VerfGBbg, Beschluss vom 15. Juni 2017 - VfGBbg 67/16 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 41 Abs. 1; LV, Art. 52 Abs. 3 - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 46 - BGB, § 535 Abs. 1 |
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Schlagworte: | - Verfassungsbeschwerde unzulässig - Begründung - Willkür - Eigentum - Schadenersatz wegen Verschlechterung der Mietsache - Haftung für Schäden nach Suizid |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 15. Juni 2017 - VfGBbg 67/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 67/16
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
F.,
Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt
M.,
wegen Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 14. Oktober 2016 (3 U 25/16); Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 13. März 2016 (4 O 108/15)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
am 15. Juni 2017
durch die Verfassungsrichter Nitsche, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer und Schmidt
beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
Gründe:
A.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen einen Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (BbgOLG) und ein Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder), mit denen eine Schadensersatzklage der Beschwerdeführerin wegen Verschlechterung einer Mietsache zurückgewiesen worden ist.
I.
Die Beschwerdeführerin ist Vermieterin einer Wohnung in Cottbus, deren Mieter im Zeitraum zwischen dem 7. bis 18. September 2014 in dieser Wohnung Suizid begangen hatte. Aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Verwesung des Leichnams und der damit einhergehenden Beschädigung der Mietsache ließ die Beschwerdeführerin die Wohnung desinfizieren, Teppichböden, Holzfußböden, Dämmmaterial, Türzargen und Mobiliar entsorgen und weitere Schäden beseitigen. Nachdem die Erben des Verstorbenen die Erbschaft ausgeschlagen hatten, nahm die Beschwerdeführerin das Land Brandenburg als gesetzlichen Erben vor dem Landgericht Cottbus auf Ersatz der entstandenen Kosten sowie den Mietausfall für die Monate November 2014 bis April 2015 in Anspruch.
Mit Urteil vom 13. April 2016 wies das Landgericht die Klage als unbegründet ab. Das Sterben in der angemieteten Wohnung gehöre zum vertragsgemäßen Gebrauch, so dass mangels Rechtswidrigkeit der Beschädigung eine Schadensersatzpflicht des Erben ausscheide. Unabhängig davon, ob der Tod auf natürliche Weise oder gewaltsam herbeigeführt worden sei, fielen die durch das Sterben bedingten Beeinträchtigungen in den Risikobereich des Vermieters. Es fehle aber auch an einem schuldhaften Verhalten des Mieters, die spätere Entdeckung sei weder ihm selbst noch seinen Erben vorzuwerfen.
Auf die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Beschwerdeführerin wies das BbgOLG mit Beschluss vom 22. September 2016 darauf hin, dass es beabsichtigte, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Die erstinstanzliche Entscheidung sei nicht zu beanstanden. Der Mieter handele nicht vertragsuntreu, wenn er den Freitod suche, weil diese höchstpersönliche Entscheidung in Bezug auf seine Existenz mit seinen Vertragspflichten nichts zu tun habe. Die von der Beschwerdeführerin herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Rechtswidrigkeit der Selbsttötung gebe für den vorliegenden Fall nichts her. Gleiches gelte für die von der Beschwerdeführerin in Bezug genommenen Vorschriften des Brandenburgischen Bestattungsrechts. Es bestehe schließlich keine Veranlassung zu der Annahme, die Beschwerdeführerin habe mit dem Mieter eine Individualabrede zur Schadensersatzpflicht getroffen.
Mit Beschluss vom 24. Oktober 2016 wies das BbgOLG die Berufung einstimmig durch Beschluss als unbegründet zurück.
II.
Am 5. Dezember 2016 hat die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie rügt eine Verletzung des Grundrechts auf Gleichbehandlung in seiner Ausprägung des Willkürverbots nach Art. 52 Abs. 3 Landesverfassung (LV) sowie des Eigentumsgrundrechts nach Art. 41 Abs. 1 LV.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.
I.
Die Beschwerdeschrift genügt nicht den sich auf § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg ergebenden Begründungsanforderungen, die voraussetzen, dass der die Grundrechtsverletzung enthaltende Vorgang substantiiert und schlüssig vorgetragen wird. Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer sich mit dieser inhaltlich auseinanderzusetzen. Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 15. April 2016
- VfGBbg 86/15 - und vom 22. Mai 2015 - VfGBbg 32/14 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).
1. Vor diesem Hintergrund hat die Beschwerdeführerin einen Verstoß gegen das Willkürverbot aus Art. 52 Abs. 3 1. Alt. Landesverfassung (LV) nicht hinreichend dargetan. Eine gerichtliche Entscheidung verstößt nicht bereits bei jeder fehlerhaften Anwendung einfachen Rechts gegen das Willkürverbot, sondern erst, wenn sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar und damit schlechthin unhaltbar ist. Sie muss Ausdruck einer objektiv falschen Rechtsanwendung sein, die jeden Auslegungs- und Beurteilungsspielraum außer Acht lässt und ganz und gar unverständlich erscheint. Diese Voraussetzungen liegen u. a. dann vor, wenn sich ein Gericht mit seiner rechtlichen Beurteilung ohne nachvollziehbare Begründung in Widerspruch zu einer durch Rechtsprechung und Schrifttum geklärten Rechtslage setzt oder das Gericht den Inhalt einer Norm krass missdeutet, so dass sich der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht. Von einer willkürlichen Missdeutung kann dagegen nicht gesprochen werden, wenn sich das Gericht eingehend mit der Rechtslage auseinandergesetzt hat und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (st. Rspr., vgl. zuletzt Beschluss vom 19. Mai 2017 - VfGBbg 19/16 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).
Daran gemessen hat die Verfassungsbeschwerde die behauptete Verletzung des Willkürverbots nicht mit hinreichendem Sachvortrag untersetzt. Es wird nicht deutlich, aus welchen Gründen die vom Landgericht als wesentlich erachtete Erwägung, dass das Versterben in der angemieteten Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch nach § 535 Abs. 1 BGB gehöre und es zudem an einem schuldhaften Verhalten des Mieters fehle, sich nicht mehr im Rahmen der vertretbaren Rechtsauslegung bewegt. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung auf die in der mietrechtlichen Literatur (Eisenschmidt, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, nunmehr 12. Auflage 2015, § 535, Rn. 231) und Rechtsprechung (AG Bad Schwartau, Urt. vom 5. Januar 2001 - 3 C 1214/99, Rn. 22, Juris) vertretene Auffassung verwiesen und diese ohne erkennbare Fehldeutung auf den vorliegenden Fall übertragen. Die Verfassungsbeschwerde setzt sich mit dem Inhalt dieser vom Landgericht in Bezug genommenen Auffassungen nicht auseinander. Sie geht insbesondere nicht darauf ein, dass das Landgericht zwischen dem Sterben als vertragsgemäßem Gebrauch einerseits und der dadurch eingetretenen Folge, die der Suizident nicht mehr schuldhaft herbeigeführt haben könne, sorgsam differenziert hat. Die Beschwerdeführerin behauptet lediglich einen unauflösbaren Widerspruch in der Bewertung menschlichen Ablebens und seiner Folgen für das Eigentum Dritter durch das Landgericht.
Das BbgOLG hat sich der Auffassung des Landgerichts angeschlossen und sich in seinem Hinweisbeschluss vom 22. September 2016 darüber hinaus nur noch mit den von der Beschwerdeführerin weiter vorgebrachten Argumenten auseinandergesetzt und namentlich darauf abgestellt, dass die höchstpersönliche Entscheidung zum Freitod mit den Vertragspflichten in keinem Zusammenhang stehe (BGH, NJW-RR 1991, 75) und deshalb die Strafbarkeit der Selbsttötung die Gegenansicht nicht zu tragen vermöge. Insoweit vermag der Einwand der Beschwerdeführerin, es liege ein Unterschied zwischen dem Eintritt des natürlichen Todes und der insoweit schuldhaft herbeigeführten Selbsttötung vor, nicht durchzugreifen. Es kann daher unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens auch nicht davon gesprochen werden, dass die Einschätzung des BbgOLG unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar ist, zumal die Beschwerdeführerin dem Kern der vom BbgOLG vertretenen Auffassung lediglich die eigene Rechtsansicht davon gegenüberstellt, wie die vom Gericht in Bezug genommene Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu verstehen sei. Das von der Beschwerdeführerin als einzig vertretbar bezeichnete Verständnis dieser Entscheidung des BGH kann im Hinblick auf die Beschwerdebegründung schon deshalb keine Berücksichtigung finden, weil die Beschwerdeführerin nicht einmal die Grundzüge dieser Entscheidung wiedergegeben hat, geschweige denn die von ihr erkannte Abweichung durch das BbgOLG im Einzelnen darlegt. Insoweit beschränkt sie sich in der Beschwerdeschrift wiederholt auf die bloße Rechtsbehauptung einer Willkür, was für die erforderliche Auseinandersetzung nicht genügen kann (vgl. Beschluss vom 19. Mai 2017, a. a. O.; BVerfG NVwZ 2003, 199).
Die von der Beschwerdeführerin herangezogenen Beispiele, die die Unverständlichkeit der angegriffenen Entscheidungen verdeutlichen sollen, sind ebenfalls nicht geeignet, eine andere Beurteilung herbeizuführen. Sie verkennt, dass die dort genannte, den Tod verursachende Handlung ihrerseits gerade keine vertragsgemäße Nutzung der Mietsache darstellt und der (versuchte) Suizid die Nebenfolge derjenigen unerlaubten Handlung ist, die unmittelbar eine Beschädigung der Mietsache herbeiführt. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen es durch die den Suizid auslösende Handlung nicht unmittelbar zu einer Substanzbeeinträchtigung der Mietsache kommt, hat das BbgOLG dies jedoch durchaus mit vertretbaren Gründen anders beurteilt. Auch der Verweis der Beschwerdeführerin auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25. Juni 1997 zur Straflosigkeit des Suizids (IV ZR269/96, BGHZ 136, 142) vermag eine willkürliche Entscheidung des BbgOLG nicht zu begründen.
2. Schließlich hat die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Grundrechts auf Eigentum nicht hinreichend dargetan. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Verfassungsbeschwerde rügen könnte, dass die angegriffenen Entscheidungen auf einer prinzipiell unrichtigen Anschauung von Bedeutung und Reichweite des Grundrechtes auf Eigentum beruhte (vgl. Beschlüsse vom 19. Mai 2016 - VfGBbg 19/16 -, vom 21. November 2002 - VfGBbg 99/02 - und vom 25. Oktober 2002 - VfGBbg -75/02 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Soweit das BbgOLG und vorhergehend das Landgericht eine Haftung für an der Mietsache eingetretene Schäden nur annehmen, wenn den Mieter oder seinen Rechtsnachfolger Verschulden treffe und im Übrigen der Eigentümer wie auch sonst im Rahmen von § 535 BGB die Verschlechterung der Mietsache im Rahmen der vertragsgemäßen Nutzung hinzunehmen habe, ist dies aus den vorgenannten Gründen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
II.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Nitsche | Dr. Becker |
Dielitz | Dresen |
Dr. Fuchsloch | Dr. Lammer |
Schmidt | |