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VerfGBbg, Beschluss vom 15. November 2001 - VfGBbg 19/01 -

 

Verfahrensart: Kommunalverfassungsbeschwerde
sonstige
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 15
Schlagworte: - Befangenheit
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 15. November 2001 - VfGBbg 19/01 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 19/01



IM NAMEN DES VOLKES
B E S C H L U S S

In dem kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren

der Stadt Teupitz,
vertreten durch den Bürgermeister,
Markt 9, 15755 Teupitz,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin M.,

gegen Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Reform der Gemeindestruktur und zur Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden im Lande Brandenburg vom 13. März 2001 (GVBl. I S. 30)

hier: Befangenheitsantrag gegen den Richter Dr. Dombert

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dr. Macke, Dr. Jegutidse,
Dr. Knippel, Prof. Dr. Schröder, Weisberg-Schwarz und Prof. Dr. Will

am 15. November 2001

b e s c h l o s s e n:

Der Befangenheitsantrag gegen den Richter Dr. Dombert wird für unbegründet erklärt.

G r ü n d e :

A.
I.

Die Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom 3. Juli 2001 kommunale Verfassungsbeschwerde gegen Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Reform der Gemeindestruktur und zur Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden im Land Brandenburg erhoben. Diese Vorschrift fügt in § 5 der Amtsordnung folgenden Absatz 4 ein:

„Die Ämter nehmen gemäß § 203 Abs. 2 des Baugesetzbuches die Flächennutzungsplanung für das Gesamtgebiet der amtsangehörigen Gemeinden wahr. Für im Verfahren befindliche Flächennutzungspläne amtsangehöriger Gemeinden treten die Regelungen nach Satz 1 mit Wirksamwerden des letzten noch fehlenden Flächennutzungsplanes einer amtsangehörigen Gemeinde in Kraft, spätestens jedoch am Tag nach den nächsten landesweiten Kommunalwahlen. Vor der Beschlußfassung über den Flächennutzungsplan sind die amtsangehörigen Gemeinden anzuhören. Die Anregungen der Gemeinden sind zu berücksichtigen.“

Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, daß die Übertragung der Zuständigkeit für die Flächennutzungsplanung auf das Amt sie in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung verletze und beantragt, die zitierte Bestimmung für nichtig, hilfsweise für mit der Landesverfassung unvereinbar, zu erklären.

Mit Schriftsatz vom 17. September 2001 lehnt die Beschwerdeführerin den Richter Dr. Dombert wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Sie begründet ihren Antrag damit, daß der Richter Dr. Dombert auf der „3. Bürgermeisterkonferenz vom 9. Dezember 2000“ in D. gemeinsam mit dem Innenminister aufgetreten und als zu dessen „Troß“ gehörend vorgestellt worden sei. Der Richter Dr. Dombert habe erkennbar die Interessen des Innenministers vertreten und ausgeführt, daß Klagen gegen Neugliederungsgesetze beim Verfassungsgericht keine Erfolgschancen hätten. Befremdlich seien diese Ausführungen nicht nur ihrem Inhalt nach, sondern auch wegen des Gesamtzusammenhangs, in dem sie gemacht worden seien. Als Begleiter des Innenministers versichere ein Verfassungsrichter - unter Bezugnahme auf dieses Amt -, daß die Anfechtung von Neugliederungsgesetzen, deren Regierungsvorlage beim Innenminister ressortiere, vor dem Verfassungsgericht chancenlos sei.

Daneben begründe die Besorgnis der Befangenheit ein Auftritt des Richters Dr. Dombert zusammen mit dem Referatsleiter im Innenministerium Dr. G. als Referent bei einer Veranstaltung, die erkennbar darauf gerichtet gewesen sei, die politischen Vorstellungen des Innenministers zur Gemeindeneugliederung zu propagieren. Die Veranstaltung zum Thema „Gemeindeneugliederung in Brandenburg: Rechtliche Rahmenbedingungen und praktische Möglichkeiten für die Kommunen“ habe am 29. Januar 2001 stattgefunden und sei auf die „Verbreitung von Propaganda“ für „Leitlinien der Landesregierung für die Entwicklung der Gemeindestruktur im Land Brandenburg“ angelegt gewesen. Den Teilnehmern habe nahegelegt werden sollen, den Vorstellungen des Innenministers über einen freiwilligen Gemeindezusammenschluß zu folgen, weil anderenfalls gesetzlicher Zwang zu erwarten sei, gegen den, so Dr. Dombert, das Verfassungsgericht anzurufen, ohne jede Erfolgsaussicht sei.

Darüber hinaus habe nach den Informationen der Beschwerdeführerin das Innenministerium Rechtsanwältin W., die mit dem abgelehnten Richter zur gemeinsamen Ausübung des Anwaltsberufs in einer Sozietät verbunden sei, den Auftrag erteilt, die Landesregierung in dem verfassungsgerichtlichen Verfahren zu vertreten. Dieser Auftrag sei von der Rechtsanwältin Werner angenommen worden. Allein die Tatsache, daß eine Rechtsanwältin aus der Anwaltssozietät des abgelehnten Verfassungsrichters für eine Partei tätig geworden sei, rechtfertige die Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Richters. Daß - wie zu erwarten - Rechtsanwältin Werner sich nicht als Verfahrensbevollmächtigte der Landesregierung melden werde, sei unerheblich.

II.

Der Richter Dr. Dombert hat sich zu dem Befangenheitsantrag gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) geäußert. Er fühlt sich nicht befangen. Die beiden von der Beschwerdeführerin genannten Veranstaltungen wiesen keinen Bezug zu der Rechtsfrage auf, die der vorliegenden Verfassungsbeschwerde zugrunde liege. Bei beiden Veranstaltungen sei es nicht um die Übertragung der Zuständigkeit für die Flächennutzungsplanung von der Gemeinde auf das Amt gegangen.

Veranstalter der „3. Bürgermeisterkonferenz des Landes Brandenburg“ am 9. Dezember 2001 sei der M. e. V., ein Bildungsträger der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU zum Thema „Die Gemeindegebietsreform im Land Brandenburg“ gewesen. Dabei sei es nicht um ein konkretes Gesetzgebungsverfahren gegangen. Sein Referat mit dem Titel „Grundsätze der Gemeindeneugliederung: verfassungs- und verwaltungsrechtliche Rahmenbedingungen und die kommunale Praxis“ habe er als „Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht“ gehalten und nicht als Verfassungsrichter. Er sei nicht „im Troß des Innenministers“ aufgetreten und sei auch nicht so vorgestellt worden. Soweit in dem Ablehnungsgesuch der Beschwerdeführerin darauf hingewiesen werde, er habe die Erfolgsaussichten von gegen kommunale Neugliederungsgesetze gerichteten Verfassungsbeschwerden als „relativ gering“ eingeschätzt, treffe das zu. Zu einem konkreten Gesetz zur Gemeindegebietsreform habe er keine Aussagen gemacht. Seine Aussagen seien allgemein gehalten gewesen.

Veranstalter des Seminars vom 29. Januar 2001 sei der D. e. V. Landesverband Berlin/Brandenburg gewesen. Es handele sich um einen Veranstalter, der von Landkreisen und Kommunen getragen werde und der sich vorwiegend mit kommunal-politischen Themen auseinandersetze. In diesem Seminar hätten neben ihm zwei weitere Referenten mitgewirkt, Dr. Grünewald als Referatsleiter des Innenministeriums und Rechtsanwältin Werner, die derselben Kanzlei wie er angehöre. Frau Werner habe in diesem Seminar die verfassungsrechtlichen Grundlagen dargelegt, während er selbst - wiederum als Rechtsanwalt - ausschließlich Fragen des Verwaltungsrechts im Zusammenhang mit Gemeindeneugliederungen erörtert habe. Er habe sich in diesem Seminar nicht zu verfassungsrechtlichen Fragestellungen geäußert.

Seine Sozietät sei zu keiner Zeit von der Landesregierung in dem hier zugrundeliegenden Verfassungsstreitverfahren oder einem anderen Verfahren dieser Art mandatiert worden. Als Folge seiner nebenamtlichen Tätigkeit sei es die Gepflogenheit seines Büros, Mandate mit einem Bezug zum Landesverfassungsgericht abzulehnen.

III.

Für die Landesregierung hat das Ministerium der Justiz und für Europaangelegenheiten Stellung genommen. Danach sei auf der Grundlage eines Kabinettsbeschlusses Prof. Dr. N. zum Verfahrensbevollmächtigten bestellt worden. Seitens des für verfassungsgerichtliche Streitigkeiten innerhalb der Landesregierung federführenden Ministeriums der Justiz und für Europaangelegenheiten habe im Zusammenhang mit der vorliegenden Verfassungsbeschwerde keinerlei Kontakt zu Rechtsanwältin Werner bestanden. Eine ergänzende Nachfrage beim Ministerium des Innern, in die Staatssekretär L. einbezogen gewesen sei, habe ergeben, daß auch von dort aus zu keiner Zeit Schritte unternommen worden seien, um mit Rechtsanwältin Werner in vorstehendem Zusammenhang in Kontakt zu kommen.

B.

Der Befangenheitsantrag ist unbegründet.

Gemäß § 15 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) kann ein Mitglied des Verfassungsgerichts von den Verfahrensbeteiligten wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Besorgnis der Befangenheit liegt vor, wenn für einen am Verfahren Beteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß besteht, an der Unvoreingenommenheit und der objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 15. Juni 1994 - VfGBbg 10/94 EA -, LVerfGE 2, 113, 114). Diesbezüglich sind indes jedenfalls im verfassungsgerichtlichen Verfahren strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. BVerfGE 73, 330, 335, m.w.N.). Ergänzend sind weiter § 14 Abs. 2 und 3 sowie § 15 Abs. 1 VerfGGBbg zu berücksichtigen, wonach weder allgemeine Gesichtspunkte wie der Familienstand, der Beruf, die Abstammung oder die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei noch die Mitwirkung am Gesetzgebungsverfahren oder die Äußerung einer wissenschaftlichen Meinung zu einer Rechtsfrage, die für das Verfahren Bedeutung haben könnte, zum Ausschluß eines Richters führt oder eine Ablehnungsgrund darstellt. Ein strenger Maßstab ist auch dann anzulegen, wenn die Besorgnis der Befangenheit - wie hier - aus Äußerungen eines Richters in der Öffentlichkeit hergeleitet wird. Die Landesverfassung und das Landesverfassungsgerichtsgesetz gehen - ebenso wie das Grundgesetz und das Bundesverfassungsgerichtsgesetz (vgl. dazu BVerfGE 73, 330, 336) - davon aus, daß die Verfassungsrichter am politischen Meinungsbildungsprozeß teilnehmen und Stellung beziehen, unbeschadet dessen aber in von ihnen zu entscheidenden Fällen objektiv ihres Amtes walten. Das freie Wort zu politischen Vorgängen kann ihnen nicht verwehrt sein; machen sie davon Gebrauch, kann ein Verfahrensbeteiligter darin vernünftigerweise keine Vorfestlegung für die Entscheidung im konkreten Einzelfall sehen. Grundsätzlich ist in diesem Sinne davon auszugehen, daß der Verfassungsrichter an den Einzelfall mit derjenigen Unvoreingenommenheit und inneren Unabhängigkeit herangeht, zu der ihn sein Amt verpflichtet (vgl. hierzu BVerfGE 73, 330, 336 f.). Öffentliche Äußerungen eines Verfassungsrichters begründen die Besorgnis der Befangenheit nur dann, wenn besondere Umstände hinzutreten, die für eine Vorfestlegung des Richters sprechen. Solche Umstände können sich etwa auch aus der zeitlichen Nähe zu einem anhängigen Verfahren ergeben, wenn sich ein Zusammenhang zwischen der öffentlichen Äußerung und der von dem Gericht zu treffenden Entscheidung aufdrängt (vgl. BVerfGE 73, 330, 336 f. m.w.N.) oder die Deckungsgleichheit der beanstandeten Äußerung mit der von einem Verfahrensbeteiligten vertretenen Rechtsauffassung bei einer Gesamtbetrachtung als Unterstützung dieses Beteiligten erscheint (vgl. BVerfGE 98, 134, 137 f. = NJW 1999, 413).

Hiernach besteht vorliegend kein Anlaß, an der Unvoreingenommenheit des Richters Dr. Dombert zu zweifeln. Zwischen den beiden öffentlichen Auftritten des Richters und dem konkret anhängigen kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren besteht weder zeitlich noch sachlich ein Zusammenhang. Die von der Beschwerdeführerin genannten Veranstaltungen fanden Monate vor der Erhebung der vorliegenden kommunalen Verfassungsbeschwerde und zu einem Zeitpunkt statt, zu dem es das verfahrensgegenständliche Gesetz noch gar nicht gab. Bei beiden Veranstaltungen ging es nur allgemein um die Gemeindestrukturreform und ausschließlich um Fragen der Neugliederung von Gemeinden. Eine - mögliche - Übertragung von Zuständigkeiten der Gemeinden auf das Amt ist bei beiden Veranstaltungen nicht angesprochen worden. So war auch von der Übertragung der Zuständigkeit für die Flächennutzungsplanung auf das Amt, die Gegenstand des hier zugrundeliegenden verfassungsgerichtlichen Verfahrens ist, nicht die Rede. Der Verfassungsrichter Dr. Dombert hat sich also zu dieser hier entscheidungserheblichen Rechtsfrage gar nicht geäußert. Für die Besorgnis, der Richter sei in dieser Frage bereits auf eine bestimmte Rechtsauffassung festgelegt, ist somit kein Raum.

Soweit sich der Richter Dr. Dombert über die Erfolgschancen von kommunalen Verfassungsbeschwerden im Allgemeinen geäußert hat, bezog sich dies auf eine - schon als solche keinen Befangenheitsgrund abgebende - persönliche fachliche Analyse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Landesverfassungsgerichte. Diese Auswertung bezog sich ausschließlich auf verfassungsgerichtliche Verfahren in Zusammenhang mit möglichen zwangsweisen Zusammenschlüssen von Gemeinden durch Neugliederungsgesetze und nicht auf Verfahren, die die Verlagerung von Zuständigkeiten der Gemeinden auf das Amt betreffen. Auch insoweit fehlt ein konkreter Bezug zu dem anhängigen verfassungsgerichtlichen Verfahren, der die Besorgnis der Befangenheit begründen könnte. Der Umstand allein, daß der Richter Dr. Dombert bei einer Veranstaltung aufgetreten ist, bei der auch der Innenminister der Landes Brandenburg bzw. ein Referatsleiter im Innenministerium mitwirkten, reicht nicht aus, um Zweifel an der Unabhängigkeit des Richters zu begründen.

Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, sie sei darüber informiert worden, daß das Innenministerium der Rechtsanwältin W., die derselben Sozietät wie der abgelehnte Verfassungsrichter in seinem Hauptberuf als Rechtsanwalt angehört, den Auftrag erteilt habe, die Vertretung der Landesregierung in diesem Verfassungsstreitverfahren zu übernehmen, und sie diesen Auftrag angenommen habe, hat der Verfassungsrichter glaubhaft mitgeteilt, daß seine Sozietät zu keiner Zeit von der Landesregierung in dem hier zugrundeliegenden Verfassungsstreitverfahren oder einem anderen Verfahren (dieser Art) mandatiert worden ist. In Übereinstimmung hiermit hat das Ministerium der Justiz und für Europaangelegenheiten, dem die Federführung für verfassungsgerichtliche Streitigkeiten innerhalb der Landesregierung obliegt, klargestellt, daß von dort aus in Zusammenhang mit der vorliegenden (kommunalen) Verfassungsbeschwerde keine Mandatierung der Rechtsanwältin erfolgt und keinerlei Kontakt mit der Rechtsanwältin aufgenommen worden sei; eine Nachfrage beim Ministerium des Innern unter ausdrücklicher Einbeziehung des Staatssekretärs habe ergeben, daß auch von dort aus zu keiner Zeit Schritte unternommen worden seien, um mit der Rechtsanwältin Werner im Zusammenhang mit der hier zugrundeliegenden verfassungsgerichtlichen Streitigkeit in Kontakt zu kommen. Inzwischen hat sich für die Landesregierung Prof. Dr. N. als Verfahrensbevollmächtigter bestellt und zur Sache Stellung genommen.

Dr. Macke Havemann
Dr. Jegutidse Dr. Knippel
Prof. Dr. Schröder Weisberg-Schwarz
Prof. Dr. Schröder Weisberg-Schwarz
Prof. Dr. Will