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VerfGBbg, Beschluss vom 16. Juli 1998 - VfGBbg 31/97 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 41; LV, Art. 6 Abs. 2; LV, Art. 25 Abs. 1 Satz 1
- VerfGGBbg, § 45 Abs. 1; VerfGGBbg, § 50 Abs. 1 Satz 1; VerfGGBbg, § 29 Abs.1
- SWG, § 5 Abs. 2
- BbgBkGG, Art. 3; BbgBkGG, Art. 2 § 1; BbgBkGG, Art. 1;
  BbgBkGG, Art. 2 § 5 Abs. 1
Schlagworte: - Beteiligtenfähigkeit
- Beschwerdebefugnis
- Staatzielbestimmung
- Sorben
kein Leitsatz
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 16. Juli 1998 - VfGBbg 31/97 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 31/97



IM NAMEN DES VOLKES
 
B E S C H L U S S

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

1. Rat für sorbische (wendische) Angelegenheiten,
vertreten durch den Vorsitzenden,
Landtag des Landes Brandenburg,
Am Havelblick 8, 14473 Potsdam,

2. DOMOWINA, Bund Lausitzer Sorben e.V.,
vertreten durch den Geschäftsführer,
Postplatz 2, 02625 Bautzen,

3. N.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin P.-G.,

weiter beteiligt:

1. Landtag Brandenburg,
vertreten durch den Präsidenten des Landtags,
Am Havelblick 8, 14473 Potsdam,
Verfahrensbevollmächtigter Prof. Dr. K.,

2. Regierung des Landes Brandenburg,
vertreten durch den Minister der Justiz
und für Bundes- und Europaangelegenheiten
Heinrich-Mann-Allee 107, 14473 Potsdam,
Verfahrensbevollmächtigter: Prof. Dr. von B.,

gegen das Gesetz zur Förderung der Braunkohle im Land Brandenburg, zur Auflösung der Gemeinde Horno und zur Eingliederung ihres Gemeindegebietes in die Gemeinde Jänschwalde sowie zur Änderung des Enteignungsgesetzes des Landes Brandenburg vom 7. Juli 1997 (Brandenburgisches Braunkohlengrundlagengesetz - BbgBkGG -‚ GVBl. 1 S. 72)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dr. Macke, Dr. Dombert, Prof.
Dr.Harms-Ziegler, Dr. Knippel, Prof. Dr. Mitzner, Prof. Dr. Schöneburg, Prof. Dr. Schröder, Weisberg-Schwarz und Prof.Dr. Will

am 16. Juli 1998

b e s c h l o s s e n:

Die Verfassungsbeschwerden werden teils als unzulässig verworfen, im übrigen als unbegründet zurückgewiesen.

G r ü n d e :

A.

Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihren Verfassungsbeschwerden gegen das Brandenburgische Braunkohlengrundlagengesetz, wonach die Gemeinde Horno im Zusammenhang mit der beabsichtigten Inanspruchnahme ihres Gemeindegebietes für den Braunkohlentagebau mit dem Tag der nächsten Kommunalwahlen aufgelöst und in die Gemeinde Jänschwalde eingegliedert wird. Die Beschwerdeführer sehen hierdurch Art. 25 der Landesverfassung (LV) verletzt. Der Beschwerdeführer zu 3. rügt darüber hinaus einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 (körperliche Unversehrtheit), Art. 17 Abs. 1 (Freizügigkeit), Art. 39 Abs. 2 (Recht auf Schutz der Unversehrtheit vor Verletzungen und unzumutbaren Gefährdungen durch Veränderungen der natürlichen Lebensgrundlagen) und Art. 41 LV (Eigentum). Außerdem hält er die in Art. 3 des Gesetzes enthaltenen Sonderregelungen betreffend Enteignungen in Wiederansiedlungsgebieten wegen Verstoßes gegen Art. 41 LV für verfassungswidrig. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf das Urteil des erkennenden Gerichts vom 18. Juni 1998 in dem das Brandenburgische Braunkohlengrundlagengesetz betreffende Normenkontrollverfahren VfGBbg 27/97 Bezug genommen.

B.

Die Verfassungsbeschwerden bleiben ohne Erfolg.

I.

1. Das Gericht läßt offen, ob der Beschwerdeführer zu 1. zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde befähigt ist. Es erscheint zweifelhaft, ob er, wie es das Verfassungsbeschwerdeverfahren voraussetzt, selbst Träger von Grundrechten oder zu ihrer Wahrnehmung legitimiert ist. Der Rat für sorbische (wendische) Angelegenheiten hat nach § 5 Abs. 2 Sorben-(Wenden-)Gesetz die Aufgabe, den Landtag in Angelegenheiten zu beraten, die die Sorben betreffen. Hierzu ist er durch die Geschäftsordnung des Landtages mit eigenen Rechten ausgestattet (vgl. §§ 88 ff. GeschOLT), so daß er in dieser Hinsicht als Beteiligter eines Organstreitverfahrens in Betracht kommt. Jedoch ist nicht ersichtlich, daß der Beschwerdeführer zu 1. seinerseits Grundrechtsträger oder zur Wahrnehmung von Grundrechten anderer befugt ist. Seine Stellung als ein beim Landtag gebildetes und von ihm gewähltes Gremium sowie die ihm und seinen Mitgliedern eingeräumten Rechte sprechen vielmehr eher dafür, daß er selbst Teil der öffentlichen Gewalt des Landes ist. Letztlich kann die Frage der Beschwerdefähigkeit des Beschwerdeführers zu 1. im Verfahren der Verfassungsbeschwerde indessen unentschieden bleiben, weil seine Verfassungsbeschwerde jedenfalls in der Sache keinen Erfolg hat (vgl. hierzu II.).

2. Das Gericht läßt weiter dahinstehen, ob die Beschwerdeführerin zu 2. zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde befähigt ist. Eigene - ihr selbst als Verein, ggfls. als gesellschaftliche Gruppe (vgl. Art. 5 Abs. 1 LV) zustehende - Grundrechte, die hier verletzt sein könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Beschwerdeführern zu 2., unbeschadet ihrer herausgehobenen Bedeutung als Vertreterin sorbischer Interessen, als privatrechtlicher Verein nicht mit dem sorbischen Volk bzw. den Sorben oder sorbischen Gemeinden identisch, deren Rechte hier in Frage stehen. In Betracht kommt allein, daß sie als legitimiert anzusehen ist, in einer Art Prozeßstandschaft die Rechte der sorbischen Minderheit wahrzunehmen. Indessen ist zur Einlegung einer Verfassungsbeschwerde - jedenfalls grundsätzlich - nur der Rechtsinhaber selbst befugt (vgl. Kley/Rühmann in: Umbach/Clemens , Bundesverfassungsgerichtsgesetz 1992, § 90, Rdn. 51 m.w.N.). Die Wahrnehmung fremder Rechte ist dem Verfassungsprozeßrecht im allgemeinen fremd. Eine prozeßstandschaftliche Legitimation könnte sich hier allenfalls daraus ergeben, daß kollektive Minderheitenrechte ohne eine für die Minderheit handelnde und sie repräsentierende Stelle nicht aktivierbar sind. Das Gericht läßt auch diese -schwierigen - Fragen offen, weil es hierauf für den vorliegenden Fall nicht ankommt (vgl. hierzu ebenfalls II.).

3. a. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 3. ist unzulässig, soweit er sich darauf beruft, daß durch Art. 3 BbgBkGG das Eigentumsrecht nach Art. 41 LV verletzt werde. Insoweit fehlt ihm die nach Art. 6 Abs. 2 LV, § 45 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) erforderliche Beschwerdebefugnis. Eine Verletzung seines Eigentumsrechts durch Art. 3 BbgBkGG scheidet von vornherein aus. Art. 3 BbgBkGG ergänzt das Enteignungsgesetz des Landes Brandenburg um Sondervorschriften für Braunkohlengebiete, um eine Enteignung für die Wiederansiedlung zu ermöglichen. Im Falle Hornos kann dies Grundstücke auf dem Gebiet der zur Auswahl stehenden Wiederansiedlungsstandorte Jänschwalde, Peitz, Turnow und Forst (Lausitz) betreffen. Daß der Beschwerdeführer zu 3. als Einwohner der Gemeinde Horno hiervon berührt sein könnte, ist nicht ersichtlich.

b. Soweit sich der Beschwerdeführer zu 3. durch diejenigen Bestimmungen des Brandenburgischen Braunkohlengrundlagengesetzes in seinen Rechten aus der Landesverfassung verletzt sieht, die Gegenstand des Normenkontrollverfahrens VfGBbg 27/97 gewesen sind (Auflösung der Gemeinde Horno unter Inanspruchnahme ihres Gemeindegebietes für den Braunkohlentagebau [Art. 2 § 1 i.V.m. Art. 1 BbgBkGG]), könnte seine Beschwerdebefugnis dadurch entfallen sein, daß das Gericht in dem das Brandenburgische Braunkohlengrundlagengesetz betreffende Normenkontrollverfahren durch Urteil vom 18. Juni 1998 entschieden hat, daß die betreffenden Bestimmungen des Gesetzes mit der Landesverfassung vereinbar sind. Das Gericht hat, freilich in anderem Zusammenhange, entschieden, daß eine zulässigerweise erhobene Verfassungsbeschwerde im nachhinein unzulässig werden kann (vgl. Beschluß vom 19. Dezember 1996 - VfGBbg 28/96 -, LVerfGE 5, 125, 129). Ob diese Rechtsprechung auf die hier eingetretene Fallgestaltung übertragbar ist, bedarf indessen ebenfalls aus den nachfolgenden Gründen keiner Entscheidung.

II.

Die Zulässigkeitsfragen können auf sich beruhen, weil die Verfassungsbeschwerden jedenfalls in der Sache selbst keinen Erfolg haben (vgl. insoweit etwa BVerfG, NJW 1989, 707; NVwZ 1988, 1017 Nr. 2; siehe auch Clemens/Umbach in: dies. , a.a.O., § 93 b BVerfGG, Rdn. 20).

1. Der von den Beschwerdeführern mit ihren Verfassungsbeschwerden als verletzt gerügte Art. 25 Abs. 1 Satz 1 LV ist, wie das erkennende Gericht durch das genannte Urteil vom 18. Juni 1998 entschieden hat, jedenfalls in der hier vorliegenden Fallkonstellation kein Grundrecht, sondern ein Staatsziel. Das Gleiche gilt - mit Ausnahme des Rechts auf Bewahrung der sorbischen Sprache im öffentlichen Leben - für Art. 25 Abs. 3 LV. Auf die Ausführungen in der genannten Entscheidung wird verwiesen (vgl. zu Art. 25 Abs. 1 Satz 1 LV 5. 47 ff. des Entscheidungsumdrucks und zu Art. 25 Abs. 3 LV S. 99 ff.).

2. Das Recht auf Bewahrung der sorbischen Sprache im öffentlichen Leben und die von dem Beschwerdeführer zu 3. weiter geltend gemachten allgemeinen Grundrechte der Landesverfassung werden durch die in dem Brandenburgischen Braunkohlengrundlagengesetz bestimmte Auflösung der Gemeinde Horno unter Inanspruchnahme des Gemeindegebietes für den Braunkohlentagebau nicht verletzt. Vielmehr sind diese Regelungen des Gesetzes, wie das erkennende Gericht in der genannten Entscheidung im einzelnen dargelegt hat, mit der Landesverfassung und ihren Grundrechten vereinbar (vgl. zu Art. 25 Abs. 3 LV S. 99 ff. des Entscheidungsumdrucks, zu den allgemeinen Grundrechten der Landesverfassung S. 109 ff.). Soweit in der Begründung der Verfassungsbeschwerden geltend gemacht wird, Art. 2 § 5 Abs. 1 BbgBkGG sei zu unbestimmt, weil die Regelung nicht den Verpflichteten erkennen lasse, ergibt sich aus Art. 1 § 2 Satz 3 BbgBkGG und § 49 Satz 1 i.V.m. § 47 Abs. 1 Enteignungsgesetz Brandenburg in der Fassung des Art. 3 BbgBkGG, daß Verpflichteter der Bergbautreibende ist. Im übrigen ist die Frage, ob eine Wiederansiedlungsfläche “geeignet“ ist, auch durchaus justitiabel und die Regelung damit auch in dieser Hinsicht hinreichend bestimmt.

III.

Entsprechend dem Regelfall gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 VerfGGBbg hat das Gericht über die Verfassungsbeschwerden ohne mündliche Verhandlung entschieden. Die Beschwerdeführer zu 1. und 2. hatten in der mündlichen Verhandlung in dem Normenkontrollverfahren (VfGBbg 27/97) Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge darzulegen und haben davon, anwaltlich vertreten, entsprechend Gebrauch gemacht. Auch soweit der Beschwerdeführer zu 3. die Verletzung von Individualgrundrechten geltend macht, ist dies in der mündlichen Verhandlung zu dem Normenkontrollantrag erörtert worden; die daraufhin ergangene Entscheidung verhält sich auch hierzu und verneint eine Verletzung von Landesgrundrechten (siehe 5. 109 bis 116 des Entscheidungsumdrucks) . Die Frage der Vereinbarkeit der in Frage stehenden Regelungen des Brandenburgischen Braunkohlengrundlagengesetzes mit der Landesverfassung ist durch das Urteil vom 18. Juni 1998 abschließend und bindend (vgl. auch § 29 Abs. 1 VerfGGBbg) entschieden. Diese Entscheidung ist von den Beschwerdeführern in gleicher Weise zu respektieren wie eine gegenläufige Entscheidung von Landtag, Landesregierung und Braunkohlewirtschaft zu respektieren gewesen wäre und von dieser Seite die frühere Entscheidung des Gerichts in Sachen Horno respektiert werden mußte.

In der Sache selbst ist die hier getroffene Entscheidung - entsprechend dem Urteil vom 18. Juni 1998 mit den dazu ergangenen Sondervoten - mit 7 zu 2 Stimmen ergangen.
  

Dr. Macke Dr. Dombert
 
Prof. Dr. Harms-Ziegler  Dr. Knippel
  
Prof. Dr. Mitzner Prof. Dr. Schöneburg
    
Prof. Dr. Schröder  Weisberg-Schwarz
 
Prof. Dr. Will