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VerfGBbg, Beschluss vom 15. April 2016 - VfGBbg 55/15 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 1
- UVG, § 7 Abs. 2 Nr. 2
- BGB, § 1613
- FamFG, § 76
Schlagworte: - Rechtsschutzgleichheit
- Verfahrenskostenhilfe
- Rechtswahrungsanzeige
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 15. April 2016 - VfGBbg 55/15 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 55/15




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

R.,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigte:              Rechtsanwälte A.,

 

wegen            Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 20. März 2015 (13 WF 61/15)

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 15. April 2016

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche und Partikel

 

beschlossen:

 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

Gründe:

 

A.

 

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe in einem auf die Zahlung von rückständigem Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht gerichteten Rechtsstreit.

 

I.

 

Die Beschwerdeführerin ist Mutter zweier in den Jahren 2002 und 2004 geborener Söhne, die im Haushalt des Kindesvaters leben. Ein titulierter Unterhaltsanspruch bestand nicht. Das Bezirksamt A von Berlin gewährte dem Kindesvater für die beiden Söhne seit September 2010 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Die Behörde übersandte der Beschwerdeführerin im Dezember 2010 eine Rechtswahrungsanzeige und teilte mit, in Höhe der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gehe der Unterhaltsanspruch der Kinder kraft Gesetzes auf das Land Berlin über. Das Jugendamt des Bezirksamtes A ermittelte im Juni 2011 einen Unterhaltsbeitrag für die beiden Söhne in Höhe von je 58,33 € monatlich, und teilte dies der Beschwerdeführerin mit.

 

Der Vater zog mit den Söhnen in den Landkreis B, der ab dem 1. November 2011 die Zahlung des Unterhaltsvorschusses in Höhe von je 180 € monatlich übernahm und der Beschwerdeführerin Anfang Januar 2012 neuerlich Rechtswahrungsanzeigen übermittelte. Nachdem die Beschwerdeführerin im Juli 2013 aufgefordert worden war, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse offen zu legen, reichte sie eine Berechnung des Jobcenters C aus dem Oktober 2012 ein, die einen erhöhten Unterhaltsbeitrag in Höhe von je 73,00 € monatlich ab dem 1. Oktober 2012 ergab. Zudem teilte sie mit, sie habe im Januar 2013 eine volle Erwerbstätigkeit aufgenommen. Aus Sicht des Landkreises ergab sich daraus ab Oktober 2012 ein monatlicher Unterhaltsbeitrag von zunächst 73,00 €, ab Januar 2013 von 179,00 € und ab 1. August 2013 von 180,00 € je Kind.

 

Die Beschwerdeführerin zahlte den ursprünglich noch vom Jugendamt des Bezirksamtes A ermittelten Unterhaltsbeitrag seit November 2011 nur unvollständig beim Landkreis ein. Dieser forderte die Beschwerdeführerin Mitte Januar 2014 namens des Landes Brandenburg auf, die aus seiner Sicht aufgelaufenen Unterhaltsrückstände in Höhe von insgesamt 3.346,00 € für die beiden Kinder bis Ende Februar 2014 auf ein näher bezeichnetes Konto einzuzahlen. Dem kam die Beschwerdeführerin nicht nach.

 

Das Land Brandenburg, vertreten durch den Landkreis, hat daraufhin das Amtsgericht D angerufen und Zahlung von insgesamt 3.345,92 € für rückständigen Unterhalt verlangt, der auf das Land übergegangen sei. Die Beschwerdeführerin ist dem Anspruch entgegengetreten. Zugleich beantragte sie die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe. Das Amtsgericht D lehnte mit Beschluss vom 9. Dezember 2014 die Verfahrenskostenhilfe ab. Das Beschwerdevorbringen sei gegenüber dem schlüssigen Antrag unerheblich. Der Anspruch ergebe sich aus § 7 Abs. 2 Nr. 2 Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) i. V. m. § 1601 BGB. Es sei Sache der Beschwerdeführerin, ihre fehlende oder eingeschränkte Leistungsfähigkeit darzulegen und zu beweisen.

 

Die Beschwerdeführerin erhob hiergegen sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht und machte geltend, es sei lediglich ein Unterhaltsbeitrag in Höhe von 58,33 € berechnet und verlangt worden. Insofern habe sie nicht damit rechnen müssen, einen höheren Betrag zahlen zu müssen. Das gelte erst recht für die rückwirkenden Zeiträume. Maßgeblich sei insofern § 1613 Abs. 1 BGB. Die ober- und höchstrichterliche Rechtsprechung schließe es aus, einen bereits bezifferten Unterhaltsanspruch nachträglich betragsmäßig zu erhöhen. Der Betrag sei vom Jugendamt vorbehaltlos und abschließend beziffert worden. Sie sei nicht verpflichtet, Änderungen mitzuteilen.

 

Das Brandenburgische Oberlandesgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 20. März 2015 als unbegründet zurück. Der Rechtsverteidigung fehle die erforderliche Erfolgsaussicht. Das Land dürfe die Beschwerdeführerin nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UVG für die Vergangenheit in Anspruch nehmen. Der Zugang der Rechtswahrungsanzeige bei der Beschwerdeführerin sei unstreitig. Auf § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB komme es nicht an. Das Schreiben des Jugendamts, aus dem sich eine Unterhaltspflicht in Höhe von 58,33 € monatlich ergebe, stehe der Inanspruchnahme nicht entgegen. Zum einen lege das Land seiner Forderung für einen bestimmten Zeitraum nur eine auf diese Höhe beschränkte Unterhaltspflicht zugrunde. Zum anderen beschränke das Schreiben ebenso wie das des Jobcenters aus dem Oktober 2012 die Wirkung der Rechtswahrungsanzeige nicht. Der Umfang der übergeleiteten Unterhaltsansprüche bestimme sich nach bürgerlichem Recht. Dementsprechend sei auch die durch die Rechtswahrungsanzeige hinsichtlich des Unterhalts für die Vergangenheit verbesserte Rechtsposition vergleichbar den Wirkungen einer Mahnung bürgerlich-rechtlicher Natur. Ob die Behörde die durch die Rechtswahrungsanzeige erlangte Rechtsposition wieder verlieren könne, sei nach bürgerlichem Recht zu beantworten. Hier enthalte die Bezifferung von Forderungen in den Jahren 2011 und 2012 keinen Verzicht auf weitergehende Rechtswirkungen der vorangegangenen Rechtswahrungsanzeigen. Die Unterhaltsbezifferungen verböten keine erhöhte Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen, denn sie seien ausdrücklich auf der Grundlage des jeweils aktuellen Einkommens vorgenommen worden. Die Beschwerdeführerin habe daher damit rechnen müssen, bei verändertem Einkommen in veränderter Höhe in Anspruch genommen zu werden. Das klagende Land verhalte sich auch nicht widersprüchlich, indem es erhöhten Unterhalt für die Zeit vor dem Auskunftsverlangen beanspruche, denn es habe durch früheres Verhalten kein schutzwürdiges Vertrauen geschaffen. Vielmehr habe die Beschwerdeführerin damit rechnen müssen, dass sie bis zur Höhe der Aufwendungen des Landes in Anspruch genommen werde. Eine Verwirkung komme wie ein Erlass nicht in Betracht.

 

Die Beschwerdeführerin erhob Anhörungsrüge, mit der sie geltend machte, das Oberlandesgericht übergehe trotz ausdrücklichen Hinweises neueste einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (FamRZ 2013, 109). Stattdessen stütze es sich auf eine Entscheidung aus dem Jahr 1985, obwohl der dort entschiedene Sachverhalt mit dem vorliegenden nicht vergleichbar sei. Das Oberlandesgericht wies die Anhörungsrüge am 24. April 2015 zurück. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin sei zur Kenntnis genommen worden, liege aber neben der Sache. Weitergehende Hinweispflichten hätten nicht bestanden. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs komme erst dann in Betracht, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstelle, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Verfahrensbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassung nicht habe rechnen müssen. Solches sei nicht dargetan. Tatsächlich ergebe der Wortlaut von § 7 Abs. 2 Nr. 2 UVG eine von den Voraussetzungen des § 1613 BGB unabhängige Möglichkeit zur Inanspruchnahme des Unterhaltsschuldners für die Vergangenheit. Insofern seien Ausführungen zu § 1613 BGB im Rahmen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UVG evident unerheblich. Dies entspreche im Übrigen aktueller obergerichtlicher Rechtsprechung.

 

II.

 

Die Beschwerdeführerin hat am 18. Juni 2015 Verfassungsbeschwerde erhoben und hierfür die Gewährung von Prozesskostenhilfe begehrt. Sie macht geltend, der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 20. März 2015 verletze sie in ihren Rechten auf Gleichbehandlung vor Gericht sowie Gewährung rechtlichen Gehörs.

 

Die Versagung der Verfahrenskostenhilfe verletze den Gleichheitsgrundsatz. Denn der angegriffene Beschluss erschwere der Beschwerdeführerin in unzumutbarer Weise den Zugang zum Gericht. Zwar sei es grundsätzlich Sache der Fachgerichte zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe vorlägen. Das Verfassungsgericht müsse aber eingreifen, wenn das in Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 Landesverfassung (LV) verbürgte Recht unverhältnismäßig eingeschränkt werde. Das sei vorliegend der Fall. Das Oberlandesgericht überspanne die Anforderungen an die Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung und stelle die unbemittelte Partei damit schlechter als die bemittelte. Das Verfahren betreffe die höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage, ob auch im Rahmen von § 7 UVG eine rückwirkende Inanspruchnahme nach konkreter Bezifferung unter Heranziehung der Grundsätze zur Inverzugsetzung eines Unterhaltsverpflichteten möglich sei. Die Klärung dieser Frage dürfe nicht in das Verfahrenskostenhilfeverfahren vorverlagert werden. Insofern müsse Verfahrenskostenhilfe gewährt werden. Im Übrigen treffe die im Gehörsrügebeschluss zitierte Rechtsprechung nicht den entschiedenen Fall. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (FamRZ 2013, 109) komme eine rückwirkende Erhöhung von Unterhaltsansprüchen nach Bezifferung nicht mehr in Betracht. In der vom Oberlandesgericht herangezogenen gegenläufigen Rechtsprechung fehle eine solche konkrete Bezifferung der Unterhaltsansprüche. Die Rechtsfrage selbst sei für den Anwendungsbereich von § 7 UVG nicht abschließend entschieden.

 

B.

 

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

 

I.

 

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin genügt im Hinblick auf Art. 52 Abs. 3 Alt. 1  LV nicht dem Begründungserfordernis. Eine § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg genügende Begründung der Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass der die Rechtsverletzung enthaltende Vorgang substantiiert und schlüssig vorgetragen wird. Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer sich mit dieser inhaltlich auseinanderzusetzen. Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (vgl. Beschluss vom 22. Mai 2015 - VfGBbg 32/14 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfGE 130, 1, 21 m. w. Nachw.). Dem genügt die Beschwerdeschrift nicht. Diese gibt zwar den Inhalt der angegriffenen Beschwerdeentscheidung wortgetreu wieder, lässt jedoch nicht erkennen, inwiefern der Beschluss des Oberlandesgerichts das Recht auf Rechtsschutzgleichheit aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV verkannt haben könnte.

 

Das Recht auf Rechtsschutzgleichheit verpflichtet die zur Anwen­­­dung und Aus­­legung der Vor­­schrif­ten über die Verfahrens­ko­st­en­hilfe (§ 76 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit  i. V. m. §§ 114 ff Zivilprozessordnung (ZPO)) zuvör­derst beru­fenen Fachgerichte dazu, das Erfor­der­nis der Erfolgs­aus­sich­ten der beabsichtigten Rechts­­verfolgung oder Rechtsverteidigung (§ 114 Satz 1 ZPO) nicht zu überspannen, um einer unbe­mit­tel­ten Par­tei die gericht­­­­­liche Durchsetzung ihrer Rechte im Ver­hält­nis zu einer bemit­­­­telten Partei nicht unver­hält­nis­mäßig zu erschwe­­ren; denn der Zweck der Prozesskostenhilfe ist es, dem Unbe­mittelten einen weit­ge­hend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen (Beschlüsse vom 26. August 2004 - VfGBbg 10/04 -, LVerfGE 15, 110, 113 f, und vom 15. März 2013 - VfGBbg 49/12 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; vgl. BVerfGE 81, 347, 356, 358; Ernst, in: Lieber/Iwers/Ernst, Kommentar zur Lan­des­­ver­fassung, 2012, Art. 52 Nr. 4.2). Der Unbemittelte ist im Wesentlichen dem gleichzustellen, der als Bemittelter Chan­­­cen und Risi­ken der Rechts­verfolgung vernünftig abwägt; die­­­ser zieht auch die Erhebung einer Klage oder das Einlegen eines Rechtsmittels ernstlich in Betracht, deren Erfolg zwar nicht gewiss ist, aber doch auch nicht fernliegend erscheint. Das ist etwa der Fall, wenn der Erfolg eines Begehrens von höchst­rich­ter­lich noch nicht ge­­klär­ten und umstrit­­­te­nen Rechts­­fra­gen abhängt. Es steht mit dem Zweck der Verfahrenskostenhilfe nicht im Einklang, wenn derartige Zweifelsfragen im nur summarischen Bewilligungsverfahren „durchentschieden“ werden, denn deren umfassende und abschließende Prüfung gehört allein in das Hauptsacheverfahren (vgl. Beschlüsse vom 26. August 2004 - VfGBbg 10/04 -, LVerfGE 15, 110, 114, und vom 15. März 2013 - VfGBbg 49/12 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).

 

Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, dass das Oberlandesgericht diesen Entscheidungsmaßstab verkannt hat. Ihr Vorbringen ergibt nicht, dass das Gericht über ungeklärte Rechts­fragen ent­schie­den hat, die zu bea­nt­worten dem Verfahren in der Hauptsache vor­­be­halten wäre. Die Frage, „ob auch im Sinne des § 7 UVG eine rückwirkende Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen nach konkreter Bezifferung eines Unterhaltsanspruches unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung anerkannten Grundsätze zur Inverzugsetzung eines Unterhaltsberechtigten, der selbst keine übergegangenen Ansprüche nach § 7 UVG verfolgt, [zulässig ist]“, ist in dieser Allgemeinheit schon nicht ungeklärt, sie stellt sich im vorliegenden Verfahren vor allem aber auch gar nicht.

 

1. Bereits aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 UVG ist zu entnehmen, dass der Elternteil, bei dem der Berechtigte nicht lebt, für die Vergangenheit nur von dem Zeitpunkt an auf Zahlung von Unterhalt in Anspruch genommen werden kann, in dem die Voraussetzungen des § 1613 BGB vorgelegen haben. Findet § 1613 BGB damit, wie sich von selbst versteht, auch auf übergegangene Unterhaltsansprüche Anwendung, gelten insoweit auch die in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zur Auslegung dieser Vorschrift entwickelten Grundsätze einschließlich der zum Verzug des Unterhaltsschuldners (vgl. dazu etwa BGH NJW 1982, 1983; NJW 1983, 2318; FamRZ 1988, 478). Vorliegend beruht die Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin jedoch nicht auf § 7 Abs. 2 Nr. 1 UVG i. V. m. § 1613 BGB, sondern auf § 7 Abs. 2 Nr. 2 UVG. Nach dieser Vorschrift kann der Elternteil, bei dem der Berechtigte nicht lebt, über § 1613 BGB hinaus für die Vergangenheit nur von dem Zeitpunkt an in Anspruch genommen werden, in dem er von dem Antrag auf Unterhaltsleistung Kenntnis erhalten hat und darüber belehrt worden ist, dass er für den geleisteten Unterhaltsvorschuss in Anspruch genommen werden kann. Die Beschwerdeführerin geht auf diese vom Oberlandesgericht in den Mittelpunkt seiner Argumentation gestellte Vorschrift, die die Möglichkeit erweitert, Unterhalt für die Vergangenheit zu verlangen, nicht näher ein.

 

2. Sollte die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage dahin zu verstehen sein, dass in Bezug auf § 7 Abs. 2 Nr. 2 UVG zu klären sei, welche Bedeutung einer Rechtswahrungsanzeige nach vorangegangener Bezifferung der Unterhaltsforderung zukommen kann, würde sie sich gleichfalls nicht stellen. Die von der Beschwerdeführerin als bedeutsam erachteten Unterhaltsberechnungen des Jugendamtes A und des Jobcenters C sind erst nach Zugang der ersten Rechtswahrungsanzeige vorgenommen worden.

 

3. Versteht man die Frage schließlich dahin, dass zu klären sei, ob die Wirkungen einer Rechtswahrungsanzeige nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UVG durch eine nachträgliche (geringere) Bezifferung des geschuldeten Unterhalts eingeschränkt werden können, setzt sich die Beschwerdeführerin nicht hinreichend mit der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander. Der Bundesgerichtshof hat bereits in dem vom Oberlandesgericht herangezogenen Urteil vom 6. März 1985 (IVb ZR 7/84, FamRZ 1985, 586) ausgeführt, dass eine nachträgliche Beschränkung der – gleichfalls seit langem geklärten (vgl. BGH FamRZ 1979, 475; FamRZ 1983, 895) – Wirkungen einer Rechtswahrungsanzeige durch Handeln der Behörde unter Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben möglich ist, wenn dies auch im seinerzeit zur Entscheidung anstehenden Verfahren nicht für gegeben erachtet worden war. Dies entspricht im Wesentlichen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur nachträglichen Beschränkung der Wirkungen einer Mahnung im Bereich des § 1613 BGB, die nur nach Maßgabe von Treu und Glauben bzw. auf der Grundlage eines Erlassvertrages in Betracht kommt (vgl. dazu etwa BGH FamRZ 1988, 478; FamRZ 1995, 725). Demzufolge hat auch das Oberlandesgericht in dem angegriffenen Beschluss die Frage geprüft, ob die beiden Unterhaltsberechnungen den auf das Land Brandenburg übergegangenen Unterhaltsanspruch nach zivilrechtlichen Grundsätzen beschränkt oder zum Erlöschen gebracht haben könnten. Auch darauf geht die Beschwerdeführerin nicht weiter ein.

 

Dass das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. März 1985 (FamRZ 1985, 586) nicht zum Unterhaltsvorschussrecht ergangen ist, ist dabei ohne Bedeutung. Die dort inmitten stehende sozialrechtliche Vorschrift des § 91 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in der damals geltenden Fassung (später § 91 Abs. 3 BSHG) war im Wesentlichen inhalts- und wirkungsgleich mit § 7 Abs. 2 Nr. 2 UVG (vgl. Engler, in: Staudinger, BGB, § 1613 Rn. 74). Die Behauptung der Beschwerdeführerin, das vorzitierte Urteil betreffe keinen Fall, in dem nach Ergehen der Rechtswahrungsanzeige bezifferte Unterhaltsansprüche nachträglich erhöht verlangt worden wären, trifft nicht zu. Tatsächlich hatte der Leistungserbringer dort nach Rechtswahrungsanzeige zunächst nur einen Unterhaltsanspruch in Höhe von 120 DM auf sich übergeleitet, diesen Betrag dann aber nachträglich rückwirkend auf 500 DM erhöhen wollen.

 

4. Soweit sich die Beschwerdeführerin wiederholt auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 7. November 2012 (FamRZ 2013, 109) bezieht, legt sie nicht dar, welche Bedeutung diese Entscheidung im Hinblick auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation haben könnte. Die Entscheidung betrifft nicht den Anwendungsbereich der Rechtswahrungsanzeige, sondern die Auslegung von § 1613 BGB in einem Fall, in dem der Unterhaltsanspruch nach erteilter Auskunft zunächst beziffert, dann aber rückwirkend höherer Unterhalt verlangt worden war. Hierzu ist noch anzumerken, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin und der Inhalt der von ihr vorgelegten Unterlagen nicht erkennen lassen, dass die tatsächlichen Voraussetzungen, auf die sich ihre Rechtsansicht gründet, gegeben sind. Ihrem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, dass das klagende Land Brandenburg den auf das Land übergegangenen Unterhaltsanspruch gegenüber der Beschwerdeführerin konkret beziffert hätte.

 

II.

 

Die Verfassungsbeschwerde ist auch in Bezug auf die ausdrücklich nur vorsorglich erhobene Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV) unzulässig. Die Beschwerdeschrift enthält dazu keine weiteren Ausführungen.

 

III.

 

Der Antrag der Beschwerdeführerin, ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen, war zurückzuweisen, denn ihre Verfassungsbeschwerde bot keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. Beschluss vom 20. September 2013 - VfGBbg 33/13 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).

 

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dr. Fuchsloch Dr. Lammer
   
Nitsche Partikel