VerfGBbg, Beschluss vom 15. März 2013 - VfGBbg 49/12 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 - ZPO, § 114 ff |
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Schlagworte: | - Rechtsschutzgleichheit - Antrag auf Prozesskostenhilfe für ein Berufungsverfahren - Überspannung des Erfordernisses der Erfolgsaussichten bei ungeklärter und schwieriger Rechtsfrage |
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nichtamtlicher Leitsatz: | Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 Verfassung des Landes Brandenburg verpflichtet die Gerichte, § 114 Zivilprozessordnung so auszulegen, dass einer unbemittelten Partei die Rechtsverfolgung oder –verteidigung im Vergleich zu einer bemittelten Partei nicht unverhältnismäßig erschwert wird. Danach darf über ungeklärte Rechtsfragen, die für den in der Hauptsache geltend gemachten Anspruch von Bedeutung sind, nicht bereits in dem summarischen Verfahren der Prozesskostenhilfe abschließend entschieden werden (im Anschluss an VfGBbg 10/04, LVerfGE 15, 110). | |
Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 15. März 2013 - VfGBbg 49/12 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 49/12
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
M.,
Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte B,
wegen der Beschlüsse des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 15. Februar 2012 und 14. Juni 2012 (5 U 49/11)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt
am 15. März 2013
b e s c h l o s s e n:
1. Der Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 15. Februar 2012 (5 U 49/11) verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gericht aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 der Landesverfassung. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Brandenburgische Oberlandesgericht zurückverwiesen. Damit wird der Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 14. Juni 2012 gegenstandslos.
2. Das Land hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
3. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 4.000,00 € festgesetzt.
A.
Die Beschwerdeführerin wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für ein Berufungsverfahren in einem Zivilrechtsstreit.
I.
Die Beschwerdeführerin schloss mit der Beklagten des Ausgangsverfahrens, einer Versicherungsgesellschaft (Beklagte), im Jahre 1993 einen Rentenlebensversicherungsvertrag mit Kapitalwahlrecht ab. Nach den Vertragsbedingungen sollte die Auszahlung der Rente bzw. – bei Ausübung des Wahlrechts - die einmalige Kapitalzahlung zum 1. Juni 2023 erfolgen. Mit Schreiben vom 7. Juli 2006 kündigte die Beschwerdeführerin den Vertrag. Daraufhin teilte ihr die Beklagte einen Rückkaufwert der Versicherung von 9.753,30 € mit, verweigerte jedoch die Auszahlung dieses Betrages unter Hinweis auf ein laufendes Versorgungsausgleichsverfahren. Erfolglos bestand die Beschwerdeführerin auf einer Auszahlung mit der Begründung, ihr Anspruch unterfalle nicht dem Versorgungsausgleich.
Ende 2009 erhob die Beschwerdeführerin Klage am Landgericht Neuruppin auf Zahlung des Rückkaufwertes. Das Landgericht bewilligte ihr zunächst antragsgemäß Prozesskostenhilfe, wies die Klage jedoch später mit Urteil vom 29. Juli 2010 als derzeit unbegründet ab. Dem Klageanspruch stehe das bis zum Abschluss des Versorgungsausgleichsverfahrens geltende Zahlungsverbot aus § 29 des Gesetzes über den Versorgungsausgleich (VersAusglG) entgegen. Diese Norm erfasse alle Versicherungsaustrittsleistungen wie etwa Abfindungen und Beitragserstattungen, die zum Erlöschen eines im Rahmen des Versorgungsausgleichs zu berücksichtigenden Anrechts führten. Ob die Bestimmung nicht anwendbar sei, wenn bei einem Rentenlebensversicherungsvertrag der Versicherungsnehmer das Kapitalwahlrecht schon ausgeübt habe, könne dahinstehen, weil die Beschwerdeführerin den Versicherungsvertrag bereits vor einer etwaigen Ausübung des Kapitalwahlrechts gekündigt habe. Nach der Kündigung könne sie eine Erklärung, die das Versicherungsverhältnis gestalte, nicht mehr abgeben.
Für die beabsichtigte Einlegung der Berufung beantragte die Beschwerdeführerin beim Oberlandesgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Im Juli 2011 teilte das Oberlandesgericht der Beschwerdeführerin mit, dass infolge einer hausinternen Abgabe seit dem 1. Juli 2011 nicht mehr der 13. Zivilsenat, sondern der 5. Zivilsenat für das Verfahren zuständig sei. Zur Begründung des Prozesskostenhilfeantrages führte die Beschwerdeführerin aus: Durch die Kündigung sei ihr Anwartschaftsrecht aus der Rentenversicherung erloschen und dem Versorgungsausgleich entzogen; der nach der Kündigung noch bestehende und zur Auszahlung fällige Anspruch auf den Rückkaufwert unterliege nicht dem Versorgungsausgleich und einem Zahlungsverbot.
Mit dem angegriffenen Beschluss vom 15. Februar 2012 wies das Oberlandesgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren mangels hinreichender Erfolgsaussichten zurück. Das Auszahlungsverbot des § 29 VersAusglG erfasse die Klageforderung, auch wenn diese selbst - als auf eine einmalige Geldleistung gerichtet – nicht dem Versorgungsausgleich unterliege. Mit der Auszahlung des Rückkaufwertes würden die Versorgungsanwartschaften aus der Rentenversicherung erlöschen und ein diesbezüglicher Versorgungsausgleich unmöglich gemacht werden; dies wolle die Bestimmung für die Dauer des Versorgungsausgleichsverfahrens, in dem das Familiengericht über das Bestehen etwaiger Ausgleichsansprüche entscheide, verhindern.
Die Beschwerdeführerin erhob wenig später gegen den Beschluss Anhörungsrüge, legte gleichzeitig Berufung ein und beantragte, ihr gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Mit Beschluss vom 14. Juni 2012 wies das Oberlandesgericht die Anhörungsrüge als unbegründet zurück, der Beschluss ging der Beschwerdeführerin am 20. Juni 2012 zu. Später bewilligte das Oberlandesgericht die Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist und wies darauf hin, dass es die Berufung nach § 522 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zurückzuweisen beabsichtige; eine Entscheidung steht hierzu noch aus.
II.
Mit der am 20. August 2012 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin, durch die Versagung von Prozesskostenhilfe in ihren Rechten auf den gesetzlichen Richter (Art. 52 Abs. 1 Satz 2 der Landesverfassung – LV -), auf rechtliches Gehör (Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV) und auf Rechtsschutzgleichheit (Art. 12 Abs. 1 LV i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt zu sein.
Das Oberlandesgericht habe ihr Recht auf Rechtsschutzgleichheit verletzt. Es habe die Anforderungen an die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung überspannt und damit den Zweck der Prozesskostenhilfe verfehlt, dem Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zum Gericht zu ermöglichen. Mit Blick auf die Schwierigkeit der zu beurteilenden Rechtsfrage hätte das Gericht ihr Prozesskostenhilfe bewilligen müssen.
Rechtliches Gehör sei ebenfalls verletzt. Das Oberlandesgericht habe wesentlichen Vortrag zur Ausübung des Kapitalwahlrechts übergangen. Zudem hätte es vor dem Beschluss vom 15. Februar 2012 einen Hinweis erteilen müssen, damit sie weitere Gesichtspunkte hätte vortragen können, die für die Annahme einer mit der Kündigung erfolgten Ausübung des Kapitalwahlrechts sprechen.
Die Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter beruhe auf der Abgabe des Verfahrens von dem 13. an den 5. Zivilsenat, die gegen den Geschäftsverteilungsplan verstoßen habe.
III.
Der Präsident des Brandenburgischen Oberlandesgerichts erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Akten des Ausgangsverfahrens wurden beigezogen.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig; im Übrigen ist sie zulässig und begründet.
I.
1. Die Rüge der Beschwerdeführerin, ihr Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV sei verletzt, ist unzulässig. Ihr steht der Grundsatz der materiellen Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde entgegen. Danach muss ein Beschwerdeführer vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde über die formale Erschöpfung des Rechtswegs hinaus alle ihm zur Verfügung stehenden und zumutbaren Möglichkeiten ergriffen haben, um eine etwaige Grundrechtsverletzung von vornherein zu verhindern oder zu beheben (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss vom 27. Mai 2011 – VfGBbg 20/10 -, Beschluss vom 25. Februar 2011 – VfGBbg 15/10, 8/10 EA –, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).
Diesen Anforderungen hat die Beschwerdeführerin nicht Genüge getan. Das Oberlandesgericht hat sie im Juli 2011 in Kenntnis davon gesetzt, dass seit dem 1. Juli 2011 nicht mehr der 13., sondern der 5. Zivilsenat für das Verfahren zuständig sei. Die Beschwerdeführerin hat hierauf nicht reagiert; insbesondere hat sie nicht bereits das Oberlandesgericht auf die ihrer Ansicht nach fortbestehende Zuständigkeit des 13. Zivilsenats hingewiesen. Dass dies nicht möglich oder aus anderen Gründen unzumutbar oder offensichtlich aussichtslos gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.
2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig. Insbesondere hat die Beschwerdeführerin gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) den Rechtsweg erschöpft, nachdem sie das Verfahren der Anhörungsrüge nach § 321a ZPO durchlaufen hat. Diese war statthaft. Bei dem Beschluss vom 15. Februar 2012 handelte es sich nicht um eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung im Sinne von § 321a Abs. 1 Satz 2 ZPO. Auch gegen Zwischenentscheidungen, die zu einem bleibenden rechtlichen Nachteil führen, der im weiteren Verfahrensverlauf nicht mehr behoben werden kann, kann die Anhörungsrüge erhoben werden. Die Ablehnung von Prozesskostenhilfe gehört zu derartigen Zwischenentscheidungen (Bundesverfassungsgericht – BVerfG -, Beschluss vom 17. Februar 2011 - 1 BvR 279/11 -, zitiert nach juris Rn. 2; Vollkommer, in: Zöller, Kommentar zur ZPO, 29. Aufl. 2012, § 321a Rn. 5; grundlegend BVerfGE 119, 292, 294; Bundesgerichtshof – BGH -, Beschluss vom 20. Januar 2009 – Xa ZB 34/08 -, NJW-RR 2009, 642). Die Verfassungsbeschwerde ist auch binnen der Zwei-Monats-Frist des § 47 Abs. 1 Satz 1 VerfGGBbg erhoben worden. Schließlich steht ihrer Zulässigkeit nicht entgegen, dass die angegriffenen Entscheidungen auf der Grundlage von Verfahrensrecht des Bundes ergangen sind. Die insoweit erforderlichen Voraussetzungen (vgl. Beschluss vom 16. Dezember 2010 – VfGBbg 18/10 –, LKV 2011, 124 f; Beschluss vom 26. August 2004 – VfGBbg 10/04 -, LVerfGE 15, 110, 113) sind erfüllt.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die Versagung der Prozesskostenhilfe durch das Oberlandesgericht verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Gleichheit vor Gericht in seiner Ausprägung als Recht auf Rechtsschutzgleichheit aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV.
1. Das Recht auf Rechtsschutzgleichheit verpflichtet die zur Anwendung und Auslegung der Vorschriften über die Prozesskostenhilfe (§§ 114 ff ZPO) zuvörderst berufenen Fachgerichte dazu, das Erfordernis der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung (§ 114 Satz 1 ZPO) nicht zu überspannen, um einer unbemittelten Partei die gerichtliche Durchsetzung ihrer Rechte im Verhältnis zu einer bemittelten Partei nicht unverhältnismäßig zu erschweren; denn der Zweck der Prozesskostenhilfe ist es, dem Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen (Beschluss vom 26. August 2004, a. a. O., S. 113 f; BVerfGE 81, 347, 356, 358; Ernst, in: Lieber/Iwers/Ernst, Kommentar zur Landesverfassung, 2012, Art. 52 Nr. 4.2). Der Unbemittelte ist im Wesentlichen dem gleichzustellen, der als Bemittelter Chancen und Risiken der Rechtsverfolgung vernünftig abwägt; dieser zieht auch die Erhebung einer Klage oder das Einlegen eines Rechtsmittels ernstlich in Betracht, deren Erfolg zwar nicht gewiss ist, aber doch auch nicht fernliegend erscheint (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 2012 – 2 BvR 820/11 -, NVwZ 2012, 1390). Die umfassende und abschließende Prüfung des Anspruchs soll nicht von dem Hauptsacheverfahren in das summarisch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gerichtete Verfahren vorverlegt werden, insbesondere sollen höchstrichterlich nicht geklärte und umstrittene Rechtsfragen nicht „durchentschieden“ werden (Beschluss vom 26. August 2004, a. a. O., S. 114; BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 2012, a. a. O.; BVerfG, Beschluss vom 7. November 2011 - 1 BvR 1403/09 -, StV 2012, 354, 355).
2. Hieran gemessen verletzt die Ablehnung von Prozesskostenhilfe die von der Landesverfassung garantierte Rechtsschutzgleichheit. Das Gericht hat im Prozesskostenhilfeverfahren über eine für die Existenz des Klageanspruchs maßgebliche ungeklärte und umstrittene Rechtsfrage entschieden, die zu beantworten dem Berufungsverfahren vorbehalten ist. Damit hat es das Erfordernis der Erfolgsaussichten überspannt.
a. Der Klageanspruch der Beschwerdeführerin ist auf Zahlung des Rückkaufwertes der im Jahre 1993 mit der Beklagten geschlossenen Rentenlebensversicherung mit Kapitalwahlrecht gerichtet. Der Anspruch auf den Rückkaufwert (§ 169 Versicherungsvertragsgesetz – VVG -) beruht auf der Kündigung des Versicherungsvertrages. Das Oberlandesgericht ist der Ansicht, dieser Anspruch werde vom Zahlungsverbot des § 29 VersAusglG – inhaltlich unveränderte Nachfolgeregelung zu § 10d des zum 1. September 2009 außer Kraft getretenen Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) - erfasst, so dass die Klage derzeit unbegründet sei.
Dass die Anwartschaft der Beschwerdeführerin aus der Rentenlebensversicherung ursprünglich dem Gesetz über den Versorgungsausgleich unterfiel, unterliegt keinem Zweifel. Denn bei einer solchen Versicherung handelt es sich um eine auf eine Rente gerichtete Versorgungsanwartschaft und damit um ein Anrecht (§ 2 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 VersAusglG), das – soweit in der Ehezeit erworben - bei Scheidung der Ehe unter den Ehegatten auszugleichen ist (§ 1 VersAusglG). Eine Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht ist solange ein Anrecht im Sinne des Versorgungsausgleichs, wie das Kapitalwahlrecht nicht ausgeübt wurde. Um den ausgleichsberechtigten Ehegatten davor zu schützen, dass der Ausgleich des Anrechts ganz oder teilweise unmöglich gemacht wird, untersagt § 29 VersAusglG dem Versorgungsträger, solche Zahlungen an den ausgleichspflichtigen Ehegatten vorzunehmen, die Einfluss auf den Wert des auszugleichenden Anrechts haben können, das Anrecht also beseitigen oder dessen Wert mindern.
b. Ob zu den zu unterlassenden Zahlungen im Sinne von § 29 VersAusglG auch die auf eine Kündigung des Versicherungsvertrages folgende Auskehr des Rückkaufwertes nach § 169 VVG zählt (so Norpoth, in: Erman, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – BGB -, Band 2, 13. Aufl. 2011, § 29 VersAusglG Rn. 2), ist höchstrichterlich bisher nicht entschieden. Die in dem Beschluss über die Versagung der Prozesskostenhilfe vertretene und dies bejahende Auffassung des Oberlandesgerichts ist mit Blick auf die obergerichtliche Rechtsprechung und die herrschende Literaturmeinung jedenfalls umstritten. Es wird vertreten, dass eine solche Auszahlung des Rückkaufwertes den Wert des auszugleichenden Anrechts nicht mehr beeinflussen könne, wenn dieses bereits – wie die Beschwerdeführerin im fachgerichtlichen Verfahren geltend gemacht hat – allein durch die Kündigung (§ 168 Abs. 1 VVG) erloschen sei (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht – OLG -, Beschluss vom 12. Dezember 2006 – 10 UF 146/05 -, zitiert nach juris Rn. 29; OLG Nürnberg, Beschluss vom 20. April 2011 – 10 UF 36/11 -, NJW-RR 2011, 1375; zu der den Versicherungsvertrag beendenden Wirkung der Kündigung des Versicherungsnehmers: Reiff, in Prölss/Martin, Kommentar zum VVG, 28. Aufl. 2010, § 168 Rn. 18). § 29 VersAusglG beziehe sich, so diese Auffassung, ausschließlich auf noch bestehende Anrechte (Hohloch/Schmeiduch, in: Soergel, Kommentar zum BGB, Band 18, Familienrecht 2, 13. Aufl. 2000, § 10d VAHRG Rn. 1; Gräper, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 7, Familienrecht I, 6. Auflage 2013, § 29 VersAusglG Rn. 3); nur diese könnten Gegenstand des Versorgungsausgleichs sein (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 5. Februar 2003 – XII ZB 53/98 -, NJW 2003, 1320).
Dass der an dem Landgericht Neuruppin zunächst zuständige Richter Anfang März 2010 unter Zitierung höchstrichterlicher Rechtsprechung darauf hingewiesen hatte, der Anspruch der Beschwerdeführerin dürfte begründet sein, verdeutlicht ebenfalls, dass die Rechtslage gegenwärtig nicht hinreichend geklärt ist. Unter diesen Umständen wäre es für eine bemittelte, besonnene Partei nicht unvernünftig gewesen, das Risiko eines Rechtsmittels auf sich zu nehmen.
3. Nachdem die Verfassungsbeschwerde bereits aus den vorgenannten Gründen Erfolg hat, bedarf es keiner Prüfung, ob die Beschwerdeführerin darüber hinaus auch in ihrem Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt ist (vgl. Beschluss vom 30. September 2010 - VfGBbg 32/10 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, 2. Aufl. 2001, Rn. 649).
C.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 15. Februar 2012 ist hiernach gemäß § 50 Abs. 3 VerfGGBbg aufzuheben; die Sache ist an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 14. Juni 2012 ist damit gegenstandslos.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 32 Abs. 7 Satz 1 VerfGGBbg.
Der Gegenstandswert ist nach § 33 Abs. 1, § 37 Abs. 2 Satz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz auf 4.000,00 € festzusetzen.
D.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Möller | Dr. Becker |
Dielitz | Dresen |
Dr. Fuchsloch | Dr. Lammer |
Nitsche | Partikel |
Schmidt |