VerfGBbg, Beschluss vom 15. Mai 2014 - VfGBbg 53/13 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
|
entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 - StPO, § 390 Abs. 2; StPO, § 473 Abs. 1 |
|
Schlagworte: | - Willkürverbot - Beschwerdebefugnis - Nebenkläger |
|
Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 15. Mai 2014 - VfGBbg 53/13 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 53/13
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
K.,
Beschwerdeführer,
wegen des Beschlusses des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 15. August 2013 (Az.: (2) 53 Ss 70/13 (42/13) und 2 Ws 94/13)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt
am 15. Mai 2014
b e s c h l o s s e n :
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
G r ü n d e :
A.
Der Beschwerdeführer sieht sich durch eine Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts in seinen Grundrechten verletzt.
I.
Der Beschwerdeführer hatte gegen Herrn S. (im Folgenden: Angeklagter) Strafanzeige wegen Körperverletzung gestellt, nachdem es zwischen ihm und dem Angeklagten am 9. April 2011 zu einer Auseinandersetzung in der N.straße in L. gekommen sein soll.
Das Amtsgericht Bad Freienwalde, das den Beschwerdeführer als Nebenkläger zugelassen hatte, sprach den Angeklagten mit Urteil vom 8. Februar 2012 vom Vorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung frei. Die vom Beschwerdeführer hiergegen eingelegte Berufung verwarf das Landgericht Frankfurt (Oder) mit Urteil vom 2. November 2012 und legte dem Beschwerdeführer die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten auf. Das Gericht habe sich nach der Berufungshauptverhandlung keine hinreichende Überzeugung davon bilden können, dass sich der Angeklagte einer vorsätzlichen Körperverletzung zu Lasten des Beschwerdeführers schuldig gemacht habe. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme könne der tatsächliche Geschehensablauf am 9. April 2011 nicht sicher festgestellt werden. Bei dieser Sachlage habe nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ ein Freispruch zu erfolgen.
Gegen das Urteil des Landgerichts legte der Beschwerdeführer am 8. November 2012 Revision sowie gegen die Kostenentscheidung sofortige Beschwerde ein. Den Revisionsantrag begründete der Beschwerdeführer – ohne anwaltliche Vertretung – mit Schriftsatz vom 13. Januar 2013. Nachdem das Landgericht Frankfurt (Oder) darauf hingewiesen hatte, dass ein Nebenkläger Revisionsanträge und ihre Begründung nur mittels einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift anbringen könne, stellte der Beschwerdeführer am 28. Januar 2013 einen Wiedereinsetzungsantrag und reichte eine von einem Rechtsanwalt unterzeichnete Revisionsbegründung vom 27. Februar 2013 nach.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragte mit Schriftsatz vom 21. Mai 2013, den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist, die Revision des Beschwerdeführers sowie die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung zu verwerfen. Die vom Nebenkläger selbst verfasste Revisionsbegründungsschrift genüge nicht dem Formerfordernis des § 390 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO), das nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch für den Nebenkläger gelte. Es könne auch keine Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist gewährt werden. Der Beschwerdeführer habe die versäumte Handlung nicht binnen eines Monats nachgeholt, da auch die von seinem Rechtsanwalt unterzeichnete Revisionsbegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen genüge. Die vorgeschriebene Mitwirkung eines Rechtsanwalts dürfe sich nicht in der bloßen Beurkundung erschöpfen. Dies sei hier jedoch der Fall gewesen. Die Revisionsbegründung vom 27. Februar 2013 sei bis auf wenige Änderungen von „ich“ zu „der Nebenkläger" wortgleich mit der vom Beschwerdeführer unterschriebenen Begründung vom 13. Januar 2013. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts sei unbegründet. Das Landgericht habe dem Beschwerdeführer die Kosten des Berufungsverfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu Recht auferlegt. Habe allein der Nebenkläger ein erfolgloses Rechtsmittel eingelegt, so seien ihm die Kosten des Rechtsmittels sowie die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen (§ 473 Abs. 1 Satz 1 und 3 StPO). Soweit der Beschwerdeführer ausführt, der Freispruch sei zu Unrecht ergangen, könne er damit nicht gehört werden, da das Beschwerdegericht gemäß § 464 Abs. 3 Satz 2 StPO an die tatsächlichen Feststellungen, auf denen die Entscheidung beruht, gebunden sei.
Das Brandenburgische Oberlandesgericht verwarf mit Beschluss vom 15. August 2013, dem Beschwerdeführer zugegangen am 30. August 2013, den Wiedereinsetzungsantrag sowie die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 2. November 2012 als unzulässig. Zugleich verwarf es die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Urteils als unbegründet. Zur Begründung nahm das Oberlandesgericht Bezug auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 21. Mai 2013, der nichts hinzuzufügen sei.
II.
Der Beschwerdeführer hat am 30. Oktober 2013 Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt eine Verletzung der Art. 2 Abs. 1 und 5, Art. 6 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1, 3 und 4 Verfassung des Landes Brandenburg (LV). Der angegriffene Beschluss verstoße insbesondere gegen das Willkürverbot und verletze seinen Justizgewährungsanspruch sowie sein Recht auf ein faires Verfahren. Das Oberlandesgericht habe zu Unrecht angenommen, dass seine Revision unzulässig sei, weil sie nicht der Form des § 390 Abs. 2 StPO entsprochen habe. Ein solches Formerfordernis für den Nebenkläger gebe es nicht. Nach der umfangreichen Neuordnung der prozessualen Rechte des Nebenklägers und dem Entfallen der früheren Globalverweisung auf die Regelungen des Privatklagerechts sei der funktionale Unterschied der beiden Rechtsinstitute klar erkennbar, wodurch auch eine Regelungslücke ausgeschlossen werden könne. Die Generalstaatsanwaltschaft habe sich in ihrer Stellungnahme auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 1992 berufen, ohne sich mit den aktuellen Opferschutzregelungen auseinanderzusetzen. Der Wiedereinsetzungsantrag sei rein vorsorglich gestellt und aus den vorgenannten Gründen ebenfalls begründet gewesen. Insbesondere habe sein Rechtsanwalt mit der Unterschrift die volle Verantwortung für die Revisionsbegründung übernommen. Im Gegensatz zu der nicht mehr zeitgemäßen analogen Anwendung des § 390 Abs. 2 StPO sei bei der Kostenentscheidung zu seinen Lasten strikt am Wortlaut des Gesetzes festgehalten worden. Dies sei nicht nachvollziehbar und willkürlich. Eine entsprechende Anwendung des § 473 Abs. 3 bzw. 4 oder des § 472a Abs. 2 Satz 2 StPO wären durchaus möglich und gerechtfertigt gewesen.
B.
I.
Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.
Der Beschwerdeführer hat nicht entsprechend dem Begründungserfordernis aus § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg seine Beschwerdebefugnis dargetan, d. h. die Möglichkeit, durch die angegriffene Gerichtsentscheidung in seinen Grundrechten verletzt zu sein.
a. Die in Art. 2 Abs. 1 und 5 LV festgelegten Verfassungsgrundsätze und objektiv-rechtlichen Strukturprinzipien begründen keine subjektiv-öffentlichen Rechte des Bürgers und sind deshalb im Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht rügefähig (vgl. etwa Beschluss vom 16. November 2012 – VfGBbg 59/11 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Für eine mögliche Verletzung der Rechtsweggarantie (Art. 6 Abs. 1 LV) oder der Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV) ist weder etwas vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
b. Der Vortrag des Beschwerdeführers lässt auch die Möglichkeit der Verletzung des Willkürverbots (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV) nicht erkennen.
Bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts beschränkt sich die Kontrolle des Verfassungsgerichts auf die Prüfung, ob das Fachgericht von den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung in vertretbarer Weise Gebrauch gemacht hat. Es nimmt keine Bewertung im Sinne von richtig oder falsch vor. Die Grenze der Willkür ist erst dann überschritten, wenn die Entscheidung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar ist und sich deshalb der Schluss aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen (st. Rspr., vgl. etwa Beschluss vom 17. September 1998 – VfGBbg 18/98 -, LVerfGE 9, 95, 100). Die Entscheidung muss ganz und gar unverständlich und sachlich schlechthin unhaltbar erscheinen, mithin das Recht in einer Weise falsch anwenden, dass jeder Auslegungs- und Bewertungsspielraum überschritten ist (vgl. Beschlüsse vom 15. März 2013 – VfGBbg 42/12 – und vom 19. Juni 2013 – VfGBbg 61/12 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).
Dies ist hier nicht der Fall. Soweit das Oberlandesgericht angenommen hat, der Nebenkläger müsse bei der Anbringung und Begründung von Revisionsanträgen die Formvorschrift des § 390 Abs. 2 StPO beachten, kann dies schon deshalb nicht als willkürlich angesehen werden, weil diese Rechtsauffassung in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Februar 1992 – 3 StR 433/91 -, NJW 1992, 1398). Diese Rechtsprechung ist, anders als der Beschwerdeführer meint, auch nicht offensichtlich überholt. Die vorgenannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist nach Inkrafttreten der vom Beschwerdeführer angesprochenen Rechtsänderungen durch das Opferschutzgesetz vom 18. Dezember 1986 (BGBl I S. 2496) ergangen; sie geht ausdrücklich auf die dadurch geschaffene und nach wie vor gültige Rechtslage ein. Mit der weiteren Annahme des Oberlandesgerichts, dem Beschwerdeführer könne auch keine Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsbegründungsfrist gewährt werden, weil sich die nachgeholte Mitwirkung des Rechtsanwalts in einer bloßen Beurkundung erschöpft habe, setzt sich die Verfassungsbeschwerde schon nicht substantiiert auseinander. Es begegnet im Grundsatz auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, das Formerfordernis des § 390 Abs. 2 StPO bei einer bloßen Beurkundung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt als nicht erfüllt anzusehen (vgl. hierzu etwa BVerfGE 10, 274, 282 f; 64, 135, 152).
Nicht willkürlich, sondern offenkundig zutreffend ist schließlich die vom Beschwerdeführer angegriffene Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 1 Satz 1 und 3 StPO. Diese Bestimmung enthält eine eindeutige Regelung für den Fall, dass – wie hier – ein allein vom Nebenkläger eingelegtes Rechtsmittel erfolglos bleibt. Dies schließt die analoge Anwendung anderer Kostenvorschriften von vornherein aus.
c. In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen ist auch für eine Verletzung des Art. 52 Abs. 4 LV, der den Anspruch auf ein faires Verfahren gewährleistet, nichts ersichtlich.
II.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Möller | Dr. Becker |
Dieltiz | Dresen |
Dr. Lammer | Nitsche |
Partikel | Schmidt |