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VerfGBbg, Beschluss vom 16. Februar 2018 - VfGBbg 12/17 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 2 Abs. 1; LV, Art. 10; LV, Art. 52 Abs. 3; LV, Art. 52 Abs. 4 Satz 1
- VerfGGBbg, § 20 Abs. 1; VerfGGBbg, § 46; VerfGGBbg, § 47; VerfGGBbg, § 48
- StrRehaG, § 1; StrRehaG, § 2; StrRehaG, § 6; StrRehaG, § 7; StrRehaG, § 15
- StPO, § 359
- ZPO, § 114; ZPO § 121 Abs. 2
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- Frist
- prozessuale Überholung
- Anhörungsrüge
- Begründung
- rechtliches Gehör
- faires Verfahren
- effektiver Rechtsschutz
- strafrechtliche Rehabilitierung
- Amtsermittlung
- Wiederaufnahme
- Prozesskostenhilfe
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 16. Februar 2018 - VfGBbg 12/17 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 12/17




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

A.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigter:             Rechtsanwalt B.,

wegen    Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 5. Oktober 2011 - BRH 209/10 -; Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 2. Mai 2014 - BRH 92/13 -; Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 23. September 2014 - 2 Ws (Reha) 10/14 -; Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. November 2016 - 2 Ws (Reha) 10/14 -

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 16. Februar 2018

durch die Verfassungsrichter Nitsche, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Partikel und Schmidt

beschlossen: 

 

               1. Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

               2. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten wird abgelehnt.

 

Gründe:

 

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Versagung einer strafrechtlichen Rehabilitierung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG).

 

I.

Der 1954 geborene Beschwerdeführer besuchte seit dem Schuljahr 1961/1962 die Polytechnische Oberschule in P.-B. Aufgrund von kurz nach der Einschulung aufgetretenen Verhaltensschwierigkeiten wurde er am 6. Oktober 1964 zur stationären Untersuchung in die Neurologische Kinderklinik G. eingewiesen, in der er sich bis zum Abschluss der Untersuchung am 5. Dezember 1964 aufhielt. Im Ergebnis wurde mit Abschlussbericht vom 18. Dezember 1964 eine internatsmäßige Unterbringung empfohlen. Infolgedessen wurde der Beschwerdeführer vom 2. Januar 1965 bis 5. Juli 1966 im Kinderheim I in P.-S. untergebracht. Ein Einweisungsbeschluss des Jugendhilfeausschusses konnte nicht mehr aufgefunden werden. Von September 1968 bis Februar 1970 wurde der Beschwerdeführer aufgrund eines Einweisungsbeschlusses des Jugendhilfeausschusses der Stadt P. vom 25. Mai 1968 in das Spezialkinderheim „T. M.“ in K. eingewiesen. Die Unterbringung endete aufgrund eines Aussetzungsbeschlusses vom 26. Februar 1970.

 

Mit Antrag vom 15. Dezember 2010 begehrte der Beschwerdeführer die Rehabilitierung zunächst nur wegen seiner Unterbringung im Spezialkinderheim „T. M." in K. Zur Begründung berief er sich auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Mai 2009 (2 BvR 718/08) und seine dem sozialistischen Klassenkollektiv gegenüber abgeneigte Haltung, die nach seiner Auffassung zu der Heimeinweisung geführt haben müsse.

 

Nachdem eine Recherche bei dem Jugendamt der Landeshauptstadt P. zunächst ohne Ergebnisse verlaufen war, reichte der Beschwerdeführer das Zeugnis des ersten Schulhalbjahres 1967/68 sowie das Zeugnis des ersten Schulhalbjahres 1970/1971 ein und verwies auf die Gesamteinschätzung im letztgenannten Zeugnis, die den Satz enthält: „Gesellschaftlich steht er dem Staat nicht positiv gegenüber". Daraus folge, dass die Einweisung in das Spezialkinderheim eindeutig politisch motiviert gewesen sei und „mindestens sachfremden Zwecken" gedient habe. Tatsächlich sei diese Beurteilung gegenüber dem ersten Eintrag auf Intervention seiner Eltern bereits abgeschwächt worden. Die erste Fassung sei mit der neuen Seite überklebt worden. Dieser ursprüngliche Eintrag habe gelautet: „L. ist ein Feind unserer Arbeiter- und Bauernmacht." In einem Beschluss des Referates für Jugendhilfe und Heimerziehung heiße es zudem, dass seine Erziehung im Elternhaus nicht stimmig gewesen sei und seine Eltern aus ihm keine „allseitig gebildete sozialistische Persönlichkeit" formen konnten.

 

Mit Beschluss vom 5. Oktober 2011 (BRH 209/10) wies das Landgericht Potsdam den Antrag als unbegründet zurück. Die von der Staatsanwaltschaft und dem Gericht durchgeführten Recherchen hätten keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die angefochtene Heimeinweisung des Beschwerdeführers politischer Verfolgung oder sonstigen sachfremden Zwecken gedient habe. Die Angaben des Beschwerdeführers hätten sich nicht objektivieren lassen. Eine gegen diesen Beschluss (verspätet eingelegte) Beschwerde nahm der Beschwerdeführer zurück.

 

Den später aufgefundenen Heimeinweisungsbeschluss vom 25. Mai 1968 und den Beschluss vom 26. Februar 1970 über dessen Aussetzung übersandte das Jugendamt P. im Juni 2013 zu den Akten. Der Antragsteller erfuhr dies nicht, stellte aber im November 2013 einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens BRH 209/10. Diesen stütze er auf die Aussage eines Zeugen, der zeitgleich mit dem Antragsteller im Spezialkinderheim gewesen war, sowie auf neuere Veröffentlichungen zu den Verhältnissen in den Kinderheimen der ehemaligen DDR. Im Übrigen reichte er diverse Unterlagen aus dem Stadtarchiv Brandenburg an der Havel zu den Akten.

 

Mit Antrag vom 28. Februar 2014 begehrte er zusätzlich die Rehabilitierung für die Einweisung in das Kinderheim I in P.-S.

 

Mit Beschluss vom 2. Mai 2014 wies das Landgericht Potsdam den neuen Rehabilitierungsantrag (Kinderheim S.) und den Wiederaufnahmeantrag zurück. Die Einweisung in das Kinderheim S. habe der Sicherung der Entwicklung des Kindes gedient. Schon kurz nach der Einschulung im Jahr 1961 habe es Verhaltensschwierigkeiten gegeben, die Anlass für eine psychiatrische Untersuchung gewesen seien. Der ärztlichen Empfehlung zur Unterbringung in einem „Normalkinderheim“ sei im Einvernehmen mit den Eltern gefolgt worden. Eine Wiederaufnahme hinsichtlich der Einweisung in das Spezialkinderheim in K. komme nicht in Betracht, nachdem der Beschluss zur Heimeinweisung vom 25. Mai 1968 weiterhin die bekannten Verhaltensauffälligkeiten benenne und die Eltern mit der Heimeinweisung einverstanden gewesen seien. Hinweise auf politische Gründe oder sonstige sachfremde Erwägungen seien nicht erkennbar gewesen.

 

Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde verwarf das Brandenburgische Oberlandesgericht mit Beschluss vom 23. September 2014 als unbegründet. Die Unterbringung des Betroffenen in einem Normalkinderheim in der Zeit vom 2. Januar 1965 bis zum 5. Juli 1966 begründe keinen Anspruch auf Rehabilitierung. Nach den aufgefundenen Unterlagen sei davon auszugehen, dass die Heimunterbringung aufgrund von Verhaltensauffälligkeiten und Erziehungsschwierigkeiten erfolgt sei und weder der politischen Verfolgung noch sonstigen sachfremden Zwecken gedient habe. Zwar sei der Einweisungsbeschluss nicht auffindbar gewesen, in dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Schülerbogen sei jedoch undiszipliniertes und unbeherrschtes Verhalten dokumentiert und in der ärztlichen Stellungnahme vom 18. Dezember 1964 werde wegen der Verhaltensauffälligkeiten eine internatsmäßige Unterbringung angeraten. Dem Einweisungsbeschluss vom 25. Mai 1968 sei ein Einvernehmen der Eltern mit der Unterbringung zu entnehmen. Aus alledem werde deutlich, dass die Heimeinweisung zur Sicherung der weiteren Erziehung und Entwicklung des Kindes dienen sollte.

 

Auch die Zurückweisung der Wiederaufnahme des Verfahrens BRH 209/10 durch das Landgericht Potsdam sei nicht zu beanstanden. Denn das Wiederaufnahmegesuch sei bereits unzulässig. Die vom Beschwerdeführer neu vorgelegten Unterlagen seien nicht geeignet, ein grobes Missverhältnis zwischen dem Anlass der Unterbringungsentscheidung und der angeordneten Rechtsfolge zu belegen. Die Unterlagen belegten, dass in Person des Beschwerdeführers Verhaltensauffälligkeiten und Erziehungsschwierigkeiten vorgelegen hätten. Die Eltern hätten sich mit der Heimunterbringung einverstanden erklärt. Da in dem Einweisungsbeschluss vom 25. Mai 1968 lediglich „Heimerziehung“ angeordnet worden sei, könne auch ein konkretes Missverhältnis zu dem der Einweisung zugrunde liegenden Tatbestand nicht abschließend beurteilt werden. Eine Unvereinbarkeit der Heimunterbringung mit rechtsstaatlichen Grundsätzen sei nicht grundsätzlich anzunehmen.

 

Mit Beschluss vom 29. November 2016 lehnte das Oberlandesgericht auf die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers vom 30. Oktober 2014, 10. November 2014 und 20. Januar 2015 eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Verletzung rechtlichen Gehörs ab. Weder das Landgericht noch das Oberlandesgericht hätten rechtliches Gehör verletzt. Der Senat habe vorsorglich weitere Archive abgefragt. Neue Erkenntnisse seien nicht gewonnen worden. Insbesondere habe der Einweisungsbeschluss für die Zeit vom 2. Januar 1965 bis 5. Juli 1966 nicht mehr aufgefunden werden können. Über den mit der Anhörungsrüge gestellten weiteren Antrag auf Rehabilitierung für den Klinikaufenthalt in G. im Herbst 1964 sei zunächst ein Beschluss des Landgerichts herbeizuführen. Der Beschluss des Oberlandesgerichts wurde dem Beschwerdeführer am 28. Dezember 2016 zugestellt.

 

II.

Am 21. Februar 2017 hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt eine Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 52 Abs. 3 LV), faires Verfahren (Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV) und effektiven Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 10 LV).

 

Das Gericht habe verkannt, dass die Einweisung zur Umerziehung aus politischen Gründen erfolgt sei. Dies ergebe sich bereits daraus, dass in der Gesamteinschätzung im Abschlusszeugnis des Jahres 1970 vermerkt sei, „Gesellschaftlich betrachtet, steht er dem Staat nicht positiv gegenüber“. In der durch Zusammenkleben unkenntlich gemachten Einschätzung habe es sogar geheißen, „L. ist ein Feind der Arbeiter- und Bauernmacht“. Allein die Unterbringung in einem Spezialkinderheim, ohne dass der Einweisungsbeschluss Ausführungen zur Unterbringung in einem Spezialkinderheim enthalte, sei nach DDR-Recht rechtsstaatswidrig gewesen. Es habe eines Beschlusses des Jugendhilfeausschusses bedurft, der ausdrücklich die Einweisung in ein Spezialkinderheim verfügt. Das Gericht habe zudem die rechtsstaatswidrige Behandlung in den vorbenannten Einrichtungen verkannt. Aus den aktuellen Forschungsergebnissen ergebe sich, dass Jugendwerkhöfe und Spezialkinderheime keine pädagogische Arbeit erfüllten, sondern dort ein Regime der Züchtigungen und entwürdigenden Behandlung, des Arrests und sonstiger Strafmaßnahmen geherrscht habe. Der Beschwerdeführer sei entgegen der Einschätzung in dem Gutachten der Neurologischen Kinderklinik G. auf Beschluss des Kreisjugendhilfeausschusses eingewiesen worden. Dies halte rechtsstaatlichen Grundsätzen auch nach damals geltendem DDR-Recht nicht stand. Das Gericht habe sich zu Unrecht an die Tatsachenfeststellung des Jugendhilfeausschusses gebunden gefühlt. Für die Unterbringung im Kinderheim S. liege kein Unterbringungsbeschluss vor, so dass auch die damals geltenden gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Das Gericht habe es unterlassen, Einsicht in das Beschlussregister zu nehmen und diese Frage zu klären. Dies gelte auch für die Einweisung in das Spezialkinderheim K. Das Oberlandesgericht habe über den Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers nicht entschieden, obwohl er ausreichend neue Tatsachen vorgetragen habe, die eine solche Wiederaufnahme rechtfertigten, weil es sein Schreiben vom 30. Oktober 2014 in nicht nachvollziehbarer Weise ausschließlich als Anhörungsrüge ausgelegt habe. Dadurch sei das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz verletzt.

 

B.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

 

1. Soweit der Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde auch eine Rehabilitierung für die Zeit der stationären psychiatrischen Begutachtung begehrt, hat der Beschwerdeführer nicht dargelegt, dass er den fachgerichtlich vorgesehenen Rechtsweg erschöpft und damit dem Erfordernis von § 45 Abs. 2 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) genüge getan hat. Entgegen dem Beschwerdevorbringen umfasste der aus den Akten zu entnehmende Rehabilitierungsantrag des Beschwerdeführers ursprünglich nur den Aufenthalt im Spezialkinderheim „T. M.“ von September 1968 bis Februar 1970. Erst mit dem in der Anhörungsrüge enthaltenen Wiederaufnahmebegehren bezüglich des Beschlusses des Landgerichts Potsdam vom 5. Oktober 2011 machte der Beschwerdeführer sein darüber hinaus gehendes Rehabilitierungsinteresse für die Unterbringung in der Kinderklinik des Bezirkskrankenhauses für Neurologie und Psychiatrie in Brandenburg an der Havel geltend. Zu Recht weist das Oberlandesgericht im Anhörungsrügebeschluss vom 29. November 2016 darauf hin, dass darüber zunächst eine erneute Entscheidung des Landgerichts herbeizuführen ist.

 

2. Ebenso ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, soweit sie sich gegen den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 5. Oktober 2011 (BRH 209/10) richtet, da ersichtlich die sich aus § 47 Abs. 1 VerfGGBbg ergebende Frist nicht eingehalten wurde. Insoweit ist auch der Rechtsweg nicht erschöpft, da der Beschluss des Landgerichts mit der Rücknahme der Beschwerde rechtskräftig geworden ist.

 

3. In Bezug auf die Entscheidung des Landgerichts Potsdam vom 2. Mai 2014 ist die Verfassungsbeschwerde schon wegen prozessualer Überholung unzulässig, denn dieser Beschluss ist durch die nachfolgende Beschwerdeentscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts bestätigt worden (vgl. Beschlüsse vom 14. Oktober 2016 - VfGBbg 82/15 - und vom 16. Dezember 2016 - VfGBbg 30/16 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfGK 10, 134, 138; BVerfG, NJW 2011, 2497, 2498; BVerfG, Beschluss vom 21. November 2012 - 1 BvR 1711/09 -, juris Rn. 10).

 

4. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 23. September 2014 richtet, der sich mit der Unterbringung im Kinderheim S. und der Ablehnung der Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Unterbringung im Spezialkinderheim K. befasst, ist sie nicht ausreichend begründet. Nach den maßgeblichen Bestimmungen des § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg ist eine Begründung notwendig, die schlüssig die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts des Beschwerdeführers aufzeigt. Sie muss somit umfassend und aus sich heraus verständlich sein. Mit der Begründung müssen neben einem substantiierten Vortrag des entscheidungserheblichen Sachverhalts die wesentlichen rechtlichen Erwägungen unter Berücksichtigung einschlägiger verfassungsrechtlicher Rechtsprechung dargelegt werden, um dem Gericht eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Begehren zu ermöglichen. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das bezeichnete Grundrecht durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen sie kollidiert. Es bedarf demnach einer umfassenden einfachrechtlichen und verfassungsrechtlichen Aufarbeitung der Rechtslage (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 14. Oktober 2016 - VfGBbg 17/16 -, vom 17. Juni 2016 - VfGBbg 95/15 -, vom 25. Mai 2015 - VfGBbg 32/14 - und vom 21. November 2014 - VfGBbg 15/14 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; zum Bundesrecht vgl. BVerfGE 130, 1, 21; BVerfGK 20, 327, 329; BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2017 - 1 BvR 781/15 -, Juris Rn. 20).

 

a. Der Beschwerdeführer zeigt eine mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbare Handhabung des Rechtsstreits durch den Beschluss des Oberlandesgerichts nicht auf. Das Rechtsstaatsgebot (Art. 2 Abs. 1, Art. 5 LV) gewährleistet in Verbindung mit Art. 10 LV effektiven Rechtsschutz im Sinne eines Anspruchs der Bürger auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle in allen gesetzlich vorgesehenen Verfahrensarten. Das Gericht darf insbesondere die von der Rechtsordnung eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer „leerlaufen" lassen (vgl. Beschlüsse vom 16. Dezember 2016 - VfGBbg 33/16 -, vom 21. Oktober 2011 - VfGBbg 35/11 - und vom 21. Januar 2011 - VfGBbg 35/10 - www.verfassungsgericht.brandenburg. de). Dieses Recht ist verletzt, wenn die Gerichte die prozessrechtlichen Möglichkeiten etwa zur Sachverhaltsfeststellung so eng auslegen, dass ihnen eine sachliche Prüfung der ihnen vorgelegten Fragen nicht möglich ist und das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel deshalb nicht erreicht werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2014 - 2 BvR 429/11 -, Rn. 14; Beschluss vom 3. Mai 1995 - 2 BvR 1023/95 -, Rn. 19, Juris).

 

Der Vortrag des Beschwerdeführers bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass die angegriffenen Entscheidungen an einem wesentlichen Mangel der Amtsermittlung leiden. Insoweit ist die Beschwerdeschrift unschlüssig. Denn sie legt zunächst einen Sachverhalt dar, auf den es in der weiteren Darstellung selbst nach Auffassung des Beschwerdeführers für die verfassungsrechtliche Überprüfung nicht ankommen soll. Dies betrifft einerseits den Inhalt der zugeklebten Seiten des Zeugnisheftes und andererseits die Gründe, die zur Einweisung in das Psychiatrische Krankenhaus, das Kinderheim S. und das Spezialkinderheim K. geführt haben, denn nach Auffassung des Beschwerdeführers sei entscheidend darauf abzustellen, dass er in den vorbenannten Einrichtungen rechtsstaatswidrig behandelt worden sei. Es entspricht aber der überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung sowie den vom Beschwerdeführer selbst angeführten Erkenntnissen in der Wissenschaft, dass es für die Beurteilung der Rechtsstaatswidrigkeit einer Heimeinweisung allein auf die behördliche Entscheidung und deren Gründe, nicht aber die jeweiligen Bedingungen der Unterbringung im Heim ankommt (vgl. Wapler, Rechtsfragen der Heimerziehung in der DDR in: Expertisen zur Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR, S. 99; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 27. März 2012 - 2 Ws (Reha) 28/11 -,Rn. 8; Kammergericht, Beschluss vom 30. September 2011 - 2 Ws 641/10 REHA -; OLG Naumburg, Beschluss vom 2. November 2011 - 2 Ws Reh 276/11 -, juris; OLG Rostock, Beschluss vom 27. Oktober 2010 - WsRH 33/10 -, BeckRS 2010, 28836; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 17. September 2010 - 1 Ws Reha 50/10 -, BeckRS 2010, 25902). Aus diesen Gründen fehlt es auch daran, dass der Beschwerdeführer in Bezug auf die spezifischen verfassungsrechtlichen Anforderungen zwischen den einfachgesetzlichen Voraussetzungen einer Rehabilitierungsentscheidung nach §§ 1, 2 StrRehaG einerseits und einer Wiederaufnahme eines bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens nach § 359 StPO i. V. m. § 15 StrRehaG differenziert, obwohl das Oberlandesgericht in seinem Beschluss vom 23. September 2014 den unterschiedlichen Entscheidungsmaßstab sorgsam dargestellt hatte. Es kann daher unberücksichtigt bleiben, dass der Beschwerdeführer insoweit keinen Mangel der Sachverhaltsermittlung geltend macht, sondern eine andere rechtliche Beurteilung der von ihm während des Aufenthalts in den vorgenannten Einrichtungen erlittenen Behandlung erstrebt. Eine Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz ist damit nicht dargelegt.

 

Zum anderen ist das Beschwerdevorbringen auch insoweit nicht schlüssig, wenn darauf abgestellt wird, das Oberlandesgericht habe den Inhalt der zusammengeklebten Zeugnisseiten für verfahrensentscheidend angesehen. Das Gegenteil ist richtig. Das Oberlandesgericht hat darauf abgestellt, dass es auf den Inhalt des Entwurfs zu einer Gesamteinschätzung des Beschwerdeführers nicht ankomme, da die ansonsten klar erscheinende Sachlage nicht zum Anlass genommen werden könne, eine politisch motivierte oder ansonsten rechtsstaatswidrige Einweisung in beide Heime für überwiegend wahrscheinlich zu halten. Dies begegnet im Hinblick auf das gerügte Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz keinen Bedenken. Im Übrigen hat das Oberlandesgericht die Voraussetzungen für die Unterbringung in einem Normalkinderheim aus erzieherischen Schwierigkeiten abgeleitet, die sich aus den dem Verfahren zugrunde liegenden Unterlagen ergeben. In Bezug darauf hat der Beschwerdeführer auch nicht hinreichend dargelegt, dass das Oberlandesgericht einen Teil des Zeugnishefts - namentlich das Zeugnis vom 2. Juli 1968 - nicht zur Kenntnis genommen haben soll, obwohl sich aus den Ausführungen des Gerichts ergibt, dass sich die Darstellung der Verhaltensauffälligkeiten und Erziehungsschwierigkeiten durch die gesamte Schulzeit ab der ersten Klasse zieht. Dabei hat das Gericht seine Entscheidung entgegen dem Beschwerdevorbringen auch nicht darauf gestützt, dass der Heimeinweisungsbeschluss für die Unterbringung im Kinderheim S. nicht habe aufgefunden werden können. Vielmehr hat das Oberlandesgericht im Beschluss vom 23. September 2014 ausdrücklich ausgeführt, dass sich aus den vorgelegten Unterlagen erhebliche Erziehungsschwierigkeiten ergäben und eine internatsmäßige Unterbringung angeraten worden sei. Aus den Gründen des Einweisungsbeschlusses vom 25. Mai 1968 ergebe sich ein Einverständnis der Eltern mit der vorhergehenden Unterbringung. Insoweit hat das Oberlandesgericht das Vorliegen einer Heimeinweisung aus erzieherischen Gründen angenommen, ohne dass es darauf ankam, ob der förmliche Heimeinweisungsbeschluss dem Gericht tatsächlich vorlag oder nicht.

 

Dessen ungeachtet ist durch diese Umstände nicht aufgezeigt, aus welchen Gründen das Oberlandesgericht zur Wahrung effektiven Rechtsschutzes darauf hätte eingehen müssen, dass - wie der Beschwerdeführer meint - das der Einweisung in das Spezialkinderheim vorhergehende Schulzeugnis durch die Eltern nicht unterschrieben worden ist. Das Oberlandesgericht hat mehrfach darauf hingewiesen, dass nach seiner Einschätzung aus den vorgelegten Unterlagen nicht abgeleitet werden könne, die Einweisung in das Spezialkinderheim sei ohne Wissen oder gegen den Willen der Eltern erfolgt. Es ist daher nicht erkennbar, welche andere rechtliche Bewertung das Gericht aus der fehlenden Unterschrift der Eltern hätte ableiten müssen. Auch vermag die Verfassungsbeschwerde nicht zu begründen, warum die Einweisung in ein Spezialkinderheim im Jahre 1968 entgegen der Empfehlung der Neurologischen Kinderklinik G. aus dem Jahr 1964 rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht entspricht. Es hätte insofern der weiteren Begründung bedurft, warum das Oberlandesgericht gehalten gewesen wäre, eine vier Jahre vor Einweisung abgegebene Empfehlung des Klinikums auch dann noch als maßgeblich zu berücksichtigen, wenn sich im Übrigen nach Auffassung des Gerichts im nachfolgenden Zeitraum eine weitere negative Entwicklung der Erziehungsschwierigkeiten ergibt, die eine Einweisung in ein Kinderheim für sich genommen gerechtfertigt hätte. Dass das Oberlandesgericht sich insoweit durch die Einschätzung des Jugendhilfeausschusses gebunden gefühlt hätte, ist nicht erkennbar. Vielmehr hat das Gericht sorgfältig begründet, warum es allein die sowohl im Schülerbogen als auch in der Einschätzung des Klinikums wiedergegebenen Erziehungsdefizite für maßgeblich gehalten hat.

 

b. Die Beschwerdeschrift zeigt schließlich auch einen Verstoß gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör nicht auf. Weder trägt der Beschwerdeführer ausdrücklich vor, wodurch die angegriffenen Beschlüsse rechtliches Gehör verletzt haben könnten, noch ist dies der Beschwerdeschrift sinngemäß zu entnehmen, da der Beschwerdeführer nur auf die Verletzung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz eingegangen ist. Eine solche ergibt sich auch nicht dadurch, dass das Oberlandesgericht nicht um Einsicht in das  Beschlussregister der Landeshauptstadt P. nachgesucht hat. Vielmehr blieb die weitere Recherche des Gerichts ergebnislos. Letztlich erstrebt der Beschwerdeführer eine andere Entscheidung in der Sache. Das Grundrecht auf rechtliches Gehör schützt den Betroffenen jedoch nicht davor, dass die Gerichte eine andere, für den Beschwerdeführer nachteilige (womöglich auch unzutreffende) Rechtsauffassung vertreten (st. Rspr., Beschlüsse vom 19. Mai 2017 - VfGBbg 2/16 -, vom 19. Oktober 2012 - VfGBbg 72/11 -, vom 15. Mai 2013 - VfGBbg 49/13 - und vom 14. Oktober 2016 - VfGBbg 4/16 -, www.verfassungs-gericht.brandenburg.de). Gleiches gilt für die Rüge des Grundrechts auf faires Verfahren.

 

5. In Bezug auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 29. November 2016 ist die Verfassungsbeschwerde wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichts, dass Anhörungsrügen zurückweisende gerichtliche Entscheidungen mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht selbständig mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden können, weil sie keine eigenständige Beschwer schaffen.

 

Der vom Beschwerdeführer insoweit gerügte Verstoß gegen das Grundrecht auf faires Verfahren und effektiven Rechtsschutz ist nicht erkennbar. Eine solche Beschwer wird erwogen, wenn die verfassungsrechtliche Rüge sich nicht auf die inhaltliche Überprüfung des Gehörsverstoßes richtet, der bereits Gegenstand der Anhörungsrüge selbst gewesen ist, sondern den Zugang zum Anhörungsrügeverfahren betrifft (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 2015 - 1 BvR 2291/13 -, Juris Rn. 3; NJW 2008, 2167, 2168; NJW 2007, 2242, 2244; NJW 2007, 2241, 2242). Das Vorbringen des Beschwerdeführers, das Oberlandesgericht habe rechtsfehlerhaft den gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 23. September 2014 gerichteten Antrag des Beschwerdeführers zum Anlass genommen, im Wege der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 33a StPO und nicht über das als Wiederaufnahmeantrag auszulegende Begehren zu entscheiden und dadurch das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz verletzt, begründet eine solche Beschwer nicht. Eine dahingehende Sachentscheidung war zum einen bereits Gegenstand des hier in Rede stehenden Wiederaufnahmeverfahrens, über den das Landgericht schon erstinstanzlich entschieden hatte. Darüber hinaus wäre das Oberlandesgericht nicht befugt gewesen, über ein als Wiederaufnahmeantrag verstandenes Begehren in der Anhörungsrüge vom 30. Oktober 2014 zu entscheiden. Nach § 7 Abs. 2 StrRehaG kann der Antrag nach § 1 StrRehaG und auch der Wiederaufnahmeantrag nach § 15 StrRehaG zwar bei jedem Gericht schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden. Die Prüfung der Zuständigkeit erfolgt von Amts wegen. Ein unzuständiges Gericht hat die Sache jedoch an das örtlich und sachlich zuständige Gericht abzugeben. Wird er bei einem unzuständigen Gericht gestellt, ist er daher von diesem formlos an das zuständige Gericht abzugeben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. September 2014, 2 BvR 2782/10, Juris Rn. 34). Ausweislich der Abschlussverfügung vom 21. Dezember 2016 ist die Übersendung einer Ausfertigung des Beschlusses an das Landgericht als das für den Rehabilitierungsantrag zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht veranlasst worden, so dass nach üblichem Lauf der Dinge mit einer dortigen Bearbeitung auch vor dem Hintergrund des weiteren vom Beschwerdeführer veranlassten und erst nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde abgeschlossenen Verfahrens vor dem Bundesgerichtshof ausgegangen werden kann. Ein davon abweichender Verlauf ist vom Beschwerdeführer weder aufgezeigt noch zu erwarten.

 

II.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten ist abzulehnen, da die Verfassungsbeschwerde aus den vorgenannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 48 VerfGGBbg in Verbindung mit §§ 114, 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung).

 

III.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Nitsche Dr. Becker
   
Dresen Dielitz
   
Dr. Fuchsloch Dr. Lammer
   
Partikel Schmidt