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VerfGBbg, Beschluss vom 16. März 2018 - VfGBbg 1/18 EA -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
EA
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 54 Abs. 4 Satz 1
- VerfGGBbg, § 30 Abs. 1
Schlagworte: - einstweilige Anordnung, unzulässig
- zügiges Verfahren
- keine Erzwingung einer beschleunigten Entscheidung durch einstweilige Anordnung
- schwere, irreversible Nachteile
- zum gemeinen Wohl dringend geboten
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 16. März 2018 - VfGBbg 1/18 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 1/18 EA




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

1.      M.,

2.      J.,

3.      S.,

4.      S.,

Antragsteller,

Verfahrensbevollmächtigter              Rechtsanwalt V.,

wegen            Verpflichtung zur Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 16. März 2018

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche und Schmidt

beschlossen: 

 

 

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird verworfen.

 

G r ü n d e:

 

A.

I.

1. a. Die Antragsteller sind Rechtsnachfolger der Eigentümerin eines Grundstücks in G., das nach deren Tod 1986 in Volkseigentum überführt worden war. Der Beklagte des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagter) erwarb zunächst 1989 das auf dem Grundstück befindliche Eigenheim und 1990 im Wege des Komplettierungskaufs das Grundstück; letzterer Vertrag wurde mangels Grundstücksverkehrsgenehmigung zunächst nicht vollzogen. Im August 1994 übertrug der Beklagte das Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf seine Tochter; auch dieser Vertrag wurde mangels Grundstücksverkehrsgenehmigung zunächst nicht vollzogen.

 

Den zuvor im September 1990 gestellten Antrag auf Rückübertragung des Grundstücks lehnte das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen des Landkreises Oder-Spree 1996 wegen redlichen Erwerbs ab, was die Antragsteller mit Widerspruch und Klage anfochten. Der Landrat des Landkreises Oder-Spree erteilte 1997 die Grundstückverkehrsgenehmigungen für die vom Beklagten geschlossenen Verträge aus 1990 und 1994. In der Folge wurde die Tochter des Beklagten im Juli 1998 als Eigentümerin des Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Der 2006 von den Antragstellern gegen die Grundstücksverkehrsgenehmigung zum Vertrag aus 1994 erhobene Widerspruch hatte zunächst Erfolg. Der entsprechende Widerspruchsbescheid wurde indes auf die Klage des Beklagten durch das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) 2007 aufgehoben. Das Rechtsmittel der Antragsteller blieb ohne Erfolg.

 

Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) stellte mit rechtskräftigem Urteil vom 18. Juli 2013 fest, dass den Antragstellern eine (nicht mit dem Einfamilienhaus bebaute) Teilfläche des umstrittenen Grundstücks zurückübertragen worden wäre, wenn das Gesamtgrundstück nicht wirksam veräußert worden wäre.

 

b. Mit Klage vom 25. Oktober 2016 nahmen die Antragsteller den Beklagten auf Auskehr des bei der Veräußerung an seine Tochter erlangten Erlöses sowie auf Feststellung der Schadensersatzpflicht infolge der rechtswidrigen Veräußerung in Anspruch. Das Landgericht Frankfurt (Oder) wies die Klage wegen Verjährung der Ansprüche mit Urteil vom 19. Mai 2017 (11 O 284/16) ab.

 

Die Antragsteller erhoben am 24. Mai 2017 gegen dieses Urteil Berufung (11 U 60/17). Nach Vorlage der Begründung und Eingang der Berufungserwiderung bestimmte der Senatsvorsitzende mit Verfügung vom 6. Oktober 2017 Termin zur mündlichen Verhandlung in der Berufungssache auf Mittwoch, den 8. Mai 2019. Die Antragsteller baten das Oberlandesgericht mit Schreiben vom 19. Oktober 2017, die bisher geplante Terminierung zu überdenken und Termin zur mündlichen Verhandlung deutlich zeitnäher anzuberaumen. Sie verwiesen zur Begründung unter anderem auf die Dauer des Restitutionsverfahrens von inzwischen 27 Jahren. Der Vorsitzende erklärte daraufhin am 9. November 2017, dass die Terminslage des Senats einer Vorverlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung nicht zulasse.

 

2. Den am 17. Januar 2018 beim Verfassungsgericht gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begründen die Antragsteller damit, dass die Weigerung des Oberlandesgerichts, einen früheren Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen, sie in ihrem Grundrecht auf ein faires und zügiges Verfahren (Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV) verletze. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass der zugrunde liegende Zivilrechtsstreit seinen Ursprung in einem im September 1990, mithin vor mehr als 27 Jahren, gestellten vermögensrechtlichen Antrag ihrer Rechtsvorgängerin habe. Seitdem warteten sie auf den Ausgleich des rechtskräftig festgestellten DDR-Unrechts. Sie hätten zu keinem Zeitpunkt gegen ihre verfahrensrechtlichen oder sonstigen Pflichten verstoßen und würden nunmehr durch eine Verzögerung des Rechtsstreits weiter benachteiligt. Einzustellen seien daneben das Alter der Antragstellerin zu 1. sowie der Umstand, dass selbst im Fall eines Erfolges der Berufung eine Realisierung der Ansprüche beim Beklagten ungewiss sei und deshalb in einem weiteren Klageverfahren Amtshaftungsansprüche gegen den Landkreis zu verfolgen sein dürften. Es sei ihnen nicht zuzumuten, zwei Jahre nach Berufungseinlegung auf die mündliche Verhandlung zu warten, obwohl das Berufungsverfahren einen unstreitigen Sachverhalt und nur eine Rechtsfrage betreffe, die Sache seit August 2017 entscheidungsreif sei und die Voraussetzungen für die Übertragung auf den Einzelrichter vorlägen. Eine permanente Überlastung des Senats könne die Dauer des Verfahrens nicht rechtfertigen. In einem solchen Fall habe der Präsident des Gerichts dafür zu sorgen, dass die Personal- und Sachausstattung des Gerichts eine zeitnahe Terminierung gewährleiste. Ihre Forderung nach früherer Terminierung sei auch kein unzumutbarer Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit.

 

Die Antragsteller beantragen,

 

das Brandenburgische Oberlandesgericht anzuweisen, Termin zur mündlichen Verhandlung in dem Berufungsverfahren zum Geschäftszeichen 11 U 60/17 nicht später als drei Monate nach einer Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung anzuberaumen.

 

II.

Der Präsident des Brandenburgischen Oberlandesgerichts erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verfahrensakte lag vor.

 

B.

I.

Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nach § 30 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) ist zu verwerfen, denn er ist unzulässig.

 

1. Ziel des Begehrens der Antragsteller ist die Erzwingung einer beschleunigten Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts über ihre am 24. Mai 2017 erhobene Berufung wegen einer vermeintlich überlangen Dauer des Verfahrens und somit Verstoßes gegen Art. 52 Abs. 4 Satz 1 Verfassung des Landes Brandenburg (LV). Zur Beschleunigung eines fachgerichtlichen Verfahrens kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel einer Verpflichtung zum Tätigwerden jedoch nicht in Betracht. Denn eine solche Anordnung hätte einen Inhalt, den die Entscheidung in der Hauptsache nicht haben könnte (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 21. De­zember 2011 - 1 BvQ 44/11 -, juris Rn. 1; vom 6. Juni 2013 - 2 BvQ 26/13 -, juris Rn. 1; vom 6. Dezember 2016 - 1 BvQ 45/16 -, juris Rn. 2). Im Verfahren der Verfassungsbeschwerde könnte das Verfassungsgericht lediglich eine Verletzung von Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV durch eine überlange Verfahrensdauer feststellen (vgl. § 50 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg), nicht jedoch dem Oberlandesgericht eine bestimmte Verfahrensgestaltung vorschreiben (vgl. Beschlüsse vom 20. März 2003 - VfGBbg 108/02 - und vom 28. September 2006 - VfGBbg 19/06 -, www.verfassungsgericht.branden­burg.de).

 

2. Darüber hinaus sind auch die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 VerfGGBbg nicht ersichtlich.

 

Insoweit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts ein strenger Maßstab anzulegen. Die nachteiligen Folgen, die ohne die einstweilige Anordnung für den Fall des Obsiegens in der Hauptsache zu erwarten sind, müssen im Vergleich zu den nachteiligen Folgen, die sich bei Erlass der einstweiligen Anordnung für den Fall der Erfolglosigkeit in der Hauptsache ergeben, deutlich überwiegen, weil sie sonst bei vergleichender Betrachtungsweise nicht schwer genug im Sinne des Gesetzes sind („schwerer Nachteil“) bzw. keinen gleichwertigen „anderen“ Grund im Sinne des Gesetzes darstellen. Bei der Abwägung sind im Allgemeinen nur irreversible Nachteile zu berücksichtigen (st. Rspr., Beschlüsse vom 24. Februar 2015 - VfGBbg 3/15 EA - und vom 19. Januar 2018 - VfGBbg 11/17 EA -, www.verfassungsgericht.branden­burg.de, m. w. Nachw.). Zudem muss die einstweilige Anordnung im Sinne zusätzlicher Voraussetzungen „zum gemeinen Wohl“ und „dringend geboten“ sein (vgl. Urteil vom 4. März 1996 -  VfGBbg 3/96 EA -, LVerfGE 4, 109, 112 f; Beschluss vom 22. Februar 2013 - VfGBbg 1/13 EA -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. Nachw.).

 

Danach kommt der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nicht in Betracht. Es erscheint schon zweifelhaft, ob sich dem Antragsvorbringen hinreichende Anhaltspunkte für den Antragstellern drohende schwere und irreversible Nachteile entnehmen lassen; für den Eintritt einer behaupteten „erheblichen Rechtsvereitelung“ in dem auf Verurteilung zu Erlösauskehr und Schadenersatz gerichteten Zivilrechtsstreit fehlt es zumindest an tragfähigen Anhaltspunkten. Jedenfalls sind Auswirkungen auf das „gemeine Wohl“, die abzuwenden „dringend geboten“ wären, bei dieser Einzelfallentscheidung weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Es geht den Antragstellern vielmehr allein um eine in ihrem Individualinteresse liegende Beschleunigung des gerichtlichen Verfahrens.

 

II.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dresen
   
Dr. Fuchsloch Dr. Lammer
   
Nitsche Schmidt