VerfGBbg, Beschluss vom 15. November 2001 - VfGBbg 25/01 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 10 - StPO, § 98 |
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Schlagworte: | - Beschlagnahme - Bundesrecht - Zuständigkeit des Landesverfassungsgerichts - Strafprozeßrecht - Rechtsstaatsprinzip - Bestimmtheitsgebot - freie Entfaltung der Persönlichkeit |
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Fundstellen: | - LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 12, 124 - LVerfGE 12, 155 (nur LS) |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 15. November 2001 - VfGBbg 25/01 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 25/01

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren T., Beschwerdeführer, Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin S., gegen die Beschlagnahmeanordnung der Staatsanwaltschaft Cottbus vom 20. Dezember 2000, den Beschluß des Amtsgerichts Cottbus vom 04. Januar 2001 und den Beschluß des Landgerichts Cottbus vom 19. Juni 2001 hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg am 15. November 2001 b e s c h l o s s e n : Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen. G r ü n d e : A. Der Beschwerdeführer ist Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft wegen Urkundenunterdrückung. Am 20. Dezember 2000 ordnete die Staatsanwaltschaft die Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers an. Während der Durchsuchung, die noch am gleichen Tag in Anwesenheit des Beschwerdeführers und des sachbearbeitenden Staatsanwalts stattfand, wurden laut Protokoll beschlagnahmt:
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom 22. Dezember 2000 bestätigte das Amtsgericht die Beschlagnahme mit Beschluß vom 4. Januar 2001 richterlich. Gegen den Beschluß des Amtsgerichts legte der Beschwerdeführer Beschwerde ein. Mit Beschluß vom 19. Juni 2001 - zugestellt am 25. Juni 2001 - verwarf das Landgericht die Beschwerde als unbegründet. Das Amtsgericht habe die Beschlagnahme zu Recht bestätigt. Sowohl im Sicherstellungsprotokoll vom 20. Dezember 2000 als auch im amtsgerichtlichen Beschluß seien die beschlagnahmten Gegenstände hinreichend bezeichnet. Die Bezeichnung der Gegenstände habe freilich so genau zu erfolgen, daß Verwechslungen ausgeschlossen seien und erkennbar sei, was beschlagnahmt werden soll. Dem sei hier Genüge getan. Es seien bei der Durchsuchung 2 Tüten aufgefunden worden, die aufgrund ihres Inhalts für das Ermittlungsverfahren bedeutsam erschienen. Diese Tüten seien komplett sichergestellt und beschlagnahmt worden. Dementsprechend seien auch nur die beiden Tüten mit der Kurzbezeichnung ihres Inhalts („Hülle mit verschiedenen Schreiben Fensterwerk G.“ und „Tüte mit div. Schriftstücken“) in das Sicherstellungsprotokoll aufgenommen. Daß keine detailliertere Kennzeichnung der einzelnen in den Tüten enthaltenen Schriftstücke vorgenommen worden sei, sei nicht zu beanstanden. Eine Aufschlüsselung des Inhalts der Tüten im einzelnen sei nicht erforderlich. Anderenfalls müsse etwa auch jedes einzelne Schriftstück z. B. aus einem Aktenordner, einem Hefter oder einer Mappe einzeln aufgeführt werden. Damit aber würde das Erfordernis der genauen Bezeichnung des beschlagnahmten Gegenstands in einer dem Normzweck und den tatsächlichen Möglichkeiten entgegenstehenden Weise überdehnt. Es sei auch nicht auszuschließen, daß die mit lfd. Nr. 02 im Sicherstellungsprotokoll vom 20.12.2000 bezeichnete Tüte gerade in dieser Form und mit der Gesamtheit ihres Inhalts als Beweismittel in Betracht komme. II. Mit der am 27. August 2001, einem Montag, bei Gericht eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Grundrechts aus Art. 10 Verfassung des Landes Brandenburg (Landesverfassung - LV), Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Die Beschlagnahmeanordnung und ihre gerichtliche Bestätigung genüge nicht den Mindestanforderungen, die aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit an den Inhalt derartiger Maßnahmen zu stellen seien. Ähnlich wie eine Durchsuchungsanordnung stelle auch die Beschlagnahme ihrer Natur nach regelmäßig einen schwerwiegenden Eingriff in die durch die Verfassung - hier Art. 10 LV - geschützte Lebenssphäre des Betroffenen dar. Dies gelte erst recht, wenn vom gesetzlichen Regelfall abgewichen und eine Beschlagnahme nicht durch den Richter, sondern durch die Staatsanwaltschaft angeordnet werde. Die Maßstäbe, die das erkennende Gericht und das Bundesverfassungsgericht für den Fall der Durchsuchungsanordnung gesetzt haben, seien auf die richterliche Bestätigung einer Beschlagnahmeanordnung zu übertragen. § 98 Abs. 2 Satz 2 Strafprozeßordnung (StPO) gebe dem Richter auf, in seiner Entscheidung die Gegenstände, die von der Beschlagnahme erfaßt seien, im einzelnen so genau zu bezeichnen, daß weder bei den Betroffenen noch bei der Strafverfolgungsbehörde Zweifel über den Umfang der Maßnahme entstehen könnten. Mit der Angabe des Gegenstands der Beschlagnahme werde der Rahmen abgesteckt, innerhalb dessen die Staatsanwaltschaft Beweismittel gewonnen habe. Die möglichst genaue Beschreibung des beschlagnahmten Gegenstandes habe - ähnlich wie die Beschreibung des Tatvorwurfs - eine begrenzende, die Privatsphäre des Betroffenen schützende Funktion. Sie bezwecke, ihn in den Stand zu versetzen, die Beschlagnahme seinerseits zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen entgegenzutreten. Dem würden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht. So erschöpfe sich die amtsgerichtliche Bestätigung darin, die sichergestellten Unterlagen mit dem Verweis auf das „Sicherstellungsprotokoll, lfd. Nr. 2“ zu bezeichnen. Das Sicherstellungsprotokoll gebe aber als Umfang der beschlagnahmten Gegenstände lediglich „1 Tüte mit div. Schriftstücken“ an. Mit einer derartigen Kennzeichnung habe der Betroffene keinen Überblick über die beschlagnahmten Gegenstände und nicht die Möglichkeit, die Beschlagnahme zu kontrollieren. Bei der Beschlagnahme von Aktenordnern, Heftern oder Mappen brauche allerdings der Akteninhalt nicht Blatt für Blatt genannt zu werden. Erforderlich sei jedoch wenigstens eine zusammenfassende Kennzeichnung des Akteninhalts, die den Betroffenen wie den Richter in die Lage versetze, den Beschlagnahmegegenstand jedenfalls dem wesentlichen Inhalt nach zu erfassen. Daran fehle es hier. Eine genaue Bezeichnung des Gegenstands der Beschlagnahme sei jedenfalls dann zwingend geboten, wenn dies für die Zwecke der Verteidigung unumgänglich sei. So liege es hier. Dem Beschwerdeführer werde der Vorwurf der Urkundenunterdrückung gemacht. Die Beschlagnahme habe dazu gedient, in Zusammenhang mit diesem Tatvorwurf Beweismittel aufzufinden. Für eine wirkungsvolle Verteidigung sei es aber notwendig, daß der Beschwerdeführer Kenntnis über die durch die Beschlagnahme gewonnenen Beweismittel erhalte. Es sei ihm nicht zumutbar abzuwarten, bis es ihm über eine Einsichtnahme in die Ermittlungsakten möglich sei, von den einzelnen beschlagnahmten Schriftstücken Kenntnis zu erlangen. Bislang sei eine solche umfassende Akteneinsicht noch nicht gewährt worden. III. Die Staatsanwaltschaft und das Landgericht hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Staatsanwaltschaft weist darauf hin, daß sich die „Tüte mit div. Schriftstücken“ bei der Akteneinsicht durch die Verteidigerin bei den Akten befunden habe. B. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. I. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. 1. Der Beschwerdeführer ist beschwerdebefugt. Eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 10 LV erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen. Der Beschwerdeführer beschränkt sich auch nicht etwa darauf, allgemein eine Verletzung der Rechte aus Art. 10 LV und die Unverhältnismäßigkeit der Beschlagnahmeanordnung zu rügen (vgl. insoweit BVerfG, NJW 1994, 3281, 3282 zu Art. 2 Abs. 1 GG). Vielmehr trägt er vor, in seinen Verteidigungsmöglichkeiten in dem gegen ihn anhängigen Ermittlungsverfahren wegen Urkundenunterdrückung eingeschränkt zu sein, weil sich aus dem Beschlagnahmebeschluß nicht ergebe, welche Unterlagen als Beweismittel beschlagnahmt worden seien.2. Der Rechtsweg ist ausgeschöpft. Gegen den Beschluß des Landgerichts ist keine weitere Beschwerde möglich (vgl. § 310 StPO). 3. Der Anrufung des Landesverfassungsgerichts steht nicht entgegen, daß die Verletzung von Landesgrundrechten im Rahmen eines bundesrechtlich - hier: durch die Strafprozeßordnung - geordneten Verfahrens gerügt wird. Die insoweit erforderlichen Voraussetzungen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 16. April 1998 - VfGBbg 1/98 -, LVerfGE 8, 82, 84 ff. unter Bezugnahme auf BVerfGE 96, 330, 371 ff.) sind hier gegeben. Ein Bundesgericht war nicht befaßt. Eine Rechtsschutzalternative zu der Verfassungsbeschwerde besteht nicht. Das als verletzt gerügte Landesgrundrecht (Art. 10 LV) ist inhaltsgleich mit dem entsprechenden Grundrecht des Grundgesetzes (Art. 2 Abs. 1 GG). 4. Die Verfassungsbeschwerde ist innerhalb der von § 47 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg genannten Frist von zwei Monaten ab Zustellung des letztinstanzlichen Beschlusses bei Gericht eingegangen. Der Beschluß des Landgerichts ist dem Beschwerdeführer am 25. Juni 2001 zugegangen. Die Verfassungsbeschwerde ist am 27. August 2001, einem Montag (vgl. § 193 BGB), bei Gericht eingegangen. II. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht begründet. Die Beschlagnahmeanordnung verstößt nicht gegen Art. 10 LV in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Der Beschluß des Landgerichts vom 19. Juni 2001 umschreibt die beschlagnahmten Gegenstände hinreichend konkret. 1. Ebenso wie eine Durchsuchungsanordnung stellt eine Beschlagnahme einen Eingriff in den grundrechtlich geschützten Bereich des Betroffenen dar. Die Anordnung steht daher (wie alle Zwangsmaßnahmen im Strafverfahren) unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dementsprechend muß die Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich sein und darf der mit ihr verbundene Eingriff nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zur Stärke des bestehenden Tatverdachts stehen (BVerfG, NJW 1992, 551, 552 = NStZ 1992, 91 f.). § 98 StPO, der die Anordnung der Beschlagnahme grundsätzlich dem Richter zuweist und auch dann, wenn bei Gefahr im Verzug ausnahmsweise die Staatsanwaltschaft oder ihre Hilfsbeamten zur Anordnung der Beschlagnahme befugt sind, grundsätzlich eine richterliche Bestätigung vorschreibt, hat dies sicherzustellen. Bestätigt ein Gericht eine Beschlagnahmeanordnung, so muß es erkennen lassen, welche Gegenstände es für welchen Tatverdacht und aus welchen Gründen für bedeutsam hält (vgl. BVerfG, NJW 1992, 551, 552). 2. Der Beschluß des Landgerichts vom 19. Juni 2001 genügt diesen Voraussetzungen. Ob der Beschluß vom 4. Januar 2001, mit dem das Amtsgericht die Beschlagnahme der „Hülle mit verschiedenen Schreiben Fensterwerk G.“ und der „Tüte mit div. Schriftstücken“ bestätigt hat, den Anforderungen genügt, bedarf dabei keiner Entscheidung. Jedenfalls ist die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts hinreichend konkret und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat im einzelnen dargelegt, welche Gegenstände es für welchen Tatverdacht aus welchen Gründen für bedeutsam hält: Es beschreibt zunächst die beschlagnahmten Gegenstände durch die Schilderung, daß bei der Durchsuchung zwei Tüten gefunden worden seien, die komplett sichergestellt und beschlagnahmt und daher als solche Tüten mit einer Kurzbezeichnung ihres Inhalts in das Sicherstellungsprotokoll aufgenommen worden seien; es seien eben diese beiden Tüten samt Inhalt sichergestellt und beschlagnahmt worden. Dies beschreibt die Gegenstände der Beschlagnahme hinreichend. Es war nicht erforderlich, den Inhalt der Tüten im einzelnen aufzuführen. Die beiden Behältnisse sind als solche identifizierbar und voneinander unterscheidbar. Eine Auflistung der einzelnen in dem Behältnis befindlichen Schriftstücke ist entbehrlich. Eine damit verbundene gewisse Unbestimmtheit ist hinzunehmen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl. 2001, § 98 Rn. 9). Zu berücksichtigen ist vorliegendenfalls auch, daß die Verteidigerin des Beschwerdeführers im Wege der Akteneinsicht Gelegenheit hatte, die Schriftstücke, die sich in der beschlagnahmten Tüte befinden, in Augenschein zu nehmen und hiervon Kopien zu erhalten. Aus den Verfahrenakten ergibt sich, daß der Verteidigerin Akteneinsicht sowohl durch Versenden der Akten in ihre Kanzlei als auch in den Räumen der Staatsanwaltschaft gewährt worden ist. Nach einem Vermerk des sachbearbeitenden Staatsanwalts ist mindestens bei der Akteneinsicht in den Räumen der Staatsanwaltschaft der Inhalt der beschlagnahmten Tüte Bestandteil der Akte gewesen. Eine Bitte um Ablichtung dieser Schriftstücke habe die Verteidigerin nicht geäußert. Zwischenzeitlich sind im übrigen Kopien der in der als lfd. Nr. 02 beschlagnahmten Tüte befindlichen Schriftstücke von Amts wegen an die Verteidigerin des Beschwerdeführers geschickt worden. Das Landgericht hat zudem hinreichend begründet, warum die - hier vordringlich angegriffene - Beschlagnahme zu lfd. Nr. 02 des Sicherstellungsprotokolls, nämlich der Tüte mit diversen Schriftstücken, gerade in dieser Form und mit ihrem gesamten Inhalt als Beweismittel in Betracht kommen könnte. Insbesondere bringt das Gericht den Inhalt der gefundenen Hüllen mit dem Inhalt zweier Kuverts in Verbindung, die ein Zeuge einige Tage vor der Durchsuchung in den Briefkasten des Beschwerdeführers geworfen haben soll. Schließlich wird auch der Tatvorwurf hinreichend konkret umschrieben. Das Landgericht benennt als Straftat, derer der Beschwerdeführer verdächtig ist, Urkundenunterdrückung, als Geschädigte die G. und als Tathandlung das Wegschaffen von Geschäftspapieren der Gesellschaft. Dies reicht aus. | ||||||||||||||||
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