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VerfGBbg, Beschluss vom 15. April 2010 - VfGBbg 37/09 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 11
- StPO, § 33a; StPO, § 406e; StPO. § 475 Abs. 1
Schlagworte: - Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung
- Akteneinsicht
- Strafverfahren
Fundstellen: - LKV 2010, Nr. 10, 475
- Mitteilungen Städte- und Gemeindebund
Brandenburg, Jahrgang 21 - Nummer 10-11/2010,
S. 307
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 15. April 2010 - VfGBbg 37/09 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 37/09



IM NAMEN DES VOLKES

 
B E S C H L U S S

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

H.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin D.,

wegen der Gewährung von Einsicht in die Strafverfahrensakten 72 Ls 1654 Js 23798/05 (50/08) durch das Amtsgericht Cottbus

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Postier, Prof. Dawin, Dielitz, Dr. Fuchsloch, Möller, Nitsche, Partikel und Schmidt

am 15. April 2010

b e s c h l o s s e n :

1. Die Entscheidung des Amtsgerichts Cottbus vom 10. April 2009, der ... Bank Einsicht in die Strafverfahrensakten 72 Ls 1654 Js 23798/05 (50/08) zu gewähren, verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 11 der Verfassung des Landes Brandenburg) und wird aufgehoben.

2. Das Land Brandenburg hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit

wird auf 4000 € festgesetzt.

G r ü n d e :

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Gewährung von Akteneinsicht durch das Amtsgericht Cottbus.

I.

Das Amtsgericht Cottbus beschlagnahmte mit Beschluss vom 7. Juli 2005 in dem gegen den Beschwerdeführer wegen Urkundenfälschung und Betrugs eingeleiteten Ermittlungsverfahren die Unterlagen über seine sämtlichen Konten, unter anderen auch über die bei der ... Bank geführten.

Unter dem 7. April 2008 vermerkte der ermittelnde Oberstaatsanwalt, ein Betrug zu Lasten der ... Bank sei nicht nachweisbar; das Verfahren solle insoweit gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt werden. Die Anklageschrift vom 6. April 2008 führt die ... Bank dementsprechend nicht als Geschädigte auf.

Mit Schreiben vom 7. April 2008 beantragte die ... Bank durch die Rechtsanwälte ... bei der Staatsanwaltschaft Einsicht in die Strafakte des Beschwerdeführers, da dieser beabsichtige, die Bank wegen der Beschlagnahme seiner dort geführten Konten auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Der Oberstaatsanwalt teilte darauf mit, dass die Akte an das Amtsgericht Cottbus gesandt worden sei und gegebenenfalls Akteneinsicht von dort gewährt werde (s. Vermerk vom 8. April 2008, Bl. 667 der Strafakte). Das Anschreiben zur Übersendung von Anklageschrift und Akten (zwei Bände Ermittlungsakten, 198 Tatbände sowie 10 Sonderbände) an das Amtsgericht Cottbus enthält den Zusatz: „Auf das AE-Gesuch der Rechtsanwälte ... mache ich aufmerksam!“ (Blatt 588 der Strafakte). Am 10. April 2008 verfügte der zuständige Richter am Amtsgericht Cottbus, den Rechtsanwälten der ... Bank unter Mitteilung des Aktenumfangs mitzuteilen, dass die Einsichtnahme nur bei Gericht erfolgen könne (Blatt 669 der Strafakte).

Nachdem die ... Bank am 29. Juni 2009 durch ihren Rechtsanwalt Einsicht in alle Akten und Beweismittelordner genommen sowie 79 Kopien gefertigt hatte, teilte sie dem Beschwerdeführer unter dem 7. Juli 2009 mit, sie weise jegliche Schadensersatzansprüche zurück. Die geltend gemachten Schäden seien nicht durch die Kontosperre verursacht gewesen, sondern, „wie sich schon aus der Ermittlungsakte ergibt“, auf andere Gründe zurückzuführen.

Darauf erhob der Beschwerdeführer beim Amtsgericht Cottbus mit Schriftsatz vom 12. Juli 2009 im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs sowie auf dem Postweg Gegenvorstellung mit dem Antrag festzustellen, dass die Gewährung von Akteneinsicht an die ... Bank rechtswidrig gewesen sei. Das auf dem Postweg eingegangene Schreiben trägt ebenso wie das elektronisch versandte keine Unterschrift (Blatt 730f bzw. 733f der Strafakte). Die bei der elektronischen Übermittlung verwendete Signatur wurde geprüft und verweist auf die Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers als Absender. Unter dem 11. August 2009 vermerkte der Richter beim Amtsgericht Cottbus: „Die ‚Gegendarstellung’ Bl. 730 bis 734 ist nicht unterschrieben. AE ist ausweislich der Verf. Bl. 669 auf Hinweis der StA (Bl. 588 unten) nur auf der GeschSt gewährt worden unter Überlassung einer AS“ (Blatt 735 der Strafakte). Eine Mitteilung an den Beschwerdeführer erfolgte nicht.

II.

Mit der am 5. September 2009 bei Gericht eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 10 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 der Verfassung des Landes Brandenburg (LV) und auf rechtliches Gehör nach Art. 52 Abs. 3 LV.

Die Voraussetzungen für eine Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung seien nicht erfüllt gewesen. Aus der zum Zeitpunkt der Akteneinsicht bereits vorliegenden Anklageschrift folge, dass die ... Bank nicht Verletzte von Strafhandlungen des Beschwerdeführers im Sinne des § 406e StPO sei. Auch das für eine Akteneinsicht nach § 475 StPO erforderliche berechtigte Interesse habe gefehlt. Die Akteneinsicht habe allein dem Ziel gedient, der ... Bank einen Informationsvorsprung in dem anhängigen Zivilverfahren zu verschaffen, in dem der Beschwerdeführer die Bank wegen unberechtigter Kontosperrung und fehlender Information auf Schadensersatz in Anspruch nehme. Jedenfalls sei die Gewährung vollständiger Akteneinsicht unverhältnismäßig gewesen. Die Möglichkeit eines geringeren Eingriffs durch Auskunftserteilung nach § 475 Abs. 1 StPO hätte beachtet werden müssen. Das Amtsgericht Cottbus habe zudem Art. 52 Abs. 3 LV verletzt, da es den Beschwerdeführer weder vor Gewährung der Akteneinsicht angehört noch ihn im Nachhinein darüber informiert habe. Dieser habe erst durch das Schreiben der ... Bank vom 7. Juli 2009 Kenntnis von der Akteneinsicht erlangt. Die nachträgliche Anhörung nach § 33a StPO könne die Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht heilen. Die Erhebung der Verfassungsbeschwerde sei erforderlich, um ein Beweisverwertungsverbot im Zivilverfahren zu erlangen.

III.

Das Amtsgericht Cottbus und die ... Bank haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

1. Der Direktor des Amtsgerichts Cottbus verweist auf die dienstliche Äußerung des befassten Richters. Dieser hat angegeben, aufgrund des staatsanwaltlichen Zusatzes bei Übersendung der Anklageschrift, des Vermerks vom 8. April 2008 sowie der summarischen Durchsicht der umfangreichen Anklageschrift davon ausgegangen zu sein, dass die beantragende Bank zu den Geschädigten des Verfahrens gehöre. Er habe auf die Gegenvorstellung lediglich mit Vermerken reagiert, da er weder Kenntnis davon gehabt habe, dass die Gegenvorstellung im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs erhoben worden und daher möglicherweise ohne Unterschrift gültig sei, noch von der zwischenzeitlich erfolgten Akteneinsicht.

2. Die ... Bank trägt vor, sie sei als Verletzte nach § 406e StPO zur Akteneinsicht berechtigt gewesen. Nach den Sachverhaltsermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft sowie dem Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Cottbus habe sie zum Zeitpunkt der Akteneinsicht davon ausgehen können, dass der Beschwerdeführer Betrug und Urkundenfälschung auch zu ihren Lasten verübt habe. Von der Einstellung des Verfahrens habe sie erst durch die Akteneinsicht erfahren. Zudem habe ein Einsichtsrecht gemäß § 475 StPO bestanden, da die Akteneinsicht der Verteidigung gegen einen vom Beschwerdeführer geltend gemachten zivilrechtlichen Anspruch gedient habe. Schutzwürdige Belange des Beschwerdeführers, die zu einer Versagung der Akteneinsicht hätten führen können, fehlten. Eine vorherige Anhörung sei nur erforderlich, wenn die Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft und nicht wie vorliegend durch das Gericht gewährt werde. Durch Urteil vom 12. Januar 2010 habe das Landgericht Cottbus inzwischen die Zivilklage des Beschwerdeführers gegen die ... Bank vollumfänglich abgewiesen.

IV.

Die Verfahrensakten sind beigezogen worden.

B.

Die Verfassungsbeschwerde hat Erfolg.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

1. Der Beschwerdeführer hat ein schutzwürdiges Interesse an der verfassungsgerichtlichen Klärung. Die mit der Akteneinsicht verbundene Beschwer hat sich nicht durch die Beendigung der Einsichtnahme erledigt, sondern wirkt – schon aufgrund des Fortbestandes der durch die Akteneinsicht erlangten Kenntnisse – weiter.

2. Der Rechtsweg ist erschöpft (§ 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg). Die Entscheidung des Vorsitzenden über die Aktenüberlassung gemäß § 406e StPO bzw. § 475 StPO ist nicht anfechtbar (§ 406e Abs. 3 Satz 2 bzw. § 475 Abs. 3 Satz 3 StPO). Es kann dahinstehen, ob das Überprüfungsverfahren nach § 33a StPO, das seinem Wortlaut nach bei Gehörsverstößen in Beschlüssen Anwendung findet, geboten war und auch statthaft ist, wenn - wie vorliegend - Gehörsverletzungen durch richterliche Verfügungen geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer hat mit seinem als „Gegenvorstellung“ bezeichneten Rechtsbehelf vom 12. Juli 2009 ausdrücklich die seiner Ansicht nach fehlende Anhörung gerügt und daher der Sache nach einen etwa erforderlichen Antrag nach § 33a StPO gestellt. Dieser Antrag war auch erhoben.

3. Die Verfassungsbeschwerde ist auch nicht aus Gründen ihrer Subsidiarität unzulässig. Zwar verlangt das in § 45 Abs. 2 VerfGGBbg verankerte Prinzip der Subsidiarität von einem Beschwerdeführer, dass dieser - über eine bloße Rechtswegerschöpfung hinaus – vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde alles im Rahmen seiner Möglichkeiten Stehende getan hat, um eine etwaige Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder von vornherein zu verhindern (ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg, s. nur Beschluss vom 17. September 2009 – VfGBbg 22/08 -, www.verfassungsgericht. brandenburg.de). Dazu kann auch gehören, die Frage eines Verwertungsverbotes für grundrechtswidrig erlangte Erkenntnisse zunächst von den dazu berufenen Fachgerichten klären zu lassen (vgl. BVerfGE 42, 212, 218). Vorliegend stand dem Beschwerdeführer mit dem anhängigen Schadensersatzprozess aber keine zumutbare fachgerichtliche Klärungsmöglichkeit zur Verfügung. Da das Verwertungsverbot für die durch die Akteneinsicht festgestellten Tatsachen weder unmittelbarer Streitgegenstand des zivilgerichtlichen Verfahrens noch notwendigerweise für seine Entscheidung erhebliche Vorfrage ist, bot es von vornherein keine hinreichende Gewähr dafür, dass eine Entscheidung über die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen der Einsicht in Strafakten ergehen würde. Dies ist im Zusammenhang mit der Abweisung der Schadensersatzklage auch nicht geschehen.

4. Die Verfassungsbeschwerde ist schließlich nicht deswegen unzulässig, weil mit ihr die Verletzung von Landesgrundrechten im Rahmen eines bundesrechtlich – hier: durch die Strafprozessordnung - geordneten Verfahrens gerügt wird. Die insoweit erforderlichen Voraussetzungen (vgl. nur Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss vom 16. Mai 2002 - VfGBbg 46/02 -, LVerfGE Suppl. Bbg. zu Band 13, 106, 111) sind gegeben. Ein Bundesgericht war mit der Akteneinsichtsgewährung nicht befasst. Eine Rechtsschutzalternative zu der Verfassungsbeschwerde steht - wie ausgeführt - nicht zur Verfügung. Die als verletzt gerügten Rechte auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 11 LV und auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 52 Abs. 3 LV gewährleistet das Grundgesetz (GG) inhaltsgleich durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 80, 367, 373) sowie Art. 103 Abs. 1 GG. Die Anwendung der Vorschriften des Grundgesetzes würde zu demselben Ergebnis führen.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.

1. Die Entscheidung des Amtsgerichts Cottbus, der ... Bank Einsicht in die Strafakten 72 Ls 1654 Js 23798/05 (50/08) zu gewähren, verletzt den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art. 11 LV.

Nach Art. 11 Abs. 1 LV hat jeder das Recht, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst zu bestimmen. Daten dürfen nur mit freiwilliger und ausdrücklicher Zustimmung des Berechtigten erhoben, gespeichert, verarbeitet, weitergegeben oder sonst verwendet werden. Dementsprechend umfasst dieses Grundrecht die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich allein darüber zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen er einen persönlichen Lebenssachverhalt offenbart und wie mit seinen personenbezogenen Daten verfahren wird (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss vom 15. November 2001 - VfGBbg 49/01 EA –, LVerfGE 12, 155, 159f. m. w. N.). Einschränkungen dieses Grundrechts sind nach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 LV nur im überwiegenden Allgemeininteresse durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes im Rahmen der darin festgelegten Zwecke zulässig. Dabei ist zugleich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss vom 18. September 2008 – VfGBbg 13/08 -, www.verfassungsgericht.brandenburg. de).

Die Gewährung von Akteneinsicht in strafrechtliche Ermittlungsakten nach § 406e StPO bzw. § 475 StPO stellt einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung derjenigen dar, deren personenbezogene Daten auf diesem Weg zugänglich gemacht werden. Die Akteneinsicht gewährende Stelle hat daher die schutzwürdigen Interessen dieser Personen gegen das Informationsinteresse abzuwägen und den Zugang zu den Daten soweit erforderlich zu versagen oder angemessen zu beschränken (vgl. zum Bundesrecht Bundesverfassungsgericht – BVerfG -, Beschluss vom 18. März 2009 – 2 BvR 8/08 -, NJW 2009, 2876 mwN). Sie ist verpflichtet, ihre Entscheidung auf der Basis einer zureichenden Sachaufklärung und unter Berücksichtigung der im jeweiligen Einzelfall bedeutsamen Umstände zu treffen (vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 103, 21, 35f; zu Art. 33 der Verfassung von Berlin Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 10. Februar 2009 – 132/08, 132A/08, juris Rn. 15).

Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Überprüfung einer gerichtlichen Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht ist insbesondere, ob grundrechtliche Positionen des Beschwerdeführers außer Acht gelassen wurden (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, u. a. Beschlüsse vom 21. April 2005 - VfGBbg 22/05 – und vom 22. November 2007 – VfGBbg 37/06 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Dies ist vorliegend der Fall. Das Amtsgericht hat die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gewährung von Einsicht in Strafakten nach § 406e StPO bzw. § 475 StPO nicht beachtet. Weder die Verfügung vom 10. April 2009 noch der übrige Inhalt der Strafakte lassen erkennen, dass das Amtsgericht die Entscheidung über die Akteneinsicht auf der Grundlage einer zureichenden Ermittlung und Abwägung der schutzwürdigen Interessen der ... Bank an der begehrten Akteneinsicht einerseits sowie des Beschwerdeführers an der Geheimhaltung seiner personenbezogenen Daten andererseits getroffen hat. Vielmehr ergibt sich aus der dienstlichen Stellungnahme des Akteneinsicht gewährenden Richters, dass seine Entscheidung allein mit der Annahme gerechtfertigt worden ist, die ... Bank gehöre zu den Geschädigten des Verfahrens und sei damit ohne Weiteres zu umfassender Akteneinsicht berechtigt. Diese Ansicht wird der Bedeutung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht gerecht, da ihr erkennbar die Vorstellung zugrunde liegt, im Fall des Akteneinsichtsantrags eines Verletzten bedürfe es keiner Abwägung. Dies jedoch steht mit den aus Art. 11 LV folgenden verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht im Einklang. Eine Abwägung war vorliegend auch nicht - ausnahmsweise – deswegen entbehrlich, weil Sachverhalt und Interessenlage eindeutig gewesen wären. Ein eindeutiger Fall lag offenkundig nicht vor. Angesichts der Aktenlage hätte sich im Gegenteil das Erfordernis einer (sorgfältigen) Abwägung aufdrängen müssen. Schon aufgrund des nur ungenau formulierten Akteneinsichtsantrages der ... Bank und des Umstandes, dass die Anklageschrift sie nicht als Geschädigte aufführte, war ein schutzwürdiges Interesse an der Akteneinsicht nicht ohne weiteres erkennbar. Einen hinreichenden Tatverdacht zu Lasten der ... Bank hatte die Staatsanwaltschaft verneint. Zudem gab auch der erhebliche Umfang der Akten Anlass zu weiterer Prüfung, um die Einsichtnahme entsprechend dem bei einem Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf die für das Informationsinteresse wesentlichen Dokumente beschränken zu können. Das Amtsgericht hat insofern nicht beachtet, dass die überlassenen Verfahrensakten Dokumente enthielten, die nicht zur Kenntnisnahme durch Dritte bestimmt und für das dargelegte Interesse der ... Bank – selbst unter Berücksichtigung ihrer vom Amtsgericht angenommenen Verletzteneigenschaft – offensichtlich ohne Bedeutung waren. Dies betrifft den Auszug aus dem Bundeszentralregister und einen Strafbefehl wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs ebenso wie die zahlreichen Vorgänge insbesondere aus dem Komplex „... - Betrug“, die konkreten Geschädigten zugeordnet sind.

2. Da die Verfassungsbeschwerde schon wegen der Verletzung des durch Art. 11 LV geschützten Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung begründet ist, bedarf die Frage, ob die gewährte Akteneinsicht auch gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör verstößt, keiner Entscheidung.

III.

Die angegriffene Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht war gemäß § 50 Abs. 3 VerfGGBbg aufzuheben.

C.

Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 32 Abs. 7 Satz 1 VerfGGBbg.

D.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus § 33 Abs. 1, § 37 Abs. 2 Satz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.

Der Beschluss ist unanfechtbar.
 

Postier Prof. Dawin
     
Dielitz Dr. Fuchsloch
 
Möller Nitsche
   
Partikel Schmidt