VerfGBbg, Beschluss vom 16. April 1998 - VfGBbg 6/98 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
|
entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 20 - VerfGGBbg, § 45 Abs. 1 |
|
Schlagworte: | - Beschwerdegegenstand - Beschwerdebefugnis - Willkür - Prüfungsmaßstab - Vereinigungsfreiheit |
|
amtlicher Leitsatz: | ||
Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 16. April 1998 - VfGBbg 6/98 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 6/98

B E S C H L U S S | ||||||||||||||
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren B., Beschwerdeführerin, gegen das Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 19. November1997 am 16. April 1998 b e s c h l o s s e n : Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen. G r ü n d e : A. Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 19. November 1997, demzufolge sie verpflichtet ist, an ein Inkasso-Unternehmen 795,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 14. April 1997 zuzüglich 194,50,-- DM für die Kosten einesMahlbescheids zu zahlen. Gegenstand des Verfahrens war eine an das Inkasso-Unternehmen abgetretene Forderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e.V. in Frankfurt am Main. Die Beschwerdeführerin unterzeichnete am 5. Januar 1995 ein als Aufnahme-Antrag bezeichnetes Formular, mit dem sie die Aufnahme in den Verleger- und Buchhändlerverband Berlin-Brandenburg e.V., Berlin, sowie in den Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V., Frankfurt am Main, beantragte. Mit ihrem Antrag erklärte sie zugleich, von der Satzung des zuständigen Landesverbandes und des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels Kenntnis genommen zu haben. Nach der Satzung des Börsenvereins stützt sich dieser zur Erfüllung seiner Aufgaben auf die jeweiligen Landesverbände und müssen seine Mitglieder zugleich auch Mitglieder der Landesverbände sein (§ 2 Abs. 2). Zu den Pflichten der Mitglieder gegenüber dem Börsenverein gehört gemäß § 10 Zi. 1 der Satzung auch, die Mitgliedsbeiträge pünktlich zu entrichten. Die Aufnahmegebühren und Mitgliedsbeiträge, die der Börsenverein erhebt, können nach § 43 der Satzung entsprechend der Leistungsfähigkeit der Mitglieder verschieden hoch bemessen werden. Nach der Beitragsordnung und der Beitragsstaffel des Börsen-Vereins beträgt die Aufnahmegebühr 500,-- DM und bestimmt sich der monatliche Mitg1iedsbeitrag nach dem Jahresumsatz des Mitglieds. Der Jahresumsatz der Beschwerdeführerin liegt nach ihren eigenen Angaben in einer Größenordnung, nach der sich ein monatlicher Mitgliedsbeitrag von 59.-- DM ergibt. Auf die Klage des Inkassounternehmens hat das Amtsgericht die Beschwerdeführerin zur Zahlung der Aufnahmegebühr sowie der Mitgliedsbeiträge für die Monate Mai bis September 1995in Höhe von jeweils 59,-- DM verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Verfassungsbeschwerde. Sie macht - wie schon im Verfahrenvor dem Amtsgericht - der Sache nach geltend, sie sei eigentlich nur Mitglied des Landesverbandes, nicht aber des Börsenvereins geworden. Zum einen habe sie nur Mitglied des Landesverbandes werden wollen und habe insbesondere den Aufnahmeantrag auch so verstanden, daß sie ausschließlich die Aufnahme in den Landesverband beantragt habe bzw. daß sie mit dem Eintritt in den Landesverband automatisch Mitglied des Börsenvereins werde, ohne daß sich aus dieser weiteren Mitgliedschaft auch weitere Pflichten für sie ergäben. Zum anderen sei Voraussetzung für den Erwerb der Mitgliedschaft im Börsenverein nach § 7 Zi. 3 der Satzung des Börsenvereins die Zahlung der Aufnahmegebühr. Diese habe sie aber bis heute nicht bezahlt. Es sei im übrigen verfassungswidrig, daß nach den Satzungen der beiden Vereine die Mitgliedschaft in dem Landesverband nur unter der Voraussetzung gleichzeitiger Mitgliedschaft im Börsenverein möglich sein solle. Diese~ Kopplung der Mitgliedschaften sei als Zwangsmitgliedschaft ~m Börsenverein zu bewerten, die gegen die Vereinigungsfreiheit nach Art. 20 Landesverfassung (LV) verstoße. Diesen Umstand hätte auch das Amtsgericht berücksichtigen müssen. Unter Mißachtung allesdessen habe das Amtsgericht sie mit seiner Entscheidung nunmehr faktisch per Gerichtsurteil zum Mitglied im Börsenverein gemacht und damit seinerseits gegen Art. 20 LV verstoßen. Hilfsweise macht die Beschwerdeführerin geltend, die Kostenentscheidung des Gerichts sei willkürlich. Von der ursprünglichen Klageforderung des Klägers in Höhe von 1.819,65 DM, die in Höhe von 728,- DM durch Klagerücknahme erledigt worden sei, sei sie nur zu 55 % unterlegen. Das Amtsgericht habe ihr aber 65 % der Kosten auferlegt. B. Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist bereits unzulässig. 1. Soweit die Beschwerdeführerin die satzungsmäßige Ausgestaltung der Mitgliedschaften im Börsenverein einerseits und im Landesverband andererseits als solche beanstandet, fehlt es bereits an einem mit der Verfassungsbeschwerde angreifbaren Beschwerdegegenstand. Nach § 45 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) kann Verfassungsbeschwerde (nur) mit der Behauptung erhoben werden, durch die öffentliche Gewalt des Landes Brandenburg in einem in der Verfassung gewährleisteten Grundrecht verletzt zu sein. In der Satzung des Börsenvereins liegt indessen kein Akt der öffentlichen Gewalt des Landes Brandenburg. Sie stellt vielmehr eine private Rechtssetzung dar (vgl. Rüfner, in: Handbuch des Staatsrechts, Band V, 1992, § 117, Rdn. 16).2. Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen das Urteil des Amtsgerichts wendet, ist dieses zwar ein Akt der öffentlichen Gewalt des Landes Brandenburg. Eine Verletzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin scheidet jedoch von vornherein aus. Die Verfassungsbeschwerde ist deshalb auch in dieser Hinsicht, und zwar mangels Beschwerdebefugnis, unzulässig. Das Verfassungsgericht überprüft in ständiger Rechtsprechung fachgerichtliche Entscheidungen nur darauf, ob sie willkürlich sind. Willkür liegt vor, wenn eine Entscheidung unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar ist und sich deshalb der Schluß aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen (vgl. etwa Verfassungsgericht des Landes. Brandenburg, Beschluß vom 21. August 1997- VfGBbg 21/97 - S. 5 ff. des Umdrucks, m.w.N.). Ein solcher Fall kann auch dann vorliegen, wenn - wie es die Beschwerdeführerin für der~ vorliegenden Fall geltend macht - ein Fachrichter bei seiner Entscheidung über Anwendung und Auslegung der Bestimmungen des Privatrechts Inhalt und Tragweite der Grundrechte grundlegend verkennt (vgl. BVerfGE 7, 198, 206 f.; 42, 143, 148; 73, 261, 269). So liegt es hier. jedoch nicht. a. Die Wertung des Amtsgerichts, die Beschwerdeführerin sei Mitglied des Börsenvereins geworden ist gut vertretbar. Der Aufnahme-Antrag ist eindeutig in der Weise~ formuliert, daß mit ihm die Aufnahme in beide Vereine beantragt wird. Aus den Satzungsbestimmungen ergibt sich ferner unmißverständlich, daß aus den jeweiligen Mitgliedschaften je gesonderte Rechte und Pflichten erwachsen (vgl. insb. § 10 der Satzung des Börsenvereins in der Fassung vom 14. Juni 1996 sowie § 4 der Satzung des Verleger- und Buchhändlerverbandes Berlin-Brandenburg e.V.). Daß das Amtsgericht die nach § 7 Zi. 3 der Satzung zur Aufnahme in den Börsenverein erforderliche Zahlung der Aufnahmegebühr - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - nicht als eine den Erwerb der Mitgliedschaft aufschiebende Bedingung (vgl. § 158 Abs. 1 BGB) bewertet hat, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Zahlung einer Aufnahmegebühr ist ihrem Wesen nach Teil der vertraglichen Verpflichtung des Beitretenden (vgl. RGZ 100, 1, 2 f.). Mit diesem Inhalt ist - wovon das Amtsgericht erkennbar ausgegangen ist - die Zahlung eine (bloße) Vertragsmodalität und damit keine Bedingung i.S. von § 158 BGB (vgl. hierzu auch Hefermehl, in: Erman, BGB, 1. Band, 9. Aufl., § 158 BGB, Rdn. 3 f.; Steffen, BGB-RGRK, Band 1, 12. Aufl., Vor § 158,. Rdn. 9). Die Wertung des Amtsgerichts wird danach der einfach-rechtlichen Lage gerecht und bietet insofern keinen Anlaß zu verfassungsrechtlicher Beanstandung. b. Das Amtsgericht hat bei seiner Entscheidung auch nicht die Bedeutung des Grundrechts der Vereinigungsfreiheit nach Art. 20 LV verkannt. Nach dieser Verfassungsnorm haben alle Menschen das Recht, Vereine und andere Vereinigungen zu gründen und ihnen beizutreten. Umfaßt ist gleichermaßen das Recht, dem Verein, fernzubleiben oder aus ihm auszutreten (vgl. BVerfGE 50, 290, 354; 10, 89, 102). Auch diese als negative Vereinigungsfreiheit zu bezeichnende Komponente hat das Amtsgericht bei seiner Entscheidung angemessen berücksichtigt. Es ist bei der Prüfung der Wirksamkeit des Beitritts zum Börsenverein zu Recht davon ausgegangen, daß eine verfassungswidrige Zwangsmitgliedschaft nicht vorliege, denn - so die Begründung wörtlich - es stand der Beklagten frei, nicht beizutreten, unabhängig davon, daß ein Beitritt nur zu beiden Verbänden zugleich möglich war. Insoweit kann offenbleiben, ob das Amtsgericht gehalten gewesen wäre, die Zulässigkeit des Beitritts nicht nur am Maßstab der §§ 134, 138 BGB, sondern auch am Maßstab des § 242 BGB zu prüfen (vgl. BGH, NJW 1989, 1724, 1726) Auch wenn anerkannt ist, daß eine Inhaltskontrolle am Maßstab des § 242 BGB die Satzungsautonomie der Vereine weiter einzuschränken vermag (vgl. MünchKomm-Reuter, BGB, Band 1, 3. Aufl., § 25, Rdn. 15), so würde sich dies im vorliegenden Falle doch nicht auswirken können. Denn im Ergebnis ist der Schutzgehalt der Vereinigungsfreiheit gewahrt. Eine Beeinträchtigung dieses Rechts läge nur vor, wenn die Mitgliedschaft im Börsenverein letztlich gewissermaßen auf einen fremden Willen zurückzuführen wäre (vgl. BVerfGE 73, 261, 270). Davon kann hier - wie das Amtsgericht zutreffend zum Ausdruck gebracht hat - keine Rede sein: Die Beschwerdeführerin hat selbst - mit ihrem Aufnahmeantrag - über ihre Mitgliedschaft im Landesverband und damit zugleich im Börsenverein entschieden. Daß die Mitgliedschaft nur in beiden Vereinen gleichzeitig möglich ist, stößt nicht auf verfassungsrechtliche Bedenken. Es ist zu berücksichtigen, daß auch der Verein selbst durch das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit geschützt ist und dieses Grundrecht daher seinerseits in Anspruch nehmen kann. Dem Verein steht es hiernach zu, u.a. seine eigene Organisation selbst zu bestimmen (vgl. BVerfGE 50, 290, 354; 80, 244, 253) Von diesem Recht haben der Börsenverein und der Landesverband bei der Ausgestaltung ihrer jeweiligen Mitgliedschaften im Sinne einer gleichzeitigen Mitgliedschaft in beiden Vereinen Gebrauch gemacht. Bei der hier vorliegenden Fallgestaltung geht es demnach um einen Ausgleich zwischen dem Grundrecht des Vereins auf Vereinigungsfreiheit auf der einen Seite und dem gleichen Grundrecht der Beschwerdeführerin auf der anderen Seite (vgl. hierzu insbesondere Löwer, in: v. Münch/ Kunig, GG-Kommentar, Band 1, 4. Aufl., Art. 9, Rdn. 23). Daß dieser Ausgleich vorliegendenfalls in nicht verhältnismäßiger Weise getroffen sein sollte, ist nicht ersichtlich. 3. Auch soweit die Beschwerdeführerin die Kostenentscheidung des Amtsgerichts beanstandet, bleibt die Verfassungsbeschwerde ohne Erfolg. Dabei bleibt offen, ob und inwieweit Kostenentscheidungen, die - wie hier- lediglich einen unselbständigen Annex der Hauptsacheentscheidung darstellen, überhaupt zum eigenständigen Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde gemacht werden können (vgl. für Kostenentscheidungen, die in einem besonderen, mit eigenen Rechtsmitteln ausgestatteten Verfahren getroffen, werden- BVerfGE 17, 265, 268; 60, 305, 308; offen gelassen für den Fall einer Kostenentscheidung als bloßer Nebenentscheidung BVerfGE 33, 247, 256). Es ist nicht ersichtlich, daß die Kostenentscheidung auch nur einfachrechtlich geschweige denn von Verfassungs wegen - zu beanstanden wäre. Insbesondere entsprechen die von der Klägerin zu tragenden Kosten nicht, wie sie allerdings offenbar meint, schlicht dem Verhältnis von ursprünglicher Forderung (1.819,65 DM) undausgeurteilt ein Betrag (795,- DM zzügl. 4 % Zinsen (seit dem 14. April 1997 sowie 194,50 DM Mahnbescheidkosten). Von Bedeutung sind vielmehr die nach gesonderten Streitwerten vor und nach teilweiser Klagerücknahme zu ermittelnden Kosten, wobei vorliegend zu berücksichtigen war, daß insbesondere die Urteilsgebühr (nur noch) für den ausgeurteilten Betrag anfiel und diese allein von der Beschwerdeführerin zu tragen war. Das Verfassungsgericht sieht es nicht als seine Aufgabe an, eine Kostenquote im Detail nachzurechnen. | ||||||||||||||
|