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VerfGBbg, Beschluss vom 16. Juni 2005 - VfGBbg 2/05 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 2
- VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1; VerfGGBbg, § 47 Abs. 1;
   VerfGGBbg, § 50 Abs. 3; VerfGGBbg, § 32 Abs. 7 Satz 1
- ZPO, § 296 Abs. 2; ZPO, § 282 Abs. 1; ZPO, § 321a; ZPO, § 283
Schlagworte: - Zivilprozeßrecht
- Bundesrecht
- Zuständigkeit des Landesverfassungsgerichts
- rechtliches Gehör
- Rechtswegerschöpfung
- Beschwerdefrist
- Prüfungsmaßstab
nichtamtlicher Leitsatz: Die Anwendung von § 296 Abs. 2 Zivilprozeßordnung hat stets unter Berücksichtigung der Tragweite des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu erfolgen. Daher ist es von Verfassungs wegen geboten, daß das § 296 Abs. 2 Zivilprozeßordnung anwendende Gericht darlegt, von welchen Erwägungen es sich bei der Präklusion leiten läßt. Ebenso darf sich das Gericht für die Annahme, die Zulassung des Vor­bringens führe zu einem weiteren Termin zur mündlichen Verhandlung, nicht auf bloße Vermutungen stützen.
Fundstellen: - JMBl 2005, 111
- LVerfGE 16, 157
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 16. Juni 2005 - VfGBbg 2/05 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 2/05



IM NAMEN DES VOLKES

 
B E S C H L U S S
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

R.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwälte R., L., G.,

gegen das Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 19. August 2004 und den Beschluß des Amtsgerichts Potsdam vom 1. November 2004

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Weisberg-Schwarz, Prof. Dawin, Prof. Dr. Dombert, Prof. Dr. Harms-Ziegler, Havemann, Dr. Jegutidse, Dr. Knippel und Prof. Dr. Will

am 16. Juni 2005

b e s c h l o s s e n :

1. Das Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 19. August 2004 und der Beschluß des Amtsgerichts Potsdam vom 1. November 2004 verletzen den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 52 Abs. 3 Verfassung des Landes Brandenburg). Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Potsdam zurückverwiesen.

2. Das Land Brandenburg hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

G r ü n d e :

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen seine Verurteilung zur Zahlung unter Zurückweisung seines Vortrags als verspätet.

I.

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens nahm den Beschwerdeführer auf Zahlung i.H.v. 124,12 € nebst Zinsen und außergerichtlichen Mahnkosten vor dem Amtsgericht Potsdam mit der Behauptung in Anspruch, seitens des Beschwerdeführers mit der Entsorgung von Bauschutt, Sockelleisten und Hartfaserplatten beauftragt worden zu sein. Sie überreichte eine Rechnung und kündigte die Vorlage des Lieferscheins im Bestreitensfalle an. Nachdem der Beschwerdeführer auf die Klageschrift nur erwiderte: „Der Beklagte hat die Klägerin nicht beauftragt“, überreichte die Klägerin des Ausgangsverfahrens unter dem 13. April 2004 einen Lieferschein in Kopie und teilte unter dem 4. Mai 2004 ergänzend mit, daß „die Bestellung selbst von dem Beklagten ausgelöst worden ist“, „entsprechender Beweis“ könne im Bestreitensfalle nachgereicht werden.

In der mündlichen Verhandlung am 5. August 2004 wies das Amtsgericht darauf hin, daß die Klägerin aufgrund des in Kopie überreichten Lieferscheins eine Auftragserteilung substantiiert vorgetragen habe, hingegen das pauschale Bestreiten dessen nicht den Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten genüge. Der Prozeßbevollmächtigte des Beschwerdeführers erklärte - nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beschwerdeführers im Verfassungsbeschwerdeverfahren - darauf hin, daß der Beschwerdeführer die Klägerin zu keinem Zeitpunkt beauftragt habe oder durch andere habe beauftragen lassen, er auch nie einen Auftrag, Lieferschein und ähnliches der Klägerin unterschrieben habe oder durch andere habe unterschreiben lassen und beantragte eine Frist zur Stellungnahme auf den gerichtlichen Hinweis. Das Amtsgericht bestimmte einen Termin zur Verkündung der Entscheidung auf den 19. August 2004.

Mit am 9. August 2004 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz bekräftigte der Beschwerdeführer seinen Vortrag aus der mündlichen Verhandlung und verwies ergänzend darauf, daß die Unterschrift auf dem Lieferschein nicht mit der Unterschrift des Beschwerdeführers übereinstimme.

Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer durch das mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Urteil zur Zahlung von 154,71 € nebst Zinsen unter Abweisung der Klage hinsichtlich der Inkassokosten im übrigen und führte aus:

„Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 05. August 2004 bestritten hat, daß der Auftrag vom 24. September 2002 von ihm stamme, ist dies als verspätet zurückzuweisen (§§ 296 Abs. 2, 282 Abs. 1 ZPO). Auch der nach Schluß der mündlichen Verhandlung eingegangene Schriftsatz rechtfertigt keine andere Wertung. Zwar hat der Beklagte bereits mit Schriftsatz vom 12. März 2004 vorgetragen, die Klägerin nicht beauftragt zu haben, jedoch hat die Klägerin hierauf mit Schriftsatz vom 13. April 2004 substantiiert erwidert. Der Vortrag der Klägerin zur Beauftragung ist dahingehend als in hohem Maße substantiiert anzusehen, da sie sogar eine Urkunde der Beauftragung übersandte. Dem ist der Beklagte nicht mehr entgegengetreten. Es wäre vom Beklagten zu erwarten gewesen, daß er, nachdem die Klägerin den Auftrag vom 24. September 2002 zu den Akten gereicht hat, sich dazu erklärt hätte, daß er behaupte, dieser stamme nicht von ihm. Die Anforderung an die Substantiiertheit eines Bestreitens wächst mit der Substantiiertheit des jeweiligen Vortrages. Vorliegend beschied sich der Beklagtenvortrag auf den einzigen Satz „Der Beklagte hat die Klägerin nicht beauftragt“. Dies erreicht nicht das nötige Maß an Substantiiertheit, um dem Klägervortrag, welcher durch Vorlage des Auftrages untermauert wurde, entgegenzutreten.

Soweit der Vortrag erst in der mündlichen Verhandlung dahingehend substantiiert wurde, dieses Auftragsformular stamme nicht vom Beklagten, ist dieser Vortrag als verspätet zurückzuweisen. Es entspricht einer grob nachlässigen Prozeßführung, nicht bereits rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung dies vorgetragen zu haben. Den Schriftsatz vom 13.04.2004 hat der Beklagte zusammen mit der Ladungsverfügung ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 07. Mai 2004, mithin mehr als ein Vierteljahr vor der mündlichen Verhandlung erhalten.

Es war auch nicht erforderlich, daß das Gericht vor der mündlichen Verhandlung auf diesen Gesichtspunkt hinweist. Es musste dem anwaltlich vertretenen Beklagten bewußt sein, daß er sein Verteidigungsvorbringen über den erfolgten Satz hinaus substantiieren muß, nachdem die Klägerin die besagte Anlage vorgelegt hat. Die gerichtlichen Hinweispflichten gehen nicht soweit, daß die Parteien jeweils wechselseitig darauf hinzuweisen wären, daß sie das Vorbringen der Gegenseite mit hinreichender Substantiiertheit bestreiten müssen. Es kann von einer anwaltlich vertretenen Partei verlangt werden, daß sie auch ohne richterlichen Hinweis erkennt, daß ein bloß aus einem Satz bestehendes Verteidigungsvorbringen nicht genügt, wenn die Klägerin unter Vorlage von Urkunden ihren Vortrag substantiiert und unter Beweis stellt.

Aus dem vorliegenden Grund war dem Beklagten auch kein Schriftsatznachlaß mehr zu gewähren.“

Den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 321a Zivilprozeßordnung (ZPO) wies das Amtsgericht durch Beschluß vom 1. November 2004 - dem Beschwerdeführer zugegangen am 5. November 2004 - zurück. Den Vorhalt, das Gericht habe eine Verzögerung des Rechtsstreits gar nicht geprüft und insoweit unzulässiger Weise den weiteren Vortrag unberücksichtigt gelassen, wies das Amtsgericht zurück, da es sich bei der Begründung der Verspätung „lediglich um ein Begründungsdefizit, welches nicht entscheidungserheblich war“ handle. Das Amtsgericht führt dazu aus:

„Es ist jedoch offensichtlich, daß eine Verzögerung eingetreten wäre. Wäre der verspätete Vortrag zugelassen worden, hätte auch die Klägerin Gelegenheit erhalten müssen, auf den dann neuen Vortrag zu erwidern. Da dieser neue Sachvortrag aus dem Schriftsatz vom 09. August 2004 und die Erwiderung nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen wären, hätte es eines neuen Verhandlungstermins bedurft. Eine Verzögerung des Rechtsstreits wäre eingetreten. Hätte der Beklagte indes entsprechend einer sorgfältigen Prozeßführung rechtzeitig vorgetragen, hätte zum einen die Klägerin vor der mündlichen Verhandlung hierauf unter Beweisantritt erwidern und zum anderen das Gericht eventuell bereits vorbereitend Zeugen laden können. Weitere Termine wären voraussichtlich entbehrlich gewesen.

Soweit die Beklagte meint, nach ihrem verspäteten Vortrag hätte die Klage abgewiesen werden müssen, verkennt sie, daß der Klägerin zunächst rechtliches Gehör zu gewähren gewesen wäre und hierdurch eine Verzögerung eingetreten wäre. Die Beklagte verkennt insoweit, daß auch der Klägerin das Recht zusteht, auf das sie sich beruft.“

II.

Der Beschwerdeführer rügt mit seiner am 5. Januar 2005 erhobenen Verfassungsbeschwerde die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, da das Amtsgericht den strengen Ausnahmecharakter von § 296 ZPO verkannt und nicht in der gebotenen Weise klar begründet habe, wieso der weitere Vortrag des Beschwerdeführers eine Verzögerung des Rechtsstreits zur Folge habe.

III.

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens schließt sich im Wesentlichen den amtsgerichtlichen Entscheidungsbegründungen an und hält insbesondere die Voraussetzungen des § 296 ZPO für gegeben. Das Amtsgericht hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Verfahrensakte ist beigezogen worden.

B.

Die Verfassungsbeschwerde hat Erfolg.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

Die Beschwerdebefugnis ergibt sich aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV). Der fachgerichtliche Rechtsweg ist erschöpft, da der Beschwerdeführer das Gehörsrügeverfahren gemäß § 321a ZPO angestrengt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 1 Verfassungsgerichtgesetz Brandenburg - VerfGGBbg -). Die mit dem zurückweisenden Beschluß (§ 321a ZPO) vom 1. November 2004 beginnende Beschwerdefrist ist gewahrt, da ausweislich des Posteingangsstempels des Beschwerdeführers ihm der Beschluß am 5. November 2004 zugegangen ist (§ 47 Abs. 1 VerfGGBbg; vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschlüsse vom 9. Dezember 2004 - VfGBbg 14/04 - und vom 17. Dezember 1998 - VfGBbg 40/98 -, LVerfGE 9, 145, 147 f.).

Der Zulässigkeit steht auch nicht entgegen, daß die Verletzung eines Landesgrundrechts im Rahmen eines bundesrechtlich - hier durch die Zivilprozeßordnung - geordneten Verfahrens gerügt wird. Die insoweit erforderlichen Voraussetzungen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, st. Rspr. seit Beschluß vom 16. April 1998 - VfGBbg 1/98 -, LVerfGE 8, 82, 84 f. unter Bezugnahme auf BVerfGE 96, 345, 371 ff.; zuletzt Beschluß vom 9. Dezember 2004 - VfGBbg 40/04 -) sind gegeben. Der Schutzbereich des Art. 52 Abs. 3 LV stimmt mit dem des Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) insoweit überein (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 16. März 2000 - VfGBbg 2/00 -, LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 11, 88, 92).

II.

Die angefochtenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör.

1. Art. 52 Abs. 3 LV gewährt das Recht, sich zu den entscheidungserheblichen Fragen einer rechtlichen Streitigkeit vor Erlaß der Entscheidung zu äußern (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 15. September 1994 - VfGBbg 10/93 -, LVerfGE 2, 179, 182). Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 25. Februar 1999 - VfGBbg 52/98 - m.w.N.). Soweit § 296 Abs. 2 ZPO das Gericht hiervon im Einzelfall entbindet, stellt sich § 296 Abs. 2 ZPO als Ausnahmevorschrift dar (BVerfGE 75, 302, 312 m.w.N.), die zwar grundsätzlich mit der Verfassung vereinbar ist (vgl. BVerfGE 55, 72, 94 m.w.N.). Ihre Anwendung hat aber stets unter Berücksichtigung der Tragweite des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu erfolgen. Danach ist es erforderlich, daß bei Anwendung des § 296 Abs. 2 ZPO das Vorliegen einer „Verzögerung“ konkret dargelegt wird (vgl. BVerfGE 81, 97, 105 f.). Von welchen Erwägungen ein Gericht sich bei der Präklusion hat leiten lassen, läßt sich nur dann feststellen, wenn es seine Entscheidung insoweit ordnungsgemäß begründet (BVerfGE 81, 97, 106). Fehlt es daran, handelt es sich nicht, wie das Amtsgericht meint, „lediglich um ein Begründungsdefizit, welches nicht entscheidungserheblich war“.

2. Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht.

a) Das Amtsgericht hat in dem Urteil vom 5. August 2004 zur Frage der Verzögerung des Rechtsstreits nichts ausgeführt, sondern nur dargelegt, daß nach seiner Auffassung eine grob nachlässige Prozeßführung des Beschwerdeführers vorliegt. Nach der - den Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG genügenden (BVerfGE 75, 302, 315 f.) - Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Verzögerung allerdings nur dann anzunehmen, wenn der Rechtsstreit bei Zulassung des verspäteten Vorbringens länger dauern würde als bei dessen Zurückweisung („absoluter Verzögerungsbegriff“; vgl. BGHZ 75, 138, 141 f.).

Unbeschadet dessen, daß von einer Verzögerung ohne Anhaltspunkt nicht ausgegangen werden darf, fehlt es mithin bereits an der von Verfassungs wegen erforderlichen Darlegung der nach Auffassung des Amtsgerichts die Verzögerung des Rechtsstreits begründenden Umstände.

b) Auch der Beschluß vom 1. November 2004 verstößt eigenständig gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben, so daß es nicht darauf ankommt, ob aufgrund einer „nachgeschobenen“ Begründung in dem die Gehörsrüge bescheidenden Beschluß das Begründungsdefizit des Urteils noch „geheilt“ werden könnte. Denn das Amtsgericht ist davon ausgegangen, daß eine Verzögerung des Rechtsstreits allein deshalb eingetreten wäre, weil der Klägerin des Ausgangsverfahrens Gelegenheit zur Erwiderung auf den weiteren Vortrag des Beschwerdeführers - mit der Folge eines weiteren Termin zur mündlichen Verhandlung - hätte eingeräumt werden müssen. Das Gericht hat jedoch in der mündlichen Verhandlung nach den unwidersprochenen Angaben des Beschwerdeführers und auch ausweislich des Sitzungsprotokolls nicht weiter aufgeklärt, ob die Klägerin des Ausgangsverfahrens den nunmehr konkretisierten Vortrag des Beschwerdeführers substantiiert entkräftet oder nicht (§ 138 ZPO). Es war nicht von vornherein ausgeschlossen, daß sich die Klägerin in dem Termin zum Vortrag des Beschwerdeführers erklärt haben würde. Nur bei schlüssigem und hinreichend substantiiertem Gegenvortrag der Klägerin hätte sich die Notwendigkeit ergeben können, einen neuen Termin anzuberaumen; andernfalls hätte das Amtsgericht am Schluß der mündlichen Verhandlung die Klage abweisen können. Das Amtsgericht wußte nicht, wie die Klägerin dem Vortrag des Beschwerdeführers entgegnen würde. Es hat seine Annahme, bei Zulassung des Vorbringens des Beschwerdeführers sei ein weiterer Termin zur mündlichen Verhandlung erforderlich, auf bloße Vermutungen gestützt, ohne zuvor die gegebenen prozessualen Möglichkeiten auszuschöpfen. Dies ist von Verfassungs wegen nicht haltbar (vgl. BVerfG NJW 1989, 705). Präklusionsvorschriften schränken die Möglichkeit zur Wahrnehmung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Prozeß ein und bewegen sich damit regelmäßig im grundrechtsrelevanten Bereich (BVerfGE 75, 302, 314). Das bedeutet zwar nicht, daß jede fehlerhafte Anwendung einer Präklusionsvorschrift eine Verletzung rechtlichen Gehörs darstellt (vgl. BVerfGE 75, 302, 314). Nimmt ein Gericht irrigerweise, aber willkürfrei tatsächliche Umstände an, bei deren Vorliegen eine Verzögerung hätte bejaht werden können, handelt es sich um einen Fehler bei der Feststellung und Würdigung des Sachverhalts und mithin nur um eine Verletzung einfachen Rechts (vgl. BVerfGE 81, 97, 106). So liegt der Fall hier jedoch nicht. Das Amtsgericht hat sich vielmehr die verfassungsrechtlich gebotenen Anforderungen an eine Zurückweisung verspäteten Vorbringens nicht vergegenwärtigt, indem es sich auf bloße Vermutungen gestützt hat, ohne zuvor alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die zu einer Klärung der Frage, ob eine Verzögerung eintreten würde oder nicht, geführt hätten.

Ob die Einräumung einer Erklärungsfrist auf den Vortrag des Beschwerdeführers (§ 283 ZPO) für sich genommen eine Verzögerung des Rechtsstreits zur Folge hat (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 63. Auflage 2005, Rn. 44 zu § 296 m.w.N.) oder nicht (BGH NJW 1985, 1556, 1558 m.w.N.) bleibt ohne Bedeutung, weil die Klägerin keine Erklärungsfrist beantragt hat.

III.

Da die angegriffenen Entscheidungen auf den Grundrechtsverstößen jeweils beruhen, sind sie aufzuheben (§ 50 Abs. 3 VerfGGBbg), und ist das Verfahren an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

C.

Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers beruht auf § 32 Abs. 7 Satz 1 VerfGGBbg.
 

Weisberg-Schwarz Prof. Dawin
   
Prof. Dr. Dombert Prof. Dr. Harms-Ziegler
   
Havemann Dr. Jegutidse
   
  Dr. Knippel Prof. Dr. Will