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VerfGBbg, Beschluss vom 14. Oktober 2016 - VfGBbg 82/15 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - FamFG, § 76 Abs. 1
- ZPO, § 114 Abs. 1
- SGB I, § 36 Abs. 1
- SGG, § 71 Abs. 2 Satz 1
Schlagworte: - Verfahrenskostenhilfe
- Rechtsschutzbedürfnis
- einfacherer Weg zum Rechtsschutzziel
- prozessulae Überholung
- Beschwer
- Anhörungsrügebeschluss
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 14. Oktober 2016 - VfGBbg 82/15 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 82/15




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

M.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigte:              Rechtsanwältin
Dr. H.,

wegen Beschlüsse des Amtsgerichts Nauen vom 28. Januar 2015 (24 F 250/14) und des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 18. März 2015 und 21. September 2015 (13 WF 60/15)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 14. Oktober 2016

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche und Schmidt

beschlossen: 

 

  1. Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
  2. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

 

 

Gründe:

 

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Behandlung eines Verfahrenskostenhilfeantrags.

 

I.

Der geschiedene Beschwerdeführer ist Vater einer Tochter und eines Sohnes im Alter von 15 und 16 Jahren, deren alleiniges Sorgerecht seit 2007 die Mutter innehat. Für Aufenthaltsbestimmungsrecht und Gesundheitssorge war seit 2010 Pflegschaft angeordnet. Die Kinder hielten sich im Rahmen des Umgangs, der Sohn inzwischen dauerhaft, auch beim Beschwerdeführer auf. Dieser beantragte für sich selbst und die Kinder im Januar 2013 für die Dauer des jeweiligen Umgangs die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Das Jobcenter lehnte den Antrag ab, woraufhin der Beschwerdeführer nach erfolgloser Durchführung eines Vorverfahrens im August 2013 namens seiner Kinder Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben und zugleich die Gewährung von Prozesskostenhilfe begehrt hat. Während das Hauptsacheverfahren noch nicht abgeschlossen ist, lehnte das Sozialgericht die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Tochter des Beschwerdeführers im Februar 2014 ab. Die Klage sei insoweit unzulässig, denn der Beschwerdeführer dürfe die am 4. Oktober 2000 geborene Tochter, anders als den inzwischen bereits 15-jährigen Sohn (geboren am 6. Januar 1999), der die Klageerhebung genehmigt habe, nicht im Verfahren vertreten. Eine Genehmigung der Sorgeberechtigten liege nicht vor. Die Beschwerde zum Landessozialgericht blieb erfolglos (Beschluss vom 19. September 2014).

 

Im Oktober 2014 beantragte der Beschwerdeführer beim Amtsgericht Nauen, die Genehmigung der sozialgerichtlichen Prozessführung durch die Kindesmutter nach § 1666 BGB gerichtlich zu ersetzen und beantragte zugleich Verfahrenskostenhilfe. Das Amtsgericht wies den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe am 28. Januar 2015 mit der Begründung zurück, der Antrag sei in der Hauptsache aussichtslos (24 F 250/14). Die Beschwerde zum Brandenburgischen Oberlandesgericht blieb erfolglos. Das Oberlandesgericht führte im Beschluss vom 18. März 2015 (13 WF 60/15) aus, die Rechtsverfolgung sei aussichtslos, denn der Beschwerdeführer habe die für den Anspruch nach § 1666 Abs. 1, 3 Nr. 5 BGB tatbestandlich erforderliche Kindeswohlgefährdung nicht substantiiert dargetan. Es sei kein Anhaltspunkt ersichtlich, der zu weiteren Ermittlungen genutzt werden könne, um zu der Feststellung zu gelangen, dass die Erfüllung der Grundbedürfnisse des Kindes im Haushalt des Beschwerdeführers während der Zeitspanne des Umgangs nicht gedeckt seien. Selbst wenn sich der Beschwerdeführer nur äußerst sparsam ernähren könne, bleibe es möglich, kleine Mahlzeiten während der Umgangstage mit dem Kind zu teilen oder ihm ganz zu überlassen. Ein etwaiger Mangel könne während der längeren Zeiträume im Haushalt der Mutter ausgeglichen werden, sodass keine schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Kindes zu befürchten seien. Soweit eine Gefährdung des Kindesvermögens eher in Betracht kommen möge, könne offen bleiben, ob die vorliegende Konstellation überhaupt den Tatbestand des § 1666 Abs. 1 BGB erfülle. Es spreche jedenfalls nichts dafür, einer etwaigen Gefährdung des Vermögens durch eine Bevollmächtigung des Beschwerdeführers zu begegnen, eine wirksame und erfolgversprechendere Vertretung sei auch und möglicherweise besser durch einen rechtskundigen und prozesserfahrenen Vertreter gewährleistet.

 

Eine Anhörungsrüge wies das Brandenburgische Oberlandesgericht am 21. September 2015 als unbegründet zurück.

 

II.

Der Beschwerdeführer hat am 28. Oktober 2015 Verfassungsbeschwerde erhoben und zugleich die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. Er rügt die Verletzung der Art. 7, 12 Abs. 1, 52 Abs. 3 Alt. 2, Abs. 4 Satz 1 Landesverfassung (LV). Die Ansicht des Oberlandesgerichts, dem Beschwerdeführer, dem nur geringfügig über seinen Wohnbedarf hinausgehende Mittel zur Verfügung gestanden hätten, die nicht die Höhe des Regelsatzes nach dem SGB II erreichten, sei eine unter Umständen wochenlange Mangelernährung zuzumuten, sei mit dem Schutz der Menschenwürde unvereinbar. Zudem erweise sich der Beschluss des Oberlandesgerichts als objektiv willkürlich, wenn es § 1666 BGB nur dann als eröffnet ansehe, wenn eine schwere gesundheitliche Beeinträchtigung des Kindes zu befürchten sei. Auch die Erwägungen zur Vertretung im Prozess vor dem Sozialgericht seien unhaltbar. Demzufolge sei auch das Grundrecht der Rechtsschutzgleichheit verletzt. Zudem habe das Oberlandesgericht dem Beschwerdeführer nicht hinreichend rechtliches Gehör geboten. Er habe dargelegt, dass seine finanziellen Mittel nicht ausreichten, den notwendigen Unterhalt des Kindes während der Umgangszeiten zu gewährleisten, was durch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse belegt worden sei. Wenn dies dem Oberlandesgericht nicht genüge, habe es darauf hinweisen müssen. Auch sei dessen Annahme überraschend, er, der Beschwerdeführer, wünsche eine Bevollmächtigung. Dieser habe nicht damit rechnen müssen, dass das Oberlandesgericht übersehen würde, dass der angefochtene Bescheid ohne die erstrebte Ersetzung der Genehmigung unanfechtbar werde.

 

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

 

1. In Bezug auf den Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 28. Januar 2015 ist die Verfassungsbeschwerde schon wegen prozessualer Überholung unzulässig, denn der Beschluss ist durch die nachfolgende Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts bestätigt worden (vgl. BVerfG NJW 2011, 2497). Im Übrigen zeigt der Beschwerdeführer, dessen Vorbringen auf den Beschluss des Oberlandesgerichts konzentriert ist, nicht auf, inwiefern der amtsgerichtliche Beschluss auf einem Verfassungsverstoß beruhen könnte (§ 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg).

 

2. Soweit die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 21. September 2015 gerichtet ist, fehlt dem Beschwerdeführer das Rechtsschutzbedürfnis. Die Zurückweisung der Gehörsrüge ist mit der Verfassungsbeschwerde nicht angreifbar, denn sie schafft keine eigenständige Beschwer. Sie lässt allenfalls eine bereits durch die Ausgangsentscheidung eingetretene Verletzung rechtlichen Gehörs fortbestehen, indem eine Selbstkorrektur durch die Fachgerichte unterbleibt. Ein schutzwürdiges Interesse an einer - zusätzlichen - verfassungsgerichtlichen Überprüfung der Gehörsrügeentscheidung besteht nicht (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 19. Juni 2015 - VfGBbg 54/15 -, vom 20. März 2015
- VfGBbg 58/14 - und vom 20. Februar 2015 - VfGBbg 44/14 -, www.verfassungs-gericht.brandenburg.de).

 

3. Für die Anrufung des Verfassungsgerichts besteht aber auch sonst kein Rechtsschutzbedürfnis. Dieses ist bereits dann zu verneinen, wenn dem Beschwerdeführer ein einfacherer Weg zur Erreichung seines Rechtsschutzziels zur Verfügung steht und er demzufolge verfassungsgerichtlicher Hilfe nicht bedarf (vgl. BVerfGE 30, 54, 58; 35, 324, 334; 110, 304, 320; Zuck, Das Recht der Verfassungsbeschwerde,
4. Aufl. 2013, Rn. 714). Das ist hier der Fall.

 

Auch im Falle einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde würde der Beschwerdeführer das Ziel, eine neuerliche und diesmal positive Entscheidung über seinen Verfahrenskostenhilfeantrag zu erlangen, nicht erreichen können. Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe kommt nach § 76 Abs. 1 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) nur dann in Betracht, wenn die vom Beschwerdeführer beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig ist. Das setzt wiederum voraus, dass der Beschwerdeführer zur Erreichung seines Rechtsschutzziels unverändert gerichtlicher Hilfe bedarf. Kann der Beschwerdeführer sein Ziel hingegen inzwischen auf einfacherem Wege, insbesondere ohne Anrufung des Familiengerichts, erreichen, so kommt die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe nicht (mehr) in Betracht.

 

Hier betreibt der Beschwerdeführer das auf § 1666 BGB gestützte familiengerichtliche Verfahren vor dem Amtsgericht Nauen, um die von der allein sorgeberechtigten Mutter nicht erteilte Genehmigung zur sozialgerichtlichen Prozessführung für seine Tochter gerichtlich ersetzen zu lassen. Dieses Ziel kann mittlerweile auf einfachere Weise erreicht werden. Die Tochter des Beschwerdeführers kann die Prozessführung ihres Vaters vor dem Sozialgericht inzwischen selbst genehmigen, wie dies im Übrigen auch ihr Bruder in demselben sozialgerichtlichen Verfahren bereits getan hat. Sie hat Anfang Oktober 2015 noch vor Anrufung des Verfassungsgerichts das 15. Lebensjahr vollendet und ist daher nach § 71 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz i.V.m. § 36 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) als prozessfähig anzusehen (vgl. Leitherer, in: Meyer-Lade­wig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 71 Rn. 5a; Arndt, in: Breitkreuz/Fich­te, SGG, 2. Aufl. 2014, § 71 Rn. 7). Dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist nicht zu entnehmen, dass die Tochter eine entsprechende Genehmigung verweigert hat oder verweigern wird oder ein Fall des § 36 Abs. 2 Satz 1 SGB I vorliegen könnte. Insofern ist nicht zu erkennen, dass es des gegen die Kindesmutter gerichteten familiengerichtlichen Verfahrens noch bedarf.

 

Ein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis kann vorliegend auch nicht aus dem Grund angenommen werden, dass anderenfalls bezogen auf die vom Beschwerdeführer gerügten Grundrechte eine Klärung verfassungsrechtlicher Fragen von grundsätzlicher Bedeutung unterbliebe, eine besonders schwerwiegende Grundrechtsverletzung gegeben wäre oder eine relevante Gefahr der Wiederholung des Eingriffs bestünde (vgl. BVerfGE 103, 44, 58; 105, 239, 246; Kunze, in: Umbach/Cle­mens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, Vor §§ 17 ff. Rn. 47 m. w. Nachw.). Hierfür bietet das Beschwerdevorbringen keine tragfähigen Ansätze.

 

C.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da die Verfassungsbeschwerde aus den vorgenannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 48 VerfGGBbg i. V. m. §§ 114 ff ZPO).

 

D.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dresen
   
Dr. Fuchsloch Dr. Lammer
   
Nitsche Schmidt