 73/08) ein Tätigwerden auf Grund von § 1666 BGB abgelehnt, weil im Hinblick auf die Phimose eine Kindeswohlgefährdung nicht ersichtlich sei. Letztinstanzlich hatte hierzu der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 26. November 2008 unter Auseinandersetzung mit den Grundrechten aus Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland die Beschwerde als unzulässig verworfen. Im Jahr 2010 hat der Beschwerdeführer zu 1) die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Dieser Antrag wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 3. Mai 2010 (Az.: 43 F 170/10) verworfen, die Beschwerde zurückgewiesen (Brandenburgisches
Oberlandesgericht Beschluss vom 2. September 2011 – 15 UF 74/10-; Entscheidung über Anhörungsrüge vom 3. Januar 2011).
C.
Der zusätzlich gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist abzulehnen. Eine einstweilige Anordnung kommt dann nicht in Betracht, wenn sich, wie hier, das Begehren in der Hauptsache als erfolglos erweist. Für die Entscheidung des Verfassungsgerichts kommt es daher nicht darauf an, ob beim Beschwerdeführer zu 2) derzeit tatsächlich eine akute Phimose vorhanden ist, die ihm Schmerzen verursacht.
D.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Postier | Dr. Becker |
Dielitz | Möller |
Nitsche | Partikel |
Schmidt | |