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VerfGBbg, Beschluss vom 15. September 2017 - VfGBbg 57/16 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 27 Abs. 2; LV, Art. 52 Abs. 2 Alt. 2
- ZPO, § 421 Abs. 1
- BGB, § 1671
Schlagworte: - Erfolglose Verfassungsbeschwerde
- Begründung
- Rechtliches Gehör
- Umgangsrecht
- Kindeswohl
- Sachverständigengutachten
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 15. September 2017 - VfGBbg 57/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 57/16




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

P.,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigter:             Rechtsanwalt
S.,

 

beteiligt:

S.,

Verfahrensbevollmächtigte:              Rechtsanwältin
D.-D.,
 

 

wegen            Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 15. Juli 2016 (10 UF 8/16); Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 22. August 2016 (10 UF 8/16)

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 15. September 2017

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer und Nitsche

beschlossen: 

 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

Gründe:

 

A.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen Beschlüsse des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (BbgOLG) in einem Sorgerechtsverfahren.

 

I.

Die Beschwerdeführerin und der Beteiligte (nachfolgend: Vater) sind die nicht verheirateten Eltern ihres am 13. Oktober 2010 geborenen Sohnes, für den aufgrund einer Erklärung gem. § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB die gemeinsame elterliche Sorge ausgeübt wurde. Die Eltern lebten bis zum September 2014 gemeinsam mit dem Kind zusammen. Nach Trennung der Eltern und dem Auszug der Beschwerdeführerin aus der gemeinsamen Wohnung kam es zu einem familiengerichtlichen Verfahren vor dem Amtsgericht Strausberg, in dessen Ergebnis dem Vater zweiwöchentlich von Donnerstag bis Montag Umgang mit dem Kind gewährt wurde.

 

Nachdem der Vater beantragt hatte, ihm das alleinige Sorgerecht zu übertragen, hat das Amtsgericht Strausberg Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens der Diplom-Psychologin Sch. vom 27. November 2015. Die Gutachterin stellte fest, dass der Kindesvater deutlich besser geeignet sei, die Erziehungsverantwortung zum Wohle des Kindes auszuüben. Es sei im Interesse einer gesunden Entwicklung des Kindes, wenn es bei seinem Vater aufwachse und der Vater die Entscheidungen für das Kind alleine treffe. Da nach den Äußerungen der Sachverständigen die Beschwerdeführerin geäußert habe, einen Verbleib des Kindes in einem anderen als dem eigenen Haushalt nicht zu akzeptieren, beschloss das Amtsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung, das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind dem Vater zu übertragen. Gleichzeitig wurde die Herausgabe des Kindes durch die Beschwerdeführerin angeordnet. Das Kind wurde daraufhin vom Jugendamt unter Beiziehung eines Gerichtsvollziehers und von Polizeibeamten gegen den Willen der Beschwerdeführerin und unter Anwendung unmittelbaren Zwanges weggenommen und dem Kindesvater übergeben.

 

Im Termin zur mündlichen Verhandlung im Sorgerechtsverfahren vor dem Amtsgericht Strausberg am 9. Dezember 2015 lehnte die Beschwerdeführerin die gerichtlich bestellte Sachverständige wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zudem seien ihr nur drei Tage eingeräumt worden, das Gutachten zu lesen, so dass ihr eine weitere Erklärungsfrist eingeräumt werden müsse.

 

Das Amtsgericht wies den Ablehnungsantrag mit Beschluss vom 9. Dezember 2015 zurück. Mit Beschluss vom 10. Dezember 2015 übertrug es dem Vater das alleinige Sorgerecht. Die gemeinsame Sorge der Eltern sei gescheitert. Die Kindesmutter sei überzeugt, sie allein sei berechtigt, über das Kind zu entscheiden. Sie versuche seit der Trennung konsequent, den Vater von Entscheidungen fernzuhalten und Dritte dazu zu bringen, ihm keine Informationen über das Kind zu geben. Sie kooperiere auch nicht im Hinblick auf die Gesundheitsfürsorge und halte vor dem Familiengericht getroffene Vereinbarungen nicht ein. Unter Berücksichtigung der Erziehungsfähigkeit und Bindungstoleranz, der Bindung des Kindes an beide Elternteile, dem Kindeswillen und dem Kontinuitätsgrundsatz sei dem Vater entsprechend der Empfehlung der Sachverständigen das Sorgerecht zu übertragen. Das Gericht schließe sich dabei den Ausführungen der Sachverständigen auch insoweit an, wie es von den Eltern in verschiedenen Anhörungsterminen, aufgrund der Kindesanhörung, den Ermittlungen des Jugendamtes und der Stellungnahme der Verfahrensbeistände sowie des in einem Parallelverfahren erstellten Glaubwürdigkeitsgutachtens einen persönlichen Eindruck gewonnen habe.

 

Gegen den Beschluss vom 9. Dezember 2015 (Befangenheit) legte die Beschwerdeführerin Beschwerde ein und führte aus, die Sachverständige habe die Grenzen freier Gutachtertätigkeit überschritten, indem sie zu Lasten der Beschwerdeführerin von unzutreffenden Befundtatsachen ausgegangen sei und ihr auf diese Weise Schaden zugefügt habe. Auch gegen den Beschluss vom 10. Dezember 2015 (Sorgerecht) legte die Beschwerdeführerin Beschwerde ein. Das Gericht habe formelles Recht zu ihren Lasten verletzt. Sie habe nicht ausreichend Zeit gehabt, sich zu dem Sachverständigengutachten zu äußern, so dass das Gericht rechtliches Gehör verletzt habe. Wegen der Ablehnung der Sachverständigen hätte das Gericht zudem in der Sache nicht entscheiden und sich dabei maßgeblich auf das Gutachten stützen dürfen.

 

Mit Beschluss vom 6. Mai 2016 wies das BbgOLG die sofortige Beschwerde gegen die Behandlung des Ablehnungsgesuchs als unbegründet zurück. Von einer willkürlichen Behandlung der Angelegenheit durch die Sachverständige könne keine Rede sein. Anhaltspunkte, die Sachverständige habe der Beschwerdeführerin das Ergebnis der Begutachtung vorenthalten wollen, seien weder glaubhaft gemacht noch sonst ersichtlich. Dass sie auf eine erwartete Gefahr für das Kindeswohl im Falle einer psychischen Dekompensation der Beschwerdeführerin hingewiesen habe, lasse den Schluss auf eine Voreingenommenheit nicht zu. Vermeintliche fachliche Mängel des Gutachtens rechtfertigten die Besorgnis der Befangenheit von vornherein nicht. Dies betreffe auch die von der Beschwerdeführerin angeführten Widersprüche sowie die von ihr für nicht fachgerecht gehaltene Wertung, die Beschwerdeführerin zeige Anzeichen einer psychotischen Störung. Letztlich gelte dies auch für den Vorwurf, die Sachverständige habe ohne einen Hinweis auf sexuellen Missbrauch des Kindes den Verdacht geäußert, die Nichtbeachtung von Körpergrenzen durch die Mutter werfe die Frage auf, ob das mütterliche Verhalten sexuell missbräuchlich sein könnte. Schließlich sei auch der Vorwurf, die Ausführungen im Gutachten seien in der Absicht erfolgt, das Amtsgericht zu veranlassen, den Beschluss über die Aufenthaltsbestimmung sofort wirksam werden zu lassen, bevor sie, die Beschwerdeführerin, Gelegenheit gehabt habe, das Gutachten zur Kenntnis zu nehmen, nicht geeignet, eine Befangenheit der Sachverständigen zu begründen. Diese habe nachvollziehbar eine erhebliche Kindeswohlgefährdung angenommen. Eine Benachteiligungsabsicht sei weder vorgetragen noch auf Grundlage des Gutachtens ersichtlich.

 

Am 7. Juni 2016 beantragte die Beschwerdeführerin die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen. Aufgrund einer nichtöffentlichen Sitzung vom 21. Juni 2016 wies das BbgOLG mit Beschluss vom 15. Juli 2016 die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 10. Dezember 2015 als unbegründet zurück. Das Amtsgericht habe zu Recht die elterliche Sorge auf den Kindesvater übertragen. Eine Übertragung auf die Beschwerdeführerin komme nicht in Betracht.

 

Das Kindeswohl lasse eine gemeinsame Sorge der Eltern nicht zu, da es an einer tragfähigen sozialen Beziehung und in den wesentlichen Sorgerechtsbereichen an einem Mindestmaß an Übereinstimmung fehle. Es bestehe ein tiefgreifendes Zerwürfnis zwischen den Eltern. Dem Kindeswohl entspreche es am besten, die elterliche Sorge auf den Kindesvater zu übertragen. Der Kontinuitätsgrundsatz spreche für den Vater. Das Kind sei gleichermaßen an Mutter und Vater gebunden, habe sich allerdings für einen Verbleib beim Vater ausgesprochen. Hinsichtlich der Erziehungsfähigkeit bestehe ein deutlicher Vorrang des Kindesvaters. Die Beschwerdeführerin habe erzieherische Kompetenz beim Umgang mit den Ängsten des Kindes vermissen lassen. Sie könne sich nicht in das kindliche Erleben einfühlen. Die von der Beschwerdeführerin beschriebenen massiven psychischen und physischen Belastungen des Kindes seien nach den Schilderungen der Sachverständigen auf die Einschränkungen in ihrer Erziehungsfähigkeit zurückzuführen. Die Beschwerdeführerin habe das Kind für sich vereinnahmt, vom Vater fernhalten wollen und damit eine seelische Kindeswohlgefährdung herbeigeführt. Demgegenüber habe sich der Vater bindungstolerant verhalten. Durchgreifende Bedenken gegen die Begründung, innere Logik und Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens bestünden nicht, so dass es der Entscheidungsfindung zugrunde gelegt werden könne. Die von der Beschwerdeführerin angeführte unrichtige Tatsachendarstellung durch die Sachverständige liege nicht vor, die Rüge methodischer Mängel greife nicht durch, da die Beschwerdeführerin weder auf die konkret anzulegenden Maßstäbe eingehe, noch darlege, wie die Sachverständige richtigerweise hätte vorgehen müssen. Eine Zielorientierung zum Nachteil der Beschwerdeführerin oder eine suggestive Fragestellung im Rahmen der Gutachtenerstellung sei nicht erkennbar.

 

Den Antrag der Beschwerdeführerin, das Verfahren nach § 44 FamFG fortzuführen, da das Gericht rechtliches Gehör verletzt habe, indem es das Gutachten der Sachverständigen seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe, wies das BbgOLG mit Beschluss vom 22. August 2016 als unbegründet zurück. Rechtliches Gehör sei nicht verletzt. Die Beteiligten hätten im Termin am 21. Juni 2016 ausreichend Gelegenheit gehabt, sich zur Sach- und Rechtslage zu äußern. Ein vorheriger Hinweis, dass das Gericht beabsichtigte, das Sachverständigengutachten bei der Entscheidungsfindung heranzuziehen, sei nicht geboten gewesen. Bereits durch die Ladung der Sachverständigen zum Termin hätte der Beschwerdeführerin klar sein müssen, dass das Gutachten berücksichtigt werden würde. Entscheidungserheblicher Vortrag der Beschwerdeführerin sei auch nicht unter Missachtung des Prozessrechts außer Betracht geblieben. Der Beschluss wurde der Beschwerdeführerin am 30. August 2016 zugestellt.

 

II.

Am 27. Oktober 2016 hat die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs und des Erziehungsrechts der Eltern. Das BbgOLG sei verpflichtet gewesen, die Beschwerdeführerin darauf hinzuweisen, dass das von ihr für mangelhaft gehaltene Sachverständigengutachten trotz des Antrages, einen anderen Sachverständigen zu beauftragen, der Entscheidungsfindung zugrunde gelegt werden würde. Das Gutachten sei von zentraler Bedeutung für das Verfahren gewesen und die Sachverständige habe auf die von der Beschwerdeführerin in der Anhörung aufgeworfenen Fragen keine zufriedenstellende Antwort erhalten. Wenn das Gericht demgegenüber meine, die offenen Fragen für nicht entscheidungserheblich zu halten und ohne entsprechende Aufklärung entscheiden zu können, so müsse sich eine Hinweispflicht aufdrängen. Das Erziehungsrecht der Beschwerdeführerin sei dadurch verletzt, dass das Gericht ein unverwertbares Sachverständigengutachten herangezogen habe. Das Gutachten leide unter schweren fachlichen Mängeln und enthalte eine Reihe unrichtiger Tatsachenbehauptungen. Dem Duktus sei zu entnehmen, dass die Sachverständige sich in persönliche Vorbehalte gegenüber der Beschwerdeführerin hineingesteigert habe. Die Sachverständige habe zudem die psychische Erkrankung des Kindesvaters, die für die Erziehungsfähigkeit von erheblicher Bedeutung gewesen sei, weitgehend unbetrachtet gelassen. Demgegenüber habe sie es unterlassen, die unterstellte Persönlichkeitsstörung der Beschwerdeführerin näher zu untersuchen.

 

III.

Der Vater hat Gelegenheit erhalten, zu der Verfassungsbeschwerde Stellung zu nehmen.

 

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

 

I.

1. Sie ist bereits insoweit unzulässig, wie die Beschwerdeführerin sich damit gegen den Beschluss des BbgOLG vom 22. August 2016 wendet, mit dem die Anhörungsrüge als unbegründet zurückgewiesen worden ist. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichts, dass Anhörungsrügen zurückweisende gerichtliche Entscheidungen mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht selbständig mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden können, weil sie keine eigenständige Beschwer schaffen. Sie lassen allenfalls mit der Ausgangsentscheidung bereits eingetretene Verletzungen des rechtlichen Gehörs fortbestehen, indem eine Selbstkorrektur durch das Fachgericht unterbleibt. Ein schutzwürdiges Interesse an einer - zusätzlichen - verfassungsgerichtlichen Überprüfung der Gehörsrügeentscheidung besteht nicht (vgl. Beschlüsse vom 9. Oktober 2015 - VfGBbg 39/15 -, vom 12. Dezember 2014 - VfGBbg 23/14 - und vom 15. Juli 2011 - VfGBbg 10/11 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).

 

2. Im Übrigen genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den Begründungsanforderungen aus § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg). Auf der Grundlage des maßgeblichen Vorbringens ist nicht erkennbar, dass die Beschwerdeführerin durch die angegriffene Gerichtsentscheidung in den von ihr benannten Grundrechten verletzt sein könnte. Eine § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg genügende Begründung der Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass die Rechtsverletzung substantiiert und schlüssig dargelegt wird. Zu erwarten ist ein geordneter und substantiierter Vortrag. Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde hat sich der Beschwerdeführer mit dieser inhaltlich auseinander zu setzen. Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (st. Rspr., vgl. nur Beschluss vom 25. Mai 2015 - VfGBbg 32/14 -; zum Bundesrecht vgl. BVerfGE 130, 1, 21, m. w. Nachw.). Dabei ist es nicht Aufgabe des Verfassungsgerichts, die angegriffene gutachterliche Einschätzung allgemein auf ihre materielle und verfahrensrechtliche Richtigkeit zu überprüfen und sich in dieser Weise an die Stelle der Fachgerichte zu setzen. Eine Überprüfung erfolgt vielmehr allein am Maßstab der Landesverfassung darauf, ob eine gerichtliche Entscheidung hierin gewährte Rechte verletzt.

 

a. Daran gemessen hat die Beschwerdeführerin einen Verstoß gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör nicht hinreichend dargetan. Art. 52 Abs. 3 LV verlangt, dass einer gerichtlichen Entscheidung nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen Stellung zu nehmen den Beteiligten Gelegenheit gegeben war. Der Anspruch auf rechtliches Gehör bedeutet ferner, dass das entscheidende Gericht durch die mit dem Verfahren befassten Richter die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen muss (vgl. zum Bundesrecht BVerfG, Beschluss vom 15. Februar 2017 - 2 BvR 395/16 -, www.bverfg.de Rn. 4, m. w. Nachw.).

 

Der von der Beschwerdeführerin für notwendig erachtete Hinweis des Gerichts, es beabsichtige das Ergebnis des von der Beschwerdeführerin für mangelhaft gehaltenen Sachverständigengutachtens seiner Entscheidung zugrunde zu legen, war auch im Hinblick auf die Gewährung rechtlichen Gehörs verfassungsrechtlich nicht geboten. Art. 52 Abs. 3 LV vermittelt keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Gerichts.

 

Nach dem Verlauf des Rechtsstreits, insbesondere der Zurückweisung der Beschwerde zum Ablehnungsgesuch der Beschwerdeführerin gegen die Sachverständige durch den Beschluss des BbgOLG vom 6. Mai 2016 und der Anhörung der Sachverständigen im Rahmen der mündlichen Verhandlung, musste sich der Beschwerdeführerin geradezu aufdrängen, dass sich das Gericht den von ihr geäußerten Bedenken gegen eine Verwertbarkeit des Gutachtens nicht angeschlossen hat und eine weitergehende Beweisaufnahme nicht vornehmen werde. Zwar hatte die Beschwerdeführerin mit Hinweis auf ein vermeintlich ungenügendes Sachverständigengutachten i. S. v. § 412 Abs. 1 ZPO eine erneute Beweisaufnahme angeregt; aus der Tatsache, dass das Gericht gleichwohl einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt hatte, war zu schließen, dass das Gericht diese Voraussetzungen nicht für gegeben hielt. Eines weiteren Hinweises bedurfte es vor diesem Hintergrund nicht, zumal das Gericht damit dem von der Beschwerdeführerin selbst gestellten Hilfsantrag nachgekommen ist. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, die Sachverständige habe in der Anhörung die von ihr aufgeworfenen Fragen nicht zufriedenstellend beantwortet, ist rechtliches Gehör nicht verletzt. Das Gehörsgrundrecht schützt die Verfahrensbeteiligten nicht davor, dass das Gericht ihre Rechtsauffassungen und rechtlichen Beurteilungen nicht teilt (st. Rspr., vgl. zuletzt Beschluss vom 20. Februar 2015 - VfGBbg 44/14 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).

 

b. Der Vortrag der Beschwerdeführerin lässt auch eine mögliche Verletzung ihres Erziehungsgrundrechts nicht erkennen. Das Recht der elterlichen Sorge steht unter dem Schutz des Art. 27 Abs. 2 LV, der inhaltsgleich mit Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz (GG) das Freiheitsrecht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder verfassungsrechtlich gewährleistet (Beschlüsse vom 12. Dezember 2014 - VfGBbg 23/14 -, und 21. Oktober 2011 - VfGBbg 35/11 -, www.verfassungs-gericht.brandenburg.de). Das Freiheitsrecht dient in erster Linie dem Kindeswohl, das zugleich oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung ist (vgl. Beschluss vom 24. Januar 2014 - VfGBbg 13/13 -, www.verfassungsgericht.branden-burg.de; zum Bundesrecht vgl. BVerfGE 61, 358, 371 f.; 75, 201, 218 f; BVerfGK 15, 509, 514). Sofern die Voraussetzungen für eine gemeinsame Wahrnehmung der Sorge fehlen, enthält § 1671 BGB eine gesetzliche Ausgestaltung des Elternrechts. Danach ist einem Elternteil auf Antrag die elterliche Sorge allein zu übertragen, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1671 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 2 BGB). Eine dem Elternrecht genügende Entscheidung kann nur aufgrund der Abwägung aller Umstände des Einzelfalls getroffen werden, bei der zu berücksichtigen ist, dass die Abwägung nicht an einer Sanktion des Fehlverhaltens eines Elternteils, sondern vorrangig am Kindeswohl zu orientieren ist (statt vieler: BVerfGK 15, 509, 514 m. w. Nachw.). Steht - wie hier - fest, dass die gemeinsame elterliche Sorge nicht (mehr) im Interesse des Kindeswohls ist, spielen für die vom Familiengericht vorzunehmende Abwägung die Erziehungseignung der Eltern, die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens eine maßgebliche Rolle, wobei die Kriterien im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Frage sein können, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht (BGH NJW 2010, 2805, 2806; Palandt/Götz, BGB, 73. Aufl., § 1671 Rn. 26 ff).

 

Insoweit geht die Verfassungsbeschwerde bereits von einem unzutreffenden Prüfungsmaßstab aus. Fehlt es an einem auf die Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts bezogenen Einvernehmen der Eltern (vgl. auch § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB), bleibt es in erster Linie den Familiengerichten vorbehalten zu beurteilen, inwieweit die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf einen Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB). Die Aufgabe des Verfassungsgerichts beschränkt sich hier grundsätzlich darauf zu prüfen, ob die Fachgerichte eine auf das Wohl des Kindes ausgerichtete Entscheidung getroffen (vgl. BVerfGE 55, 171, 179) und dabei die Tragweite der Grundrechte aller Beteiligten nicht grundlegend verkannt haben. In diesem Prüfungsmaßstab spiegelt sich wider, dass der Staat bei der Entscheidung darüber, wie die elterliche Sorge nach der Trennung der Eltern zwischen ihnen zu regeln ist, überhaupt nur auf Veranlassung mindestens eines Elternteils und lediglich vermittelnd zwischen den Eltern, nicht jedoch wie bei der Entziehung des Sorgerechts wegen einer Kindeswohlgefährdung von Amts wegen und von außen eingreifend, tätig wird (vgl. für Umgangsregelungen BVerfGE 31, 194, 210 f). Der in der vollständigen oder teilweisen Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge auf der Grundlage von § 1671 BGB liegende Eingriff in das Elternrecht des einen Elternteils ist letztlich nur die Kehrseite davon, dass die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl nicht gleichermaßen entspräche und dass es sich deswegen nicht vermeiden lässt, dass beide Elternteile nicht einen gleichen Kontakt und eine gleiche Zuwendung zu den Kindern entfalten können (vgl. BVerfGE 99, 145, 164; zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 16. April 2014 - 1 BvR 3360/13 -, Rn. 8, Juris).

 

Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass die angegriffene Entscheidung gegen das Elterngrundrecht der Beschwerdeführerin verstößt. Es ist nicht hinreichend dargetan, dass es aus grundrechtlicher Perspektive geboten gewesen wäre, in dem Sorgerechtsstreit unter dem Blickwinkel des Kindeswohls anders zu entscheiden. Das Oberlandesgericht hat nachvollziehbar und ohne Verfassungsverstoß dargelegt, aus welchen Gründen der Vater gegenüber der Beschwerdeführerin eine bessere Erziehungsfähigkeit aufweist und warum es dem Kindeswohl am besten entspricht, wenn diesem das alleinige Sorgerecht übertragen wird.

 

Soweit die Beschwerdeführerin zur Begründung ausführt, die Entscheidung des BbgOLG unterliege wegen des besonderen Eingriffsgewichts einer strengen verfassungsgerichtlichen Überprüfung, die sich nicht darauf beschränke, ob die angegriffene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts beruhen, sondern die auch auf einzelne Auslegungsfehler sowie auf deutliche Fehler bei der Feststellung und Würdigung des Sachverhalts erstreckt sei (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 27. April 2017 - 1 BvR 563/17 -, Rn. 18, m w. N., www.bverfg.de), geht diese Annahme fehl. Diese Anforderungen sind nur bei teilweiser oder vollständiger Entziehung des Sorgerechts zu beachten, die mit einer Trennung des Kindes von seinen Eltern einhergeht (vgl. auch Beschluss vom 24. Januar 2014 - VfGBbg 13/13 - www.verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfG, Beschluss vom 16. April 2014, a.a.O.). Familiengerichtliche Entscheidungen, die eine gemeinsame elterliche Sorge zum Gegenstand haben, sind im Wesentlichen daran zu messen, ob sie einer Willkürkontrolle Stand halten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. November 1993 - 1 BvR 1045/13 -, Rn. 14; vom 16. April 2014 - 1 BvR 3360/13 -, Rn. 8; vom 4. August 2015 - 1 BvR 1388/15 -, Rn. 9, vom 7. Juni 2016 - 1 BvR 519/16 -, Rn. 3, alle bei Juris). Auch ist nicht aufgezeigt, dass das BbgOLG die Anforderungen verletzt hat, die das Elternrecht an die Gestaltung des gerichtlichen Verfahrens stellt. Insbesondere ist aus den bereits oben genannten Gründen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Gericht die Einschätzung der Sachverständigen bei seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat.

 

II.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dresen Dr. Fuchsloch
   
Dr. Lammer Nitsche