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VerfGBbg, Beschluss vom 15. November 2019 - VfGBbg 56/19 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 41 Abs. 1; LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 2
- VerfGGBbg, § 20 Abs. 1; VerfGGBbg § 46
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- unzureichende Begründung
- prozessuale Überholung
- rechtliches Gehör
- Heilung
- Zwangsvollstreckung
- Verkehrswertfestsetzung
- Eigentum
- Innenbesichtigung
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 15. November 2019 - VfGBbg 56/19 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 56/19




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

S.

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte G.

 

wegen Beschlüsse des Amtsgerichts Potsdam vom 4. April 2019 und vom 30. April 2019 ‌- 2 K 112/18 - in Gestalt des Beschlusses des Landgerichts Potsdam vom 16. Mai 2019 - 1 T 41/19

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 15. November 2019

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dresen, Dr. Finck, Heinrich-Reichow, Kirbach, Dr. Lammer, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

Gründe:

A.

I.

Der Beschwerdeführer ist Miteigentümer eines von ihm bewohnten Grundstücks, über das beim Amtsgericht Potsdam ein Teilungsversteigerungsverfahren durchgeführt wurde.

Das Amtsgericht holte ein Sachverständigengutachten zur Verkehrswertermittlung ein und übersandte es unter dem 31. Januar 2019 an den Beschwerdeführer persönlich, da eine Vertretungsanzeige seines Verfahrensbevollmächtigten zunächst nicht zur Akte gelangt war.

Mit Schriftsatz vom 2. April 2019 regten die Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers eine ergänzende Begutachtung des Objektes, namentlich eine Innenbesichtigung an. Das Amtsgericht setzte den Verkehrswert für das Versteigerungsobjekt im Anschluss an das Sachverständigengutachten mit Beschluss vom 4. April 2019 auf 550.000,00 Euro fest, ohne auf den Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 2. April 2019 einzugehen. Dieser gelangte nach Angabe des Beschwerdeführers trotz Übersendung per Telefax am 2. April 2019 erst am 8. April 2019 zur Verfahrensakte.

Der Beschwerdeführer, nunmehr stets vertreten durch seine Verfahrensbevollmächtigten, legte am 11. April 2019 sofortige Beschwerde gegen die Wertfestsetzung ein. Für die darin angekündigte nachfolgende Begründung setzte ihm das Amtsgericht eine Frist bis zum 26. April 2019. Er begründete seine sofortige Beschwerde mit Schriftsatz vom 26. April 2019, den er ausweislich eines vorgelegten Übertragungsprotokolls an diesem Tag per Telefax an das Amtsgericht übersandte. Darin führte er aus, dass ein Ergänzungsgutachten der Sachverständigen einzuholen und zwingend eine Innenbesichtigung zur Ermittlung des gegenwärtigen Zustands durchzuführen sei. Es stehe zu erwarten, dass dadurch eine Verkehrswerterhöhung eintreten könne. Dieser Schriftsatz gelangte jedenfalls vor der Nichtabhilfe durch das Amtsgericht Potsdam mit Beschluss vom 30. April 2019 nicht zur Akte. Das Landgericht Potsdam wies die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 16. Mai 2019 zurück. Der Antragsteller könne sich nicht mit Erfolg auf eine unterbliebene Innenbesichtigung und eine daraus zu erwartende Verkehrswerterhöhung berufen. Eine Innenbesichtigung sei daran gescheitert, dass der Beschwerdeführer trotz Terminsmitteilung nicht am Ortstermin teilgenommen habe und die Sachverständige daher weder Grundstück noch Haus habe betreten können. Es fehle zudem jeder substantiierte Vortrag dazu, inwieweit die Innenausstattung des Hauses überhaupt werterheblich sein könne.

Der Beschwerdeführer erhob daraufhin mit Schriftsatz vom 6. Juni 2019 „weitere Beschwerde“ gegen den Beschluss des Landgerichts. Zur Begründung trug er insbesondere vor, seine Beschwerdebegründung vom 26. April 2019 sei bei der Entscheidung des Amtsgerichts vom 30. April 2019 trotz fristgerechten Eingangs nicht beachtet worden.

Das Landgericht teilte daraufhin unter dem 14. Juni 2019 mit, es habe den Inhalt der Beschwerdebegründung vom 26. April 2019 bei seiner Entscheidung vom 16. Mai 2019 berücksichtigt, da sie am 2. Mai 2019 zur Akte gelangt und der Beschwerdeführer ihren Inhalt unter dem 10. Mai 2019 nochmals angebracht habe. Es wies ferner darauf hin, dass gegen den Beschluss vom 16. Mai 2019 kein Rechtsmittel statthaft sei, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 1 ZPO nicht vorlägen.

II.

Mit seiner am 19. Juli 2019 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör als Grundrecht auf ein faires Verfahren. Das Amtsgericht habe seine fristgerecht eingereichten Schrift­sätze nicht berücksichtigt und das Landgericht sich mit diesen Fehlern im Verfahrensablauf vor dem Amtsgericht nicht beschäftigt.

Der Beschwerdeführer macht ferner mit bei Gericht am 22. August 2019 eingegangenem Schriftsatz geltend, dass sich die Einhaltung der Frist für die Verfassungsbeschwerde aus den Akten des Landgerichts Potsdam ergebe, deren Beiziehung er beantragt habe. Der Beschluss des Landgerichts vom 16. Mai 2019 sei seinen Verfahrensbevollmächtigten am 24. Mai 2019 zugegangen. Eine Gehörsrüge habe der Beschwerdeführer unter dem 6. Juni 2019 erhoben, diese sei aber vom Landgericht nicht förmlich beschieden worden.

Er trägt vor, es sei gerichtsbekannt, dass zu einer ordnungsgemäßen sachverständigen Begutachtung einer Immobilie die Bewertung der „Immobilie insgesamt“ gehöre. Dass die Besichtigung einer Immobilie im Rahmen einer Immobilienbewertung sinnvoll sei, sei „selbstredend“ und ergebe sich aus gesetzlichen Vorgaben. Der Beschwerdeführer habe die Innenbesichtigung selbst und rechtzeitig angeregt; diese sei ausschließlich wegen der Versagung des Amtsgerichts ausgeblieben. Auch sei in seine Eigentumsgrundrechte daher massiv eingegriffen worden.

B.

Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

Sie ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) als unzulässig zu verwerfen.

Die Verfassungsbeschwerde genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung.

Erforderlich ist nach § 20 Abs. 1, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, welche schlüssig die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts des Beschwerdeführers aufzeigt. Sie muss umfassend und aus sich heraus verständlich sein. Mit der Begründung müssen der entscheidungserhebliche Sachverhalt und die wesentlichen rechtlichen Erwägungen nachvollziehbar dargelegt werden, um dem Gericht eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Begehren zu ermöglichen. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das bezeichnete Grundrecht durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen sie kollidiert (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 22. März 2019 - VfGBbg 38/18 -, https://verfassungs-gericht.‌brandenburg.de, m. w. N.).

Dies leistet die Beschwerdeschrift nicht. Sie lässt eine mögliche Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör vor Gericht gemäß Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 Verfassung des Landes Brandenburg - LV - und des Eigentumsgrundrechts aus Art. 41 Abs. 1 LV nicht erkennen.

Dass - was auch nicht sonst ersichtlich ist - die unterbliebene Innenbesichtigung des Versteigerungsobjektes selbst eine Gehörsverletzung darstellt, macht der Beschwerdeführer bereits nicht geltend. Eine etwaige Gehörsverletzung, die darin liegen soll, dass das Amtsgericht Potsdam Entscheidungen getroffen habe, ohne Schriftsätze des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, ist jedenfalls in der Beschwerdeinstanz geheilt worden. Der Beschwerdeführer kann nicht geltend machen, dass von einer etwaigen Gehörsverletzung durch das Amtsgericht im Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde noch eine ihn belastende Wirkung ausgehe. Die Entscheidung des Amtsgerichts ist durch die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts überholt, zumal das Landgericht ausdrücklich auf die angeregte Innenbesichtigung eingegangen ist. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs setzt zudem voraus, dass die angegriffene Entscheidung auf dem als Gehörsverstoß gerügten Verfahrensfehler beruht. Dieser Zusammenhang muss im Rahmen der Begründung der Verfassungsbeschwerde dargelegt werden (z. B. Beschluss vom 15. Mai 2014 - VfGBbg 61/13 -, https://verfassungs­gericht.‌brandenburg.de, m. w. N.).

Der Beschwerdeführer hat weder dargelegt noch ist sonst erkennbar, dass die Nichtberücksichtigung der Anregung, eine Innenbesichtigung des Objekts durchzuführen, ursächlich dafür war, dass diese unterblieb. Er setzt sich nicht hinreichend mit der Begründung des Beschlusses des Landgerichts auseinander, die Innenbesichtigung sei daran gescheitert, dass er selbst nicht an einem anberaumten Ortstermin teilgenommen habe. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, dass „ausreichend Platz und Raum gewesen“ und die Innenbesichtigung „ausschließlich aufgrund der Versagung durch das Amtsgericht“ nicht erfolgt sei, geht auf diesen Widerspruch zu den Entscheidungsgründen nicht ein und genügt den Anforderungen an die Begründung daher nicht.

Sofern er mit dem Schriftsatz vom 22. August 2019 auch die Verletzung seines Eigentumsgrundrechts aus Art. 41 Abs. 1 LV zu rügen beabsichtigt, hat er dies nicht begründet. Auf die insoweit ebenfalls fragliche Einhaltung der Beschwerdefrist des § 47 Abs. 1 VerfGGBbg kommt es daher nicht an.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dresen Dr. Finck
   
Heinrich-Reichow Kirbach
   
Dr. Lammer Sokoll
   
Dr. Strauß