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VerfGBbg, Beschluss vom 15. April 2003 - VfGBbg 6/03 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 21 Abs. 1; LV, Art. 98 Abs. 2 Satz 3
Schlagworte: - Anhörung
- Gemeindegebietsreform
nichtamtlicher Leitsatz: Zum Recht auf politische Mitgestaltung im Sinne von Art. 21 Abs. 1 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) sowie zur Anhörung der Bevölkerung im Sinne von Art. 98 Abs. 2 Satz 3 LV bei kommunaler Neugliederung.
Fundstellen: - LKV 2003, 469
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 15. April 2003 - VfGBbg 6/03 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 6/03



IM NAMEN DES VOLKES
B E S C H L U S S

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

M.,

Beschwerdeführer,

betreffend die Eingliederung der Gemeinde Groß Glienicke in die Stadt Potsdam

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Weisberg-Schwarz, Prof. Dr. Dombert, Prof. Dr. Harms-Ziegler, Havemann, Dr. Jegutidse, Prof. Dr. Schröder und Prof. Dr. Will

am 15. April 2003

b e s c h l o s s e n :

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

G r ü n d e :

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Eingliederung der Gemeinde Groß Glienicke in die Stadt Potsdam durch das dritte Gesetz zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die Landeshauptstadt Potsdam und die Ämter Fahrland und Werder (3. GemGebRefGBbg) vom 24. März 2003 (GVBl. I S. 70). Er rügt die Verletzung seines „demokratischen Mitwirkungsrechts“ und des Rechts auf Anhörung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens. In dem Gesetzgebungsverfahren habe keine Abwägung der von ihm vorgebrachten Gesichtspunkte stattgefunden. Auf seine mit Schreiben vom 12. Juli 2002 im Rahmen des Anhörungsverfahrens mitgeteilten Anregungen und Bedenken habe er keine schriftliche Reaktion erhalten. Nachfragen beim Innenministerium und ein Schreiben an den Petitionsausschuß des Landtages seien bisher in der Sache unbeantwortet geblieben. Damit seien die die Gemeinde Groß Glienicke betreffenden Gesetzespassagen rechtswidrig zustande gekommen. Auch sei die Anhörung in der Gemeinde nicht ordnungsgemäß erfolgt. Es habe keinen Aushang in den Bekanntmachungskästen der Gemeinde gegeben.

Der Präsident des Landtages und die Landesregierung haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

B.

Die Verfassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Es mag dahinstehen, ob sie in dieser Form den verfahrensrechtlichen Erfordernissen entspricht. Jedenfalls ist die Verfassungsbeschwerde in der Sache selbst unbegründet.

Das Recht auf politische Mitgestaltung, wie es Art. 21 Abs. 1 Landesverfassung Brandenburg (LV) gewährleistet, hat der Beschwerdeführer ungehindert wahrnehmen können. Er hat hiervon nach eigenem Vorbringen Gebrauch gemacht, indem er Anregungen und Bedenken mitgeteilt hat. Daß er hierauf keine schriftliche Reaktion erhalten hat, stellt sich nicht als Verletzung von Art. 21 Abs. 1 LV dar. Die Verfassungsbestimmung begründet keinen Anspruch auf schriftliche Beantwortung von Stellungnahmen zu einem Gesetzgebungsvorhaben. Ob bei der gesetzgeberischen Neugliederungsentscheidung alle maßgeblichen Gesichtspunkte einbezogen und sachgerecht abgewogen worden sind, ist im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht zu überprüfen. Mit der Individualverfassungsbeschwerde kann allein die Verletzung in eigenen durch die Verfassung gewährleisteten Grundrechten geltend gemacht werden. Sie gibt dem einzelnen Bürger nicht den Anspruch auf allgemeine Überprüfung der Landesgesetzgebung nach Art eines Normenkontrollverfahrens in die Hand.

Soweit Art. 98 Abs. 2 Satz 3 LV bestimmt, daß vor einer Änderung des Gemeindegebietes die Bevölkerung gehört werden muß, kann offenbleiben, ob sich hieraus ein vor dem Verfassungsgericht des Landes Brandenburg als verletzt rügbares Individualrecht des einzelnen Bürgers auf Anhörung und - in diesem Zusammenhang - auf ordnungsgemäße Bekanntgabe der beabsichtigten kommunalen Neugliederungsmaßnahme ergibt. Denn jedenfalls reicht die Bekanntgabe im Amtlichen Anzeiger der betreffenden Gemeinde, wie sie hier erfolgt ist, aus. Sie entspricht auf kommunaler Ebene der Bekanntgabe im Gesetz- und Verordnungsblatt auf Landesebene. Eine Bekanntgabe etwa (auch) durch Aushang in den Bekanntmachungskästen der Gemeinde ist durch die Verfassung nicht vorgegeben. Ob die Modalitäten der Verordnung zur Regelung des Verfahrens der Anhörung der Bürger bei der Veränderung von Gemeindegrenzen und Gemeindezusammenschlüsse (Anhörungsverordnung - AnhV) vom 29. Dezember 1995 (GVBl. 1996 II S. 50) eingehalten worden sind, ist vom Verfassungsgericht, weil es sich nicht um einen Verstoß gegen die Verfassung, sondern um einen Verstoß gegen „einfaches Recht“ handeln würde, nicht zu überprüfen. Daß der Beschwerdeführer in dem hier in Frage stehenden Zusammenhang in eigenen Rechten verletzt worden wäre, scheidet auch deshalb aus, weil er ja tatsächlich von der Neugliederungsmaßnahme erfahren, sich darüber informiert und Anlaß genommen hat, sich zu Wort zu melden.
 

Weisberg-Schwarz Prof. Dr. Dombert
 
Prof. Dr. Harms-Ziegler Havemann
 
Dr. Jegutidse Prof. Dr. Schröder
 
Prof. Dr. Will