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VerfGBbg, Beschluss vom 15. September 2005 - VfGBbg 21/03 -

 

Verfahrensart: Kommunalverfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 97; LV, Art. 98 Abs. 1
Schlagworte: - kommunale Selbstverwaltung
- Gemeindegebietsreform
- Verhältnismäßigkeit
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 15. September 2005 - VfGBbg 21/03 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 21/03



IM NAMEN DES VOLKES

 
B E S C H L U S S
In dem kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren

Gemeinde Kreuzbruch,
vertreten durch das Amt Liebenwalde,
dieses vertreten durch den Amtsdirektor,
Marktplatz 20,
16559 Liebenwalde,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwälte G., L. u.a.,

wegen: kommunale Neugliederung;
hier: Eingemeindung der Gemeinde Kreuzbruch (Amt Liebenwalde) in die Stadt Liebenwalde

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Weisberg-Schwarz, Prof. Dawin, Prof. Dr. Dombert, Havemann, Dr. Jegutidse, Dr. Knippel und Prof. Dr. Schröder  

am 15. September 2005

b e s c h l o s s e n :

Die kommunale Verfassungsbeschwerde wird teils verworfen, im übrigen zurückgewiesen.


G r ü n d e:

A.

Die Beschwerdeführerin, eine bisher dem Amt Liebenwalde angehörende Gemeinde, wehrt sich gegen ihre Auflösung durch Eingliederung in die Stadt Liebenwalde.

I.

1. Die Beschwerdeführerin liegt ca. 5 km südlich des Zentrums der Stadt Liebenwalde im Landkreis Oberhavel. Sie ist mit 46 km² die nach der Fläche größte aber mit ca. 190 Einwohnern kleinste Gemeinde des bisherigen Amtes Liebenwalde. Die Besiedelungsdichte des Amtsgebietes liegt mit 33,6 Einwohnern/km² unter dem Durchschnitt der Ämter im äußeren Entwicklungsraum (49,5 Einwohner/km²). Die Beschwerdeführerin ist eine sogenannte Streuhofsiedlung mit zahlreichen Einzelgehöften im Außenbereich. Nach der vertraglichen Eingliederung aller anderen bislang diesem Amt angehörigen Gemeinden sowie der ca. 300 Einwohner zählenden Gemeinde Freienhagen des bisherigen Amtes Oranienburg-Land in die neu gebildete Stadt Liebenwalde zum 26. Oktober 2003 lebten dort ca. 4.200 Einwohner. Die Beschwerdeführerin grenzt im Westen an die bis zum 26. Oktober 2003 dem Amt Oranienburg-Land angehörenden, nach dessen vertraglicher Auflösung in die Stadt Oranienburg eingegliederten Gemeinden Schmachtenhagen und Zehlendorf. Im Osten und Süden liegen Gemeinden des Landkreises Barnim. Der Bereich ist durch größere Wald- und Feuchtgebiete sowie die Havel und mehrere Kanäle geprägt. Die Beschwerdeführerin erhob seit dem Jahr 1998 keine Grund- und Gewerbesteuern. Mehr als 20 Gewerbebetriebe haben ihre Verwaltungen in der Gemeinde angesiedelt. Durch hohe Miet- und Pachteinnahmen verfügt die Beschwerdeführerin über einen ausgeglichenen Haushalt und Rücklagen. Investitionen wurden zeitweise nicht bzw. in vergleichsweise geringem Umfang getätigt. Die neugebildete Stadt Liebenwalde ist erheblich verschuldet, aber die eingegliederte Gemeinde Neuholland beeinflußt die wirtschaftliche Entwicklung positiv.

2. Anfang Mai 2002 versandte das Ministerium des Innern Unterlagen für eine Anhörung der Beschwerdeführerin zu der beabsichtigten kommunalen Neugliederung mit der Gelegenheit zur Stellungnahme. In den ersten beiden Maiwochen wurden auch die Anhörungsunterlagen für die Anhörung der Bevölkerung an den Landrat des Landkreises Oberhavel versandt. Für die Anhörung der Bürger stand ein Monat zur Verfügung. Die Anhörung sollte vor dem Ende der Gemeindeanhörung abgeschlossen sein.

3. Im September/Oktober desselben Jahres brachte die Landesregierung sechs Gesetzentwürfe zur landesweiten Gemeindegebietsreform in den Landtag ein. § 15 des Entwurfes zum Fünften Gesetz zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die Landkreise Barnim, Märkisch-Oderland, Oberhavel, Ostprignitz-Ruppin, Prignitz, Uckermark (5. GemGebRefGBbg) sah die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Liebenwalde vor. Der Innenausschuß des Landtages, an den die Gesetzentwürfe nach der ersten Lesung verwiesen worden waren, führte am 23. Oktober 2002 vorab eine Anhörung zu grundsätzlichen Fragen durch. Zur Anhörung der Beschwerdeführerin vor dem Innenausschuß am 09. Januar 2003 wurde deren ehrenamtlicher Bürgermeister geladen. Das Gesetz wurde sodann im Frühjahr 2003 vom Landtag verabschiedet. Der in der Paragraphenzählung geänderte und infolge zwischenzeitlicher vertraglicher, dem Gesetzentwurf entsprechender Regelungen gekürzte § 14 des 5. GemGebRefGBbg vom 24. März 2003 (GVBl. I S. 82), am Tag der landesweiten Kommunalwahlen (26. Oktober 2003) in Kraft getreten (s. § 48 Satz 1 des 5. GemGebRefGBbg), lautet:
 

§ 14  

Stadt Oranienburg, Gemeinde Löwenberger Land und Verwaltungseinheiten Ämter Oranienburg-Land und Liebenwalde

(1) Die Gemeinde Kreuzbruch wird in die zum Tag der nächsten landesweiten Kommunalwahlen neu gebildete Stadt Liebenwalde eingegliedert.

(2) Das Amt Liebenwalde wird aufgelöst. Die Stadt Liebenwalde ist amtsfrei.

Zugleich regelt § 46 des 5. GemGebRefG eine gesetzliche Bestätigung aller in der Zeit zwischen dem 03. Oktober 1990 und dem 20. Februar 2003 form- bzw. verfahrensfehlerhaft abgeschlossenen Verträge zur Änderung der Gemeindegebiete bzw. zur Bildung, Änderung oder Auflösung von Ämtern. § 46 Abs. 3 des 5. GemGebRefG benennt die vor dem 26. Oktober 2003 existenten Gemeinden und Ämter.

II.

Die Beschwerdeführerin hat am 02. Mai 2003 kommunale Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie macht geltend, die Bevölkerungsanhörung sei fehlerhaft gewesen. Mangels sondergesetzlicher Bestimmungen hätten öffentliche Bekanntmachungen zur Anhörung, anders als geschehen, jedenfalls den Anforderungen der für kommunale Satzungen geltenden Bekanntmachungsverordnung, der Gemeindeordnung und der Hauptsatzung der Beschwerdeführerin genügen müssen. Die Einwohner der Gemeinde Freienhagen des Nachbaramtes Oranienburg-Land seien lediglich zu ihrer Eingliederung in das Amt Liebenwalde und nicht zu ihrer vertraglichen Eingemeindung in die Stadt Liebenwalde angehört worden.

Der Gesetzgeber habe den Sachverhalt nur fehlerhaft ermittelt. Auf welcher Grundlage der Gesetzgeber die vermeintlichen Gewerbesteuerausfälle angenommen habe, sei nicht dargelegt. Auch die Bevölkerungsentwicklung sei nur mangelhaft ermittelt worden. Es sei nicht ersichtlich, daß dem Gesetzgeber nach der Anhörung eine überarbeitete Begründung des Gesetzentwurfs vorgelegt worden sei. Die fehlerhafte Sachverhaltsermittlung habe zu Abwägungsfehlern geführt.

Gründe des öffentlichen Wohls für die Eingemeindung der Beschwerdeführerin nach Liebenwalde lägen nicht vor. Der Gesetzgeber habe sein eigenes Reformleitbild, wonach im äußeren Entwicklungsraum nur in bestimmten Fällen amtsfreie Gemeinden gebildet werden sollen, konsequent ignoriert. Er habe die Alternative des Erhalts eines Amtes nicht einzelfallbezogen abgewogen, zumal er eine Zentralort-Umland-Verflechtung nicht habe feststellen können. Die schematische Anwendung der Sollgröße amtsangehöriger Gemeinden von 500 Einwohnern auf die Beschwerdeführerin kollidiere mit den Maßgaben des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg. Der Gesetzgeber habe die relativ hohe Wirtschaftskraft der Beschwerdeführerin als Besonderheit zwar anerkannt, aber mit teilweise unzutreffenden Ausführungen zu relativieren versucht. Daß die konkrete Planung für ein neues Gewerbegebiet angelaufen sei, habe die Gesetzesbegründung unterschlagen. Die Praxis der Beschwerdeführerin, keine Grund- und Gewerbesteuern zu erheben, dürfe ihr der Gesetzgeber nicht vorhalten. Es sei nicht auszuschließen, daß Gewerbetreibende, die ihre Niederlassung gezielt auf dem Gebiet der Beschwerdeführerin angemeldet hätten, bei einer Änderung der Hebesatzpolitik der Beschwerdeführerin nicht nur die Gemeinde, sondern auch das Land Brandenburg verlassen würden. Die Nivellierung der wirtschaftlichen und finanziellen Situation der Gemeinden sei kein legitimes Ziel einer Gemeindegebietsreform. Für den Erhalt der Selbständigkeit der Beschwerdeführerin spreche die Identifizierung der Bürger mit ihrer historisch gewachsenen Siedlungseinheit. Es habe stets genügend Bewerber für kommunalpolitische Mandate gegeben. Derzeit aktive Mandatsträger würden sich im Falle der gesetzlichen Neugliederung zurückziehen. Die Möglichkeiten der neuen Ortsteilverfassung nach der Gemeindeordnung seien unzureichend. Die Beschwerdeführerin sei finanziell gesund. Es stehe zu befürchten, daß die fehlende zentrale Abwasserbeseitigung nach der Eingemeindung wegen der dann im Durchschnitt geringeren Finanzkraft der neugebildeten Selbstverwaltungseinheit wohl noch längere Zeit nicht hergestellt werden könne. Der Gesetzgeber verkenne generell das Spannungsverhältnis von Bürgernähe und Verwaltungseffizienz. Die Gebietsreform könne nicht beiden Aspekten gleichermaßen dienen.

Neugliederungsalternativen hinsichtlich der an das bisherige Amt angrenzenden örtlichen Strukturen seien nicht beachtet worden. Das Innenministerium habe die Genehmigung der vertraglichen Gemeindezusammenschlüsse versagen können und müssen, weil dadurch entgegen Bestimmungen der Gemeindeordnung die Verwaltungskraft der Ämter Oranienburg-Land und Liebenwalde gefährdet worden sei. Außerdem habe noch eine Auseinandersetzungsvereinbarung gemäß §§ 32, 33 des 5. GemGebRefG zur Auflösung des Amtes Oranienburg-Land gefehlt. Gebietsänderungsverträge der Gemeinden des Amtes Liebenwalde hätten in den betroffenen Gemeinden einschließlich der Beschwerdeführerin schon vor der Beschlußfassung des Innenausschusses über die Eingliederung der Beschwerdeführerin öffentlich bekanntgemacht werden müssen. Diese gravierenden materiellen und formellen Rechtsverstöße habe der Gesetzgeber nicht einfach rückwirkend durch § 46 des 5. GemGebRefG für unbeachtlich erklären dürfen; ein solches Vorgehen sei rechtsstaatswidrig und verstoße gegen das interkommunale Gleichbehandlungsgebot.

Die Beschwerdeführerin beantragt festzustellen:

§ 14 und § 46 des Fünften Gemeindegebietsreformgesetzes Brandenburg sind mit der Verfassung des Landes Brandenburg unvereinbar und nichtig.

III.

Der Landtag Brandenburg, die Landesregierung, der Städte- und Gemeindebund Brandenburg sowie die Stadt Liebenwalde hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Der Landtag und die Landesregierung verteidigen die beanstandeten gesetzlichen Regelungen. Die Bevölkerung sei ordnungsgemäß angehört worden. Überdies könnten einfachrechtliche Fehler nicht zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelungen führen. Sie machen insbesondere geltend, die Landesverfassung enthalte keine Bestandsgarantie für die einzelne Gemeinde. Es lägen Gründe des öffentlichen Wohls vor, die die gesetzliche Gebietsänderung rechtfertigten. Hauptziele der Reform seien die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Kommunalverwaltungen und der demokratisch-politischen Gestaltungskraft der Gemeinden. Die Bildung größerer Gemeinden könne dazu beitragen. Unterschiede der finanziellen Leistungskraft auszugleichen sei ein legitimes Gemeinwohlziel. Einen relativen Vorrang der Amtsverfassung gegenüber amtsfreien Einheitsgemeinden habe der Gesetzgeber mit seinem Leitbild nicht vorgesehen. Der Gesetzgeber habe sich leitbildgerecht für die Eingliederung der Beschwerdeführerin entscheiden. Wenngleich die Stadt Liebenwalde nach dem Regionalplan nur als ein Grundzentrum ausgewiesen sei, stelle sie doch einen Kristallisationskern innerhalb des Amtsgebietes dar, der für die von allen amtsangehörigen Gemeinden - mit Ausnahme der Beschwerdeführerin - erstrebte Eingliederung spreche. Die innerhalb des Amtes gewachsenen Verflechtungen und Synergien würden erhalten und verstärkt. Der ebenfalls leitbildgerechten Schaffung eines größeren Amtes durch Zusammenschluß mit Gemeinden des Amtes Oranienburg-Land habe der in Verträgen manifestierte einhellige Wille aller Gemeinden auch dieses Amtes sowie der Stadt Oranienburg entgegengestanden. Der Gesetzgeber habe sich daher nicht für die allein von der Beschwerdeführerin begehrte Neugliederung zu entscheiden brauchen. Er habe auch berücksichtigt, daß die auf eine anfechtbare Hebesatzpolitik der Beschwerdeführerin gestützte Finanzsituation angesichts der außerordentlich geringen Gemeindegröße nicht unbedingt eine zukunftsträchtige Selbstverwaltung garantiere. Die Genehmigungen der Gebietsänderungsverträge habe die Beschwerdeführerin vor den Verwaltungsgerichten nicht angegriffen und bestandskräftig werden lassen. Im verfassungsgerichtlichen Verfahren könne sie dagegen nicht vorgehen. Die Heilungsvorschrift des § 46 des 5.GemGebRefG betreffe allein formelle bzw. Verfahrensfehler. Soweit die Beschwerdeführerin materielle Fehler rüge, gehe dies von vorn herein fehl. Zudem sei fraglich, ob sie insoweit in ihrem Selbstverwaltungsrecht betroffen sei. Die beanstandeten Bekanntmachungen seien überdies gesetzmäßig vorgenommen worden. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der kommunalen Gleichbehandlung liege nicht vor. Die Fehlerfolgenregelung betreffe freiwillige Gemeindenzusammenschlüsse und entspreche dem Willen der von der Neuregelung unmittelbar Betroffenen. Demgegenüber regelten die gesetzlichen Eingliederungen solche Fälle, in denen ein ausreichender Konsens nicht zustande gekommen sei.
 

B.

Die kommunale Verfassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
 

I.

Sie ist nur in begrenztem Umfang zulässig.

1. Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist insofern unzulässig, als sie sich auch gegen die (hier in § 14 Abs. 2 des 5. GemGebRefGBbg bestimmte) Auflösung des bisherigen Amtes Liebenwalde richtet. Insoweit ist die Beschwerdeführerin nicht beschwerdebefugt. Eine amtsangehörige Gemeinde kann nach der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichtes, die entsprechend der (bloßen) verwaltungsmäßigen Hilfsfunktion des - wie auch immer zustandegekommenen bisherigen - Amtes für jedwede spätere Änderung der Amtszuordnung zu gelten hat, lediglich beanspruchen, daß ihr überhaupt eine geeignete (Amts-)Verwaltung, nicht aber, daß sie ihr in der bisherigen Form und in dem bisherigen Zuschnitt zur Verfügung steht (Beschluß vom 16. Mai 2002 - VfGBbg 57/01 -, LKV 2002, 515 sowie Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 13, S. 116 = LKV 2002, 573, 574). Soweit sich die kommunale Verfassungsbeschwerde einer amtsangehörigen Gemeinde als begründet erweist und sie (folglich) als amtsangehörige Gemeinde fortbesteht, hat das Land dafür zu sorgen, daß ihr eine Verwaltung – durch Zuordnung zu einem Amt oder Bildung eines neuen Amtes, notfalls auch unter Wiederbelebung der früheren Amtsmodelle 2 oder 3 - zur Verfügung steht. Festhalten an dem einmal gefundenen Zuschnitt der Amtsverwaltung kann die einzelne Gemeinde das Land aber grundsätzlich nicht.

Dies gilt ebenso, wenn durch Gesetz ein anderes Amt, etwa das Nachbaramt Oranienburg-Land, aufgelöst würde bzw. für den Fall der gesetzlichen Eingliederung auch anderer Gemeinden in die Stadt Liebenwalde oder die Stadt Oranienburg. Auch dann fehlt die Beschwerdebefugnis (vgl. u.a. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteile vom 29. August 2002, a.a.O. und vom 26. August 2004 - VfGBbg 230/03 [Groß Machnow]; Beschluß vom 10. März 2005 - VfGBbg 225/03 - [Bredow]). Besondere Umstände, durch die das Schicksal der Beschwerdeführerin mit dem ihrer Nachbarn derart verknüpft ist, daß die eigene kommunale Selbstverwaltung von dem Bestand und der Zuordnung eines bestimmten oder mehrerer bestimmter Nachbarn abhängt, hat die Beschwerdeführerin weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.

Nicht anders verhält es sich, wenn der Gesetzgeber dementsprechende vertragliche Regelungen durch § 46 des 5. GemGebRefG bestätigt, indem er formell-rechtliche Verstöße gegen einfaches Gesetzes- oder Verordnungsrecht heilt.

2. Im übrigen ist die kommunale Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin gemäß Art. 100 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), §§ 12 Nr. 5, 51 Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere ist die Beschwerdeführerin ungeachtet des zwischenzeitlichen Inkrafttretens der Neuregelung beteiligtenfähig. Eine Gemeinde gilt nach feststehender Rechtsprechung für die Dauer des gegen ihre Auflösung gerichteten Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahrens als fortbestehend.

II.

Die kommunale Verfassungsbeschwerde erweist sich aber in der Sache selbst als unbegründet. Die Auflösung von Gemeinden durch den Staat ist, wie sich unmittelbar aus Art. 98 Abs. 1 und 2 LV ergibt, nicht von vornherein ausgeschlossen. Die dafür nach Art. 98 Abs. 1 sowie Abs. 2 LV gezogenen Grenzen sind hier nicht verletzt.

1. Die nach der Landesverfassung geltenden Anhörungserfordernisse sind eingehalten worden. Im Hinblick auf die insoweit in einer Vielzahl von Verfahren im wesentlichen gleichlautend vorgebrachten Einwände wird auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes (vgl. u.a. Urteil vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, LVerfGE 14, 203, und zuletzt ausführlich Beschluß vom 16. September 2004 - VfGBbg 118/03 - www.verfassungsgericht.brandenburg.de) Bezug genommen.

Ob die Einwohner der Gemeinde Freienhagen des Nachbaramtes Oranienburg-Land nicht ordnungsgemäß angehört worden sind, kann dahinstehen, weil die Beschwerdeführerin insoweit bereits nicht beschwerdebefugt ist

2. Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die neu gebildete Stadt Liebenwalde bleibt auch in der Sache selbst im Einklang mit der Landesverfassung.

a.)  In das Gebiet einer Gemeinde sowie - erst recht - in ihre körperschaftliche Existenz kann zufolge Art. 98 Abs. 1 LV nur aus Gründen des öffentlichen Wohls eingegriffen werden. Der Inhalt des Begriffes „öffentliches Wohl“ ist dabei im konkreten Fall vom Gesetzgeber auszufüllen, dem in dieser Hinsicht grundsätzlich – in dem von der Verfassung gesteckten Rahmen – ein Beurteilungsspielraum und politische Gestaltungsfreiheit in dem Sinne zukommt, daß er Ziele, Leitbilder und Maßstäbe selbst festlegen kann.

Das Verfassungsgericht überprüft zunächst, ob der Gesetzgeber den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zutreffend und umfassend ermittelt hat. Dabei ist die verfassungsgerichtliche Kontrolle nicht eingeschränkt (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, ständige Rechtsprechung, u.a. Beschluß vom 27. Mai 2004 - VfGBbg 138/03 - [Königsberg]; BVerfGE 50, 50, 51 [Laatzen]).

Das Verfassungsgericht prüft sodann, ob der Gesetzgeber den ermittelten Sachverhalt seiner Regelung zutreffend zugrundegelegt und die mit ihr einhergehenden Vor- und Nachteile in vertretbarer Weise gewichtet und in die Abwägung eingestellt hat. Hierbei darf sich das Verfassungsgericht nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen und hat seine Nachprüfung darauf zu beschränken, ob die Zielvorstellungen, Sachabwägungen, Wertungen und Einschätzungen des Gesetzgebers offensichtlich fehlerhaft, lückenhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder der Wertordnung der Verfassung widersprechen. Die Bevorzugung einzelner und die gleichzeitige Hintanstellung anderer Belange bleibt dem Gesetzgeber so weit überlassen, als das mit dem Eingriff in den Bestand der Kommunen verbundene Abwägungsergebnis zur Erreichung der verfolgten Zwecke nicht offenkundig ungeeignet oder unnötig ist oder zu den angestrebten Zielen deutlich außer Verhältnis steht und frei von willkürlichen Erwägungen und Differenzierungen ist. Es ist dabei nicht die Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber die beste und zweckmäßigste Neugliederungsmaßnahme getroffen hat (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 1998 – VfGBbg 27/97 –, LVerfGE 8, 97, 169 f. m.w.N. und vom 29. August 2002, a.a.O.; ständige Rechtspr., u.a. Urteil vom 18. Dezember 2003 – VfGBbg 101/03 -, a.a.O.).

b) In Anwendung dieser Grundsätze hat sich hier der Gesetzgeber fehlerfrei auf den Standpunkt gestellt, daß für die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Liebenwalde Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen, und auf dieser Grundlage eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Regelung getroffen. Im einzelnen:

aa) Der Gesetzgeber hat sich ausreichend mit den tatsächlichen Verhältnissen befaßt.

Die örtlichen Verhältnisse und wesentlichen Strukturdaten der Beschwerdeführerin, der Nachbargemeinden wie auch der bisherigen Ämter sind in den Gesetzesunterlagen zutreffend angesprochen (s. sog. Neugliederungssachverhalt in LT-Drucksache 3/5020, S. 324 ff., 328 ff.). Insbesondere erfaßte der Gesetzgeber die Einwohnerzahlen, Entfernungsverhältnisse und Verkehrsverbindungen im Amtgebiet Liebenwalde und darüber hinaus. Über eine regelmäßig verkehrende Buslinie ist die Beschwerdeführerin direkt mit dem ca. 5 km entfernten Zentrum der Stadt Liebenwalde verbunden. Die Stadt Liebenwalde wird als ein Grundzentrum angesehen. Dort befinden sich neben der bisherigen Amts- und Stadtverwaltung und Dienstleistungseinrichtungen eine Gesamtschule, eine Grundschule sowie ein Hort und eine Kindertagesstätte. Auch eine Stadtbibliothek ist vorhanden. Der Gesetzgeber hat zudem auf die in Liebenwalde vorhandenen Industrie- und Gewerbebetriebe verwiesen (u.a. Fensterwerk, BMF Holzverbinder, DTEC Oberflächen, Technolux Licht und Leuchten, Dämmtechnik, Wärmetechnik, Kabel-Metall-Recycling, Trockenwerk). Mehrere landwirtschaftliche Betriebe in Liebenwalde ebenso wie im Gemeindegebiet der Beschwerdeführerin werden auf die jeweils andere Gemarkung übergreifend bewirtschaftet. Eingehend hat der Gesetzgeber die finanzielle Situation der schuldenfreien Beschwerdeführerin betrachtet, die seit 1998 von der Erhebung der Gewerbe- sowie der Grundsteuer abgesehen hat und infolge der Niederlassung mehrerer Gewerbebetriebe hohe Miet- und Pachteinnahmen erzielt und Rücklagen gebildet hat. Indem der Gesetzgeber unter Zugrundelegung der Firmenerträge die möglichen jährlichen Gewerbesteuerzahllasten der früheren Jahre bei landesdurchschnittlichen Hebesätzen auf bis zu 10 Millionen DM schätzte, stellt dies keinen offensichtlich unzutreffenden Bezugswert dar. Daß sich, wie die Beschwerdeführerin betont, in der Folge einer Steuererhebung die Parameter künftig ändern und Betriebe ihre Niederlassungen verlegen könnten, stellt der Gesetzgeber nicht in Abrede. Er sah demgegenüber auch, daß die Beschwerdeführerin zeitweise nur vergleichsweise geringe oder gar keine Investitionen getätigt hat. Auf dem Gebiet der Beschwerdeführerin gibt es weder eine Schule noch eine Kindertagesstätte oder einen Hort. Der Gesetzgeber hat auch festgestellt, daß die Beschwerdeführerin noch nicht über eine zentrale Abwasserbeseitigung verfügt und ihre Abwässer mobil über die Kläranlage Liebenwalde entsorgt.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Gesetzgeber sämtliche tatsächlichen Momente in allen Einzelheiten richtig erfaßt und gewürdigt hat. So ist etwa die Frage, wie verbunden die Gemeinden im Detail jetzt sind, bei der Prognose zur Gemeindegebietsneugliederung von untergeordneter Bedeutung. Ins Gewicht fällt vielmehr, ob er die für die Durchführung des gewählten Leitbildes bestimmenden Elemente in ihrem wesentlichen Gehalt richtig erkannt und daraus sachgerechte Folgerungen gezogen hat. Nur wenn die Richtigkeit einer die Entscheidung tragenden Tatsache bestritten und es möglich ist, daß die Neugliederung bei Zugrundelegung des abweichenden Sachverhalts anders ausgefallen wäre, besteht eine Nachprüfungspflicht für das Verfassungsgericht (vgl. SächsVerfGH, LVerfGE 10, 375, 398; VerfGH NW, Urteil vom 6. Dezember 1975 - VerfGH 39/74 -, UA S. 25; StGH BW, NJW 1975, 1205, 1213). Derartige Tatsachen hat die Beschwerdeführerin jedoch nicht geltend gemacht.
Der nicht näher substantiierten Aussage der Beschwerdeführerin, daß die „konkrete Planung für ein neues Gewerbegebiet angelaufen“ sei, brauchte der Gesetzgeber kein maßgebliches Gewicht beizumessen. Eine Realisierung durfte ihm unvorhersehbar erscheinen, zumal der Bundesgesetzgeber im Jahr 2003 intensiv sein seit langem diskutiertes Vorhaben betrieb und schließlich realisierte, alle Gemeinden zu verpflichten, die Gewerbesteuer nach einem Mindesthebesatz von 200 % zu erheben (Gesetz zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes und anderer Gesetze vom 23. Dezember 2003, BGBl. I, S. 2922). Ob die Beschwerdeführerin ihrer bisherige Hebesatzpolitik aufrechterhalten können würde und sich weitere Betriebe ansiedeln würden, war bereits völlig ungewiß geworden.

bb) Der Gesetzgeber gliedert aus Gründen des öffentlichen Wohls im Sinne von Art. 98 Abs. 1 LV die Beschwerdeführerin neu. Die Einbeziehung der Beschwerdeführerin in die Stadt Liebenwalde überwindet die bisherige Kleingliedrigkeit der Kommunen und erstrebt eine Stärkung ihrer Verwaltungskraft. Nachvollziehbar beruft der Gesetzgeber sich darauf, daß Ämter nicht weniger als 5.000 und amtsangehörige Gemeinden regelmäßig nicht weniger als 500 Einwohner haben sollen. Eine dem widersprechende Ausgangssituation hat der Gesetzgeber festgestellt.

(1) Daß eine Stärkung der Verwaltungskraft, die Straffung und Effizienzsteigerung der Kommunalverwaltungen, ein Grund des öffentlichen Wohls ist, der eine kommunale Neugliederung zu rechtfertigen vermag, hat das Landesverfassungsgericht bereits mehrfach entschieden, insbesondere zu dem Unterfall der Behebung von Strukturproblemen im Stadtumland (Urteile vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, a.a.O., und - VfGBbg 97/03 -) sowie zum vorausgegangenen Gesetz zur Reform der Gemeindestruktur und zur Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden im Land Brandenburg vom 13. März 2001 (vgl. Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, a.a.O.). Eine kommunale Neugliederung setzt nicht voraus, daß Mängel in der bisherigen Aufgabenerfüllung bestehen oder eine Gemeinde keine ausreichende Verwaltungs- und Leistungskraft besitzt. Vielmehr kann auch eine weitere Verbesserung der Verwaltung des Gesamtraumes die Neugliederung rechtfertigen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, u.a. Urteil vom 26. August 2004 - VfGBbg 230/03 - und Beschluß vom 16. September 2004 - VfGBbg 102/03 -). Einer solchen Verbesserung dient hier die Umsetzung der Leitbildbestimmungen.

(2) Ein Neugliederungsbedarf ergab sich bereits aus der geringen Einwohnerzahl der Beschwerdeführerin von nur knapp 190 Einwohnern. Soweit der Gesetzgeber seine Abwägungsentscheidung maßgeblich darauf gestützt hat, daß die Beschwerdeführerin die Mindesteinwohnerzahl von 500 Einwohnern unterschreite (vgl. LT-Drucksache 3/5020, S. 336 und ebda. sein Leitbild unter 2. b) cc), S. 24), ist hiergegen verfassungsrechtlich nichts zu erinnern. Soweit die Beschwerdeführerin besonders betont, daß ihre Bevölkerungszahl seit 1998 wieder gestiegen sei, hat der Gesetzgeber diesen Zuwachs - bis Ende 2001 um 9 Personen - ebenso berücksichtigt wie den Umstand, daß dort immer noch weniger Einwohner lebten als im Jahr 1992. Die Landesverfassung steht der Einschätzung, daß sich aus einer geringen Einwohnerzahl der Gemeinde typisierend Rückschlüsse auf die (verminderte) Leistungsfähigkeit der Gemeinde ergeben, nicht entgegen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002, a.a.O.). Der Gesetzgeber war nicht gehalten, die bisherige Leistungskraft der Beschwerdeführerin als alleiniges und zwingendes Indiz für ihre künftige Leistungsfähigkeit zu werten, zumal diese allein auf einer rechtlich erheblich umstrittenen Steuerpolitik der Beschwerdeführerin beruhte, deren Fortführung bereits damals in Frage stand.

(3) Auch die Vorgabe einer Mindesteinwohnerzahl für das Amt als Verwaltungseinheit im Leitbild (2. b) bb)) des Gesetzgebers ist ein dem öffentlichen Wohl dienendes Neugliederungsziel. Eine leistungsfähige Verwaltung setzt eine gewisse Einwohnerzahl voraus, die ein Mindestmaß an finanzieller Leistungskraft sicherstellt. Erst ab einer bestimmten Größe der Verwaltung ist es möglich, daß das hauptamtliche Personal spezialisierte Tätigkeitsbereiche erhält und die Behörde anforderungsgemäß ausgestattet wird. Dementsprechend sind auch in anderen Bundesländern bei Gemeindegebietsreformen je nach Bevölkerungsdichte und Siedlungsstruktur Mindestgrößen für die einzelne Verwaltungseinheit zugrunde gelegt worden. So wurde z.B. in Nordrhein-Westfalen für ländliche Orte eine Größe von 8.000, in Niedersachsen von 5.000, in Rheinland-Pfalz von 7.500 und in Schleswig-Holstein von 5.000 Einwohnern angestrebt (vgl. von Unruh/Thieme/Scheuner, Die Grundlagen der kommunalen Gebietsreform, 1981, S. 110). Auch in Bayern ist seinerzeit bei der Gemeindegebietsreform nicht nur der Richtwert von 5.000 Einwohnern pro Verwaltungseinheit (Einheitsgemeinde oder Verwaltungsgemeinschaft), sondern auch ein Richtwert von 1.000 Einwohnern für die einzelne Mitgliedsgemeinde einer Verwaltungsgemeinschaft zugrunde gelegt worden. Derartige Vorgaben sind verfassungsgerichtlich jeweils unbeanstandet geblieben (siehe etwa VerfGH Sachsen, Urteil vom 18. November 1999 – Vf. 174-VIII-98 -; StGH Bad.-Württ., DVBl 1975, 385, 391; vgl. auch BayVGH, BayVBl 1979, 146, 148). Auch im Schrifttum werden Vorgaben nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen (s. etwa Hoppe/Stüer, DVBl 1992, S. 641, 652: Bildung von Verwaltungsgemeinschaften/Ämterverwaltungen mit „numerischen Vorgaben insbesondere für akzeptable Mindestzahlen von Einwohnern“), wenngleich zu der exakten zahlenmäßigen Fixierung der Mindestgröße unterschiedliche Auffassungen bestehen mögen. Wenn der Gesetzgeber sich in seinem Leitbild auf den hier in Rede stehenden Richtwert von 5.000 Einwohnern festgelegt hat, dann sind seine diesbezüglichen Wertungen und Erwägungen nicht offensichtlich fehlerhaft oder widerlegbar (so bereits Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, a.a.O. sowie u.a. Beschluß vom 26. Februar 2004 - VfGBbg 150/03 -, S. 17 f. des Entscheidungsabdrucks). Es ist daher leitbildgerecht, daß sich das diesen Richtwert deutlich unterschreitende Amt Liebenwalde auflöste und die ihm bislang angehörenden Gemeinden - mit Ausnahme allein der Beschwerdeführerin - freiwillig die neue amtsfreie Stadt Liebenwalde unter Einschluß der bislang dem Nachbaramt Oranienburg-Land angehörenden Gemeinde Freienhagen mit insgesamt ca. 4.700 Einwohnern (Stand: 2001) bildeten. Dabei liegt in dem Vorteil, daß sich durch die Bildung einer amtsfreien Gemeinde die Anzahl der Verwaltungseinheiten reduzierte, ein zulässiger Differenzierungsgrund dafür, daß das Leitbild des Gesetzgebers bei amtsfreien Gemeinden in nur dünn besiedelten Landesteilen unter Beachtung der Raum - und Siedlungsstruktur Unterschreitungen der Mindestzahl von 5.000 Einwohnern zuläßt (2. a) Satz 3 nach dd) des Leitbildes), nicht aber bei Ämtern vergleichbarer Einwohnerzahl.

(4) Dieser Zielrichtung gemäß bestand ein Neugliederungsbedarf auch, weil das Amt Liebenwalde nach der freiwilligen Eingliederung der anderen früher amtsangehörigen Gemeinden nur noch aus zwei Gemeinden bestand. Nach dem Leitbild (unter 2. b) aa); LT-Drucksache 3/5020, S. 24) besteht das Amt aus mindestens 3 amtsangehörigen Gemeinden. Ämter, die aus zwei amtsangehörigen Gemeinden bestehen, sind – gleichfalls nach dem Leitbild unter 2. b) aa) - nur als Übergangslösung in der Freiwilligkeitsphase bis zur gesetzlichen Neuordnung zulässig. Auch gegen die Festlegung dieser Untergrenze bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber hat darauf abgestellt (vgl. LT-Drucksache 3/5020, S. 42), daß zum einen die Effizienz der Verwaltungstätigkeit von mehreren Entscheidungsträgern für dieselbe kommunale Ebene (Gemeinde- und Amtsverwaltung) bei einem Amt mit nur zwei Mitgliedsgemeinden leidet und zum anderen bei - wie hier - stark unterschiedlicher Größe der beiden amtsangehörigen Gemeinden die größere jederzeit die kleinere Gemeinde im Amtsausschuß überstimmen kann. Hiergegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 24. Juni 2004 – VfGBbg 114/03 -). Daß dem Amt Liebenwalde weitere Gemeinden angehörten, von denen sich bis zum 26. Oktober 2003 unter Aufgabe ihrer Eigenständigkeit alle mit Ausnahme der Beschwerdeführerin in die Stadt Liebenwalde eingegliedert haben, hindert die Anwendung der Leitbildregelung 2. b) aa) nicht. Denn Gegenstand der vorliegenden gesetzlichen Neugliederung ist allein das - aus zwei Kommunen bestehende - Amt Liebenwalde.

cc) Zur Bewältigung der vom Gesetzgeber benannten Strukturfragen ist die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die neugebildete Stadt Liebenwalde nicht offensichtlich ungeeignet. Das Landesverfassungsgericht vermag nicht zu erkennen, daß das Ziel einer Bereinigung der Strukturprobleme im Liebenwalder Bereich durch die Zusammenführung in einen einheitlichen Aufgaben- und Verwaltungsraum eindeutig verfehlt würde.

dd) Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die neugebildete Stadt Liebenwalde ist auch nicht unverhältnismäßig.

Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz müssen die für eine Auflösung der Gemeinde sprechenden Gründe des öffentlichen Wohls gegenüber den für den Fortbestand der einzugliedernden Gemeinde sprechenden Gründen erkennbar überwiegen (vgl. hierzu BayVerfGH BayVBl 1981, 399, 400 f.; s. auch NdsStGH OVGE 33, 497, 503; StGH BW NJW 1975, 1205, 1211). Dies ist hier nach der vertretbaren Wertung des Gesetzgebers der Fall. Da die kommunale Selbstverwaltung auch dazu dient, die Bürger zu integrieren, den Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl („Heimat“) zu vermitteln und damit die Grundlagen der Demokratie zu stärken, ist die Reform der Gemeindestruktur nicht ausschließlich an Rationalisierung und Verbesserung der Effizienz der Verwaltungsorganisation zu messen. Eine Gemeinde darf nicht ohne Berücksichtigung von Besonderheiten allein aus Gründen der Strukturbereinigung aufgelöst werden. Andernfalls kann der Eingriff in die Existenz einer Gemeinde und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der örtlichen Verbundenheit außer Verhältnis zu dem angestrebten Vorteil geraten (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002, a.a.O.).

Der Gesetzgeber hat die Vor- und Nachteile seines Neugliederungsvorhabens hier in nicht zu beanstandender Weise gegeneinander abgewogen und ist zu einem verfassungsrechtlich vertretbaren Ergebnis gelangt.

(1) Angesichts der geringen Größe der Beschwerdeführerin von nur knapp 190 Einwohnern ist nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber von der Notwendigkeit einer Eingliederung in eine größere Verwaltungseinheit ausging. Für ihren Fortbestand als eigenständige (amtsangehörige) Gemeinde sind außer einer momentan günstigen Finanzlage keine Besonderheiten im oben genannten Sinne geltend gemacht worden oder ersichtlich. Zwar kann eine geringere Einwohnerzahl z.B. durch eine höhere Wirtschaftskraft infolge lukrativer Firmenansiedlungen ganz oder teilweise ausgeglichen werden. Je stärker allerdings die Einwohnerzahl hinter der Richtzahl zurückbleibt, desto schwerer müssen die Gesichtspunkte wiegen ,die für einen Fortbestand der Gemeinde sprechen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 -, a.a.O.). Demnach ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber sich gegen den Fortbestand der über Jahre eine geringe Bevölkerungszahl aufweisenden Beschwerdeführerin entschieden hat. Daß die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer zeitweilig ungewöhnlichen Steuerpolitik hohe Einnahmen erzielt hatte, durfte der Gesetzgeber im Blick auf die Finanzlage der anderen Kommunen und des Landes sowie die Verantwortung für den kommunalen Finanzausgleich kritisch sehen. Zudem stand eine Fortsetzung dieser rechtlich und zwischen den Gemeinden umstrittenen Steuerpolitik der Beschwerdeführerin und ihre gute Finanzlage - nicht zuletzt aufgrund einer bereits seinerzeit vorbereiteten bundesrechtlichen Gesetzesänderung - erheblich in Frage. Maßgeblich durfte der Gesetzgeber schließlich berücksichtigen, daß bei einer allgemeinen Gebietsreform größere Räume neu zu gliedern sind, so daß nicht allein örtliche Gegebenheiten der einzelnen Gemeinde entscheidungserheblich sind, sondern auch Umstände, Vorteile und Nachteile in größeren Zusammenhängen ins Gewicht fallen. Daß der Gesetzgeber den Vorteil der momentanen Finanzstärke einer winzigen „Steueroase“ in einem grundsätzlich strukturschwachen Raum in die größere Verwaltungseinheit der neugebildeten Stadt Liebenwalde einbringen wollte, um nachhaltig Synergieeffekte für ein größeres Gebiet nutzbar zu machen und damit den Bereich der Beschwerdeführerin auch für den Fall wesentlicher Änderungen ihrer wirtschaftlichen Situation abzusichern, ist insoweit nicht zu beanstanden.

(2) Eine vorzugswürdige leitbildgerechte Alternative ist nicht gegeben. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin beinhaltet das Leitbild des Gesetzgebers im äußeren Entwicklungsraum keinen Vorrang der Verwaltung durch Ämter gegenüber amtsfreien Gemeinden, sondern beläßt sie grundsätzlich als Alternativen. Danach bildet das Amt auch für die Zukunft ein Modell, jedoch erst in dem Fall, daß nicht nach dem Leitbild eine amtsfreie Gemeinde gebildet werden soll.

Der Gesetzgeber brauchte weder die freiwilligen vertraglichen Eingliederungen im bisherigen Amt Liebenwalde noch den entsprechenden Zusammenschluß aller weiteren Gemeinden des Nachbaramtes Oranienburg-Land - mit Ausnahme der entfernt gelegenen Gemeinde Nassenheide, die sich in die amtsfreie Gemeinde Löwenberger Land eingliederte - mit der Stadt Oranienburg zu unterbinden oder rückgängig zu machen. Insbesondere die von der Beschwerdeführerin benannte Möglichkeit, die vertragliche Eingliederung der aus dem bisherigen Nachbaramt Oranienburg-Land kommenden Gemeinde Freienhagen in die Stadt Liebenwalde zu verhindern und ein „Dreier-Amt“ aus der Stadt Liebenwalde, Freienhagen und der Beschwerdeführerin zu bilden, durfte der Gesetzgeber schon wegen der geringen Größe und fehlender für deren Fortbestehen streitender Besonderheiten der Gemeinde Freienhagen mit ihren ca. 310 Einwohnern ausschließen. Vielmehr entsprachen die Auflösung des die Stadt Oranienburg im Westen und Norden sowie mit der Gemeinde Germendorf im Osten umgebenden „Kragenamtes“ Oranienburg-Land und die Vereinigung mit dem Zentralort dem verfassungsrechtlich unbedenklichen Ziel des Gesetzgebers, die Stadt-Umland-Problematik zu lösen oder zumindest zu mildern (2. c) seines Leitbildes; vgl. insbesondere zum „Kragenamt“: Urteil vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, a.a.O.; Beschluß vom 09. Dezember 2004 - VfGBbg 22/03 -).

Es ist angesichts der unmittelbaren Nachbarschaft und Verbundenheit der Beschwerdeführerin mit der ein Grundzentrum darstellenden Stadt Liebenwalde verfassungsrechtlich unbedenklich, daß der Gesetzgeber gerade ihren Zusammenschluß bestimmt hat. Auch der Amtsausschuß und die Stadtverordnetenversammlung Liebenwalde hatten bereits im Juni bzw. Mai 2002 befürwortet, die Beschwerdeführerin in die neugebildete Stadt Liebenwalde einzugliedern. Gründe für eine Zuordnung der Beschwerdeführerin über bisherige Amtsgrenzen hinweg sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Überdies bestand in der Umgebung der Beschwerdeführerin kein zu ihrer Aufnahme bereites Amt.

ee) Auch im übrigen läßt die Abwägung des Gesetzgebers keine seine Entscheidung in Frage stellenden Defizite erkennen.

(1) Insbesondere war der Gesetzgeber nicht durch die finanziellen Folgen an einer Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Liebenwalde gehindert. Er hat die Problematik der Verlagerung der Finanz- und Planungshoheit gesehen und demgegenüber dem Vorteil der Bündelung der finanziellen Möglichkeiten infolge der Neugliederung im Verbund der Gesamtabwägung und mit Blick auf gestärkte Instrumente der Ortschaftsverfassung (§§ 54 - 54 e GO) sowie die Pflicht einer jeden Gemeinde und Stadt, für das soziale, kulturelle und wirtschaftliche Wohl aller ihrer Einwohner, für eine harmonische Gestaltung der Gemeindeentwicklung, zu sorgen (vgl. u.a. § 1 Abs. 2 Sätze 2 und 3, § 3 Abs. 2 GO), in vertretbarer Weise höheres Gewicht zuerkannt (vgl. LT-Drucksache 3/5020, S. 88). Für die Beurteilung am Maßstab des öffentlichen Wohls im Sinne des Art. 98 Abs. 1 LV ist nicht ausschließlich oder auch nur in erster Linie entscheidend, welche Lösung für die Einwohner der einzelnen Gemeinde die meisten Vorteile bietet. Entscheidend ist vielmehr, welche Lösung den Interessen des gesamten neu zu gliedernden Verwaltungsraumes und seiner Bevölkerung sowie darüber hinaus der Gesamtbevölkerung des Landes am besten entspricht. Von dieser Erwägung hat sich der Gesetzgeber bei der Ausübung seines Ermessens leiten lassen. Die Annahme des Gesetzgebers, daß die schuldenfreie Beschwerdeführerin - gerade weil die Finanzlage naturgemäß veränderlich ist - als Kleinstgemeinde wirtschaftlich gefährdet ist, durch den Gemeindezusammenschluß aber auf Dauer eine strukturelle Stärkung erfährt, ist beanstandungsfrei. Der Gesetzgeber wäre allerdings gehindert, eine Gemeinde zu bilden, deren Finanzausstattung evident unzureichend sein wird und in der für eine gemeindliche Selbstverwaltung auf Dauer kein Raum mehr ist. Eine derartige Gemeinde führte lediglich ein „Scheindasein“ (BVerfGE 1, 167, 175; vgl. auch Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 16. September 1998 - VfGBbg 28/98 -, LVerfGE 10, 237, 242). So liegen die Dinge aber bei der Beschwerdeführerin nicht. Sie erwartet nicht, daß die vergrößerte Gemeinde zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft überhaupt nicht mehr in der Lage wäre. Sofern sich die Beschwerdeführerin darum sorgt, daß künftig die vorhandenen Mittel nicht sinnvoll und gerecht auf das Gesamtgebiet verteilt werden, bestehen Anhaltspunkte für ein solches Verhalten der Stadt Liebenwalde nicht. Kommunalpolitische Aufgaben, wie sie es auch in jeder anderen aus Ortsteilen bestehenden Gemeinde gibt, lassen sich zudem, wie zahlreiche Beispiele zeigen, auch bei einer gewissen mehrpoligen Gemeindestruktur mit Geschick so lösen, daß einzelne Ortsteile sich nicht dauernd ausgeschlossen fühlen.

(2) Der Gesetzgeber ist sich bei seiner Abwägungsentscheidung auch des Spannungsverhältnisses von Bürgernähe und Verwaltungseffizienz bewußt gewesen. Deshalb ergibt sich eine Fehlerhaftigkeit weder des Abwägungsprozesses noch seines Ergebnisses daraus, daß der Gesetzgeber einerseits anstrebte, beiden Zwecken möglichst weitgehend zu dienen und andererseits in Kauf nahm, bei der Gemengelage unterschiedlicher Zielsetzungen und Maßstäbe nicht gewährleisten zu können, daß sämtliche Reformziele stets gleichermaßen verwirklicht werden (LT-Drucksache 3/5020, S. 22 f.).

(3) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich auch, wie der Gesetzgeber den geäußerten Willen der Bevölkerung gewichtet hat. Die aus der Anhörung der Bevölkerung der Beschwerdeführerin und der weiteren Gemeinden der bisherigen Ämter Liebenwalde und Oranienburg-Land sowie der Stadt Oranienburg resultierenden Stellungnahmen und Ergebnisse von Bürgerbefragungen und -entscheiden (vgl. LT-Drucksache 3/5020, S. 319 ff.) zur beabsichtigten Neugliederung lagen im Landtag vor und sind damit in das Gesetzgebungsverfahren eingeflossen. An das sich daraus ergebende Stimmungsbild ist der Gesetzgeber nicht gebunden. Das Ergebnis der Anhörung der Bevölkerung stellt vielmehr nur ein Merkmal unter weiteren Gesichtspunkten dar, die für die Ermittlung der Gründe des öffentlichen Wohles und damit für die Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers von Bedeutung sind. Bei einer allgemeinen Gebietsreform geht es eben auch darum, größere Räume neu zu gliedern, so daß nicht nur örtliche Gegebenheiten - wie etwa die Akzeptanz des Vorhabens bei den Bürgern der einzelnen Gemeinde - ins Gewicht fallen. Hiervon ausgehend hat sich der Landtag in den Grenzen seiner Entscheidungsfreiheit bewegt, als er dem - mit Ausnahme allein der Beschwerdeführerin - einhellig dem Gesetzentwurf zustimmenden Ergebnis der Anhörung der Bevölkerung des Neugliederungsbereichs Liebenwalde/Oranienburg gefolgt ist und den für die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Liebenwalde sprechenden Umständen mit dem Ziel, der Schaffung eines leistungsfähigen einheitlichen Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsraumes im Umfeld brandenburgischer Städte, auch hier das höhere Gewicht beigemessen hat.

C.


Das Verfassungsgericht hat einstimmig eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten, § 22 Abs. 1 2. Alt. VerfGGBbg.

 
Weisberg-Schwarz Prof. Dawin
   
Prof. Dr. Dombert Havemann
   
Dr. Jegutidse Dr. Knippel
 
Prof. Dr. Schröder