Toolbar-Menü
Hauptmenü

VerfGBbg, Beschluss vom 16. Februar 2018 - VfGBbg 51/17 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 13 Abs. 1
- VwGO, § 152a
Schlagworte: - Anhörungsrüge
- unzulässig
- keine Darlegung der Verletzung rechtlichen Gehörs
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 16. Februar 2018 - VfGBbg 51/17 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 51/17




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

E.,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigter:             Rechtsanwalt F.,

wegen    Beschlüsse des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 6. April 2017 (L 14 AS 2570/16 B ER) und vom 20. Juli 2017 (L 14 926/17 B ER RG)

hier: Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Verfassungsgerichts vom    17. November 2017

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 16. Februar 2018

durch die Verfassungsrichter Nitsche, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Partikel und Schmidt

beschlossen: 

 

Die Anhörungsrüge wird verworfen.

 

 

Gründe:

 

I.

Das Verfassungsgericht verwarf am 17. November 2017 eine Verfassungsbeschwerde, mit der sich die Beschwerdeführerin gegen Entscheidungen des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg gewandt hatte, als unzulässig, da trotz Aufforderung vom 27. September 2017 eine § 19 Abs. 4 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg entsprechende Vollmacht nicht vorgelegt worden war.

 

Die Beschwerdeführerin legte am 20. November 2017 mit Faxschreiben eine Vollmacht vor.

 

Die Beschwerdeführerin hat am 3. Dezember 2017 Anhörungsrüge gegen den ihr am 27. November 2017 zugegangenen Beschluss des Verfassungsgerichts erhoben. Dieser stelle eine Überraschungsentscheidung dar. In der Eingangsbestätigung sei um unverzügliche Vorlage der Vollmacht gebeten worden. Die konkrete Auslegung des Rechtsbegriffs „unverzüglich“ durch das Verfassungsgericht sei zwar diesem, nicht aber ihr bekannt. Dem Grundsatz des fairen Verfahrens hätte es entsprochen, eine konkrete Frist zum Nachreichen der Vollmacht zu setzen anstatt ihren Bevollmächtigten im Unklaren zu lassen, bis wann die Vollmachtsurkunde nachgereicht werden könne. Zwar hätte es sorgfältigem Handeln entsprochen, die Vollmachtsurkunde früher vorzulegen. Diese Sorgfaltsverletzung sei jedoch nicht ursächlich geworden für den Umstand, dass dem Verfassungsgericht die Vollmachtsurkunde am 17. November 2017 noch nicht vorgelegen habe. Ursächlich sei vielmehr gewesen, dass entgegen dem Grundsatz des fairen Verfahrens eine konkrete Frist in der Eingangsbestätigung nicht gesetzt worden sei, obwohl das Verfassungsgericht die Aufforderung zum unverzüglichen Nachreichen der Vollmachtsurkunde praktisch wie eine taggenaue Frist behandele.

 

II.

Die Anhörungsrüge vom 3. Dezember 2017 ist zu verwerfen. Sie ist unzulässig, weil die Beschwerdeführerin mit ihr keinen Sachverhalt vorträgt, der dem Schutzbereich des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 der Landesverfassung (LV) unterliegt. Eine Überraschungsentscheidung liegt nicht vor.

 

Der in Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV enthaltene, mit Art. 103 Abs. 1 GG inhaltsgleiche Anspruch auf rechtliches Gehör ist eine Folgerung aus dem Rechtsstaatsgedanken für das Gebiet des gerichtlichen Verfahrens. Der Einzelne soll nicht bloßes Objekt des gerichtlichen Verfahrens sein, sondern vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können. Die Beteiligten an einem gerichtlichen Verfahren müssen Gelegenheit erhalten, sich zu den entscheidungserheblichen Fragen vor Erlass der Entscheidung zu äußern.

 

An einer solchen Gelegenheit fehlt es nicht erst dann, wenn ein Beteiligter gar nicht zu Wort gekommen ist oder wenn das Gericht seiner Entscheidung Tatsachen zugrunde legt, zu denen die Beteiligten nicht Stellung nehmen konnten. Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt auch voraus, dass der Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermag, worauf es für die Entscheidung ankommen kann. Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV verlangt zwar grundsätzlich nicht, dass das Gericht vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist. Ihm ist auch keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Richters zu entnehmen. Gleichwohl kann es in besonderen Fällen verfassungsrechtlich geboten sein, einen Verfahrensbeteiligten auf eine Rechtsauffassung hinzuweisen, die das Gericht der Entscheidung zugrunde legen will. Es kommt im Ergebnis einer Verhinderung des Vortrags gleich, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. Beschlüsse vom 16. März 2000 - VfGBbg 6/00 -, vom 18. April 2002 - VfGBbg 7/02 -, vom 21. Novem­ber 2002 - VfGBbg 99/02-, vom 18. März 2010 - VfGBbg 21/09 -, vom 17. Juni 2016 - VfGBbg 79/15 - und vom 17. Februar 2017 - VfGBbg 39/16 -, www.verfassungsgericht.branden­burg.de).

 

Anhaltspunkte hierfür zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf. Weder der Umstand, dass das Verfassungsgericht die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde von der Vorlage einer den Anforderungen des § 19 Abs. 4 VerfGGBbg genügenden Vollmacht abhängig macht, noch die Frage der Auslegung des Rechtsbegriffs „unverzüglich“ sind Gesichtspunkte, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte. Ersteres ergibt sich aus der unter www.verfassungsgerichts.brandenburg.de veröffentlichten ständigen Rechtsprechung des Gerichts. Der Gehalt des Begriffs „unverzüglich“ im Sinne von „ohne schuldhaftes Zögern“ (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) entspricht allgemeinem Verständnis. Die Aufforderung zur Vorlage der Vollmacht wurde dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 3. Oktober 2017 - mithin mehr als sechs Wochen vor der Beschlussfassung des Verfassungsgerichts - zugestellt, ohne dass eine Reaktion erfolgte.

 

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Nitsche Dr. Becker
   
Dielitz Dresen
   
Dr. Fuchsloch Dr. Lammer
   
Partikel Schmidt