VerfGBbg, Urteil vom 14. Juli 1994 - VfGBbg 4/93 -
Verfahrensart: |
Kommunalverfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 98 - VerfGGBbg, § 51 - KNGBbg, § 1; KNGBbg, § 2 |
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Schlagworte: | - kommunale Selbstverwaltung - Gebietshoheit - Anhörung - Willkür |
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nichtamtlicher Leitsatz: | 1. Gemeindeverbände gelten für das Rechtsbehelfsverfahren gegen ihre Auflösung als fortbestehend. Das Gleiche gilt, wenn sie sich nicht gegen ihre Auflösung, sondern lediglich gegen die neue gebietliche Zuordnung wenden. 2. Für das Rechtsbefehlsverfahren als fortbestehend geltende Landkreise werden grundsätzlich durch ihre zuletzt amtierenden Landräte vertreten. 3. Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an kommunale Neugliederungen. |
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Fundstellen: | - LKV 1995, 37, 118 - NJ 1995, 54 (nur LS) - LVerfGE 2, 125 |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Urteil vom 14. Juli 1994 - VfGBbg 4/93 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 4/93

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerden 1. des Kreises Kyritz, vertreten durch den Landrat Hans-Joachim Winter, 2. des Kreises Pritzwalk, vertreten durch den Landrat Reinhard Götze, Beschwerdeführer, Verfahrensbevollmächtigte: Prof. Dr. H. und Rechtsanwalt Dr. S., betreffend §§ 1 und 2 des Gesetzes zur Neugliederung der Kreise und kreisfreien Städte im Land Brandenburg, Kreisneugliederungsgesetz - KNGBbg (Art. 1 des Gesetzes zur Neugliederung der Kreise und kreisfreien Städte sowie zur Änderung weiterer Gesetze - Kreis- und Gerichtsneugliederungsgesetz - (KGNGBbg) vom 24. Dezember 1992 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Brandenburg Teil I S. 546) hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 1994 für R e c h t erkannt: Die Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen. G r ü n d e : A. Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihren Verfassungsbeschwerden gegen ihre durch §§ 1 und 2 des Gesetzes zur Neugliederung der Kreise und kreisfreien Städte im Land Brandenburg (Kreisneugliederungsgesetz - KGNBbg vom 24. Dezember 1992, GVBl. I S. 546) bewirkte Eingliederung in die Landkreise Ostprignitz-Ruppin und Prignitz. Sie beantragen, §§ 1 und 2 KNGBbg für verfassungswidrig-nichtig zu erklären, soweit die Beschwerdeführer betroffen sind. I. Die Beschwerdeführer gehörten zu den ursprünglich 38 Kreisen des Landes Brandenburg. Im Rahmen der Kreisgebietsreform hat der Landtag am 16. Dezember 1992 das Gesetz zur Neugliederung der Kreise und kreisfreien Städte vom 24. Dezember 1992 beschlossen. Dieses ordnete das Land in 14 Kreise und 4 kreisfreie Städte. Durch § 1 KNGBbg wurde aus dem Kreis Perleberg und dem beschwerdeführenden Kreis Pritzwalk ohne die Gemeinden Blumenthal, Grabow und Rosenwinkel sowie den Gemeinden des Amtes Gumtow der Landkreis Prignitz gebildet. Aus dem beschwerdeführenden Kreis Kyritz ohne die Gemeinden des Amtes Gumtow, dem Kreis Neuruppin und dem Kreis Wittstock sowie den Gemeinden Blumenthal, Grabow, Rosenwinkel (Kreis Pritzwalk) und Keller (Kreis Gransee) wurde durch § 2 KNGBbg der Landkreis Ostprignitz-Ruppin gebildet. Im Landkreis Prignitz haben ca. 110.000 Einwohner auf einer Grundfläche von 2112,87 km², im Landkreis Ostprignitz-Ruppin ca. 119.000 Einwohner auf 2.510,15 km². Als Prignitz wird seit dem 12. Jahrhundert die Landschaft zwischen der Elde (im Westen), der Elbe (im Süden), der Dosse (im Osten) und der mecklenburgischen Seenplatte bezeichnet. Zentrale Orte der Prignitz sind seit alters her Perleberg, Kyritz und Wittenberge. Die Gliederung der Prignitz in Ost- und Westprignitz geht auf das Jahr 1817 zurück. Seit dieser Zeit umfaßte die Ostprignitz im wesentlichen das Gebiet der späteren Kreise Kyritz, Pritzwalk und Wittstock, die Westprignitz das Gebiet des Kreises Perleberg sowie die Gebiete um Lenzen, Havelberg (seit 1952 Verwaltungsbezirk Magdeburg, jetzt Sachsen-Anhalt) und Putlitz (seit 1952 Verwaltungsbezirk Potsdam, Kreis Pritzwalk). Die Grenze zwischen den Kreisen West- und Ostprignitz verlief in Nord-Süd-Richtung etwa entlang der Linie Putlitz - Havelberg. Nach eher geringfügigen Grenzänderungen - auch zwischen den Kreisen Ost- und Westprignitz - im 19. Jahrhundert wurden 1946 die zur Ostprignitz gehörenden Gemeinden Flecken Zechlin, Zechlin Dorf, Zechlinerhütte, Luhme, Klein- und Großzerlang, Repente sowie Zempow in den Kreis Ruppin eingegliedert. Seit der Verwaltungsreform 1952 bis zur Schaffung der ostdeutschen Länder im Jahre 1990 im Zuge der Herstellung der Einheit Deutschlands war der Kreis Perleberg dem ehemaligen Bezirk Schwerin und waren die Kreise Kyritz - einschließlich der ehemals zum Ruppiner Land zählenden Gemeinden Wusterhausen und Neustadt/Dosse -, Pritzwalk, Wittstock und Neuruppin dem ehemaligen Bezirk Potsdam zugeordnet. Die Landesregierung beschloß am 29. Januar 1991 die Vorbereitung der für die Durchführung der Kreisgebietsreform notwendigen Vorschriften. Im April 1991 erstellte das Ministerium des Innern einen (ersten) Vorschlag zur Neugliederung. Dieser sah einen Großkreis Gesamtprignitz bestehend aus den Kreisen Perleberg, Pritzwalk, Kyritz und Wittstock vor. Die Landräte der Kreise erhielten durch den Runderlaß des Ministeriums des Innern vom 25. April 1991 Gelegenheit, zum Entwurf Stellung zu nehmen. Der Kreis Perleberg befürwortete die Aufteilung der Prignitz in eine Ost- und eine Westprignitz. Der Kreis Pritzwalk unterstützte die Bildung eines Großkreises Prignitz. Der Kreis Kyritz strebte den Zusammenschluß der Kreise Ostprignitz (Kyritz, Pritzwalk und Wittstock) an. Die Kreise Wittstock und Neuruppin schlugen ihre Verbindung mit dem Kreis Kyritz vor. Der Minister des Innern setzte 1991 die Arbeitsgruppe "Kreisgebietsreform" ein, die im Oktober 1991 die verschiedenen Regionen Brandenburgs bereiste, öffentliche Anhörungen - u.a. in Kyritz - durchführte und die Neugliederungsvorschläge mit den Vertretern der Landkreise und kreisfreien Städte erörterte. In ihrem Abschlußbericht vom 13. Dezember 1991 empfahl die Arbeitsgruppe für den Raum der Prignitz die Verbindung der Kreise Perleberg und Pritzwalk (Kreis Westprignitz) sowie der Kreise Kyritz, Neuruppin und Wittstock (Kreis Ostprignitz-Ruppin). Die Kreise Perleberg, Wittstock und Neuruppin stimmten in ihren Stellungnahmen gegenüber dem Ministerium des Innern dem Vorschlag der Arbeitsgruppe grundsätzlich zu. Die beschwerdeführenden Kreise Pritzwalk und Kyritz hielten an ihren bisherigen Standpunkten fest. Die Landesregierung stellte mit Kabinettsbeschluß vom 10. März 1992 Leitlinien zur Kreisneugliederung auf. Die von der Arbeitsgruppe "Kreisgebietsreform" dargestellten Reformkriterien und Grundsätze zur Gesamtkonzeption der Gebietsaufteilungen wurden weitgehend übernommen. Mit Erlaß vom 24. März 1992 gab der Minister des Innern den Landkreisen und kreisfreien Städten Gelegenheit, zu dem Regierungskonzept bis zum 31. Mai 1992 Stellung zu nehmen. Zur Vorbereitung ihrer Stellungnahmen führten die Kreise der Prignitz bis zum 30. April 1992 eine Bürgerbefragung durch. Von den Wahlberechtigten beteiligten sich hieran in den einzelnen Kreisen zwischen 46 % und 51 %, die sich mehrheitlich für den Erhalt des Kreises Perleberg und die Zusammenfassung der Kreise Pritzwalk, Kyritz und Wittstock aussprachen. Unter dem Eindruck der Bürgerbefragung befürworteten nunmehr auch die Kreise Pritzwalk und Wittstock, diese Kreise zu einem gemeinsamen Kreis (Ostprignitzkreis) zu verbinden; der Kreistag von Pritzwalk sprach sich hilfsweise für einen Kreis Großprignitz einschließlich des Kreises Perleberg aus. Der Kreistag von Perleberg befürwortete demgegenüber mehrheitlich den Zusammenschluß der Kreise Perleberg und Pritzwalk, während der Kreistag von Neuruppin die Zusammenlegung der Kreise Kyritz, Wittstock und Neuruppin bevorzugte. In einer gemeinsamen Sitzung faßten die Kreistage der Kreise Kyritz, Pritzwalk und Wittstock am 26. August 1992 den Beschluß, einen aus ihren Kreisgebieten bestehenden Großkreis Ostprignitz mit dem Kreissitz Kyritz bilden zu wollen. Am 22. September 1992 brachte die Landesregierung den Gesetzesentwurf zur Neugliederung der Kreise und kreisfreien Städte (LT-Drs. 1/1259) in den Landtag ein. §§ 1 und 2 des Gesetzesentwurfes sahen vor, aus den Kreisen Perleberg und Pritzwalk ohne die Gemeinden Blumenthal, Grabow, Rosenwinkel und Schönebeck einen neuen Landkreis und aus den Kreisen Kyritz, Wittstock und Neuruppin sowie den Gemeinden Blumenthal, Grabow, Rosenwinkel, Schönebeck (Kreis Pritzwalk) und Keller (Kreis Gransee) einen neuen Landkreis zu bilden. Den Gesetzesentwurf begründete die Landesregierung mit folgenden allgemeinen Reformkriterien: Die im Land Brandenburg generell fehlende Mittelinstanz staatlicher Verwaltung und die damit verbundene weitestgehende Verlagerung der Verwaltungsaufgaben auf die kommunale Ebene verursachten auf seiten der Landkreise einen Zuwachs an Verwaltungsaufgaben. Diesen Anforderungen könnten die Landkreise nur durch Schaffung einer leistungsstarken Verwaltung gerecht werden, die eine Vergrößerung der verwaltungstechnischen Einheiten erfordere. Die neuen Landkreise sollten möglichst im Wege der Zusammenfassung mehrerer bestehender Kreise gebildet werden. Die Größe der Landkreise orientiere sich vornehmlich an einer anzustrebenden Mindesteinwohnerzahl von 150.000, in dünn besiedelten Gebieten von 120.000, ohne daß es sich dabei allerdings um einen ausnahmslos geltenden Maßstab handeln könne. Ergänzt werde das Kriterium der Mindesteinwohnerzahl um den Maßstab der Gebietsfläche in dem Sinne, daß die Landkreise nicht in eine regionale Dimension hineinwachsen dürfe. Überdies gebiete die Lage Brandenburgs um die Enklave Berlin die möglichst konsequente Bildung von Sektoralkreisen, um die von dem Raum Berlin ausgehenden Entwicklungsimpulse in der Tiefe des Landes hineinwirken zu lassen und eine Verbindung zwischen starken und schwachen Wirtschaftsräumen herzustellen. Historische und traditionelle Gesichtspunkte sowie die Stellungnahmen und Anregungen der betroffenen Kreise seien berücksichtigt worden, soweit dies mit dem Gemeinwohl vereinbar gewesen sei. Die Neugliederungsmaßnahmen im Gebiet der Prignitz seien geeignet die Reformkriterien zu verwirklichen: Die Einwohnerzahl der Kreise Perleberg und Pritzwalk bleibe zwar mit derzeit etwa 106.000 hinter der anzustrebenden Mindesteinwohnerzahl zurück, dies sei aber angesichts der geringen Siedlungsdichte und der Kreisgebietsfläche von immerhin annähernd 2000 km² vertretbar. Verbindende Elemente zwischen den Kreisen Perleberg und Pritzwalk seien eine vergleichbar durchmischte Wirtschaftsstruktur und die bestehende Verkehrsinfrastruktur, die dem Zusammenwachsen der Kreise förderlich sei. Die Kreise Kyritz, Wittstock und Neuruppin erreichten in ihrer Gesamtheit die Mindesteinwohnerzahl von 120.000 auf einer Fläche von ca. 2.700 km². Diese Ausdehnung, müsse in Anbetracht der geringen Siedlungsdichte hingenommen werden. Demgegenüber könnten weder eine Großkreis- noch eine Zwei-Kreis-Lösung für die Prignitz befriedigen. Ein Landkreis Westprignitz (Perleberg und Lenzen) stelle mit weniger als 77.000 Einwohnern eine zu kleine kreisliche Einheit dar. Dies gelte bei nicht einmal 90.000 Einwohnern auch hier einen Zusammenschluß der Ostprignitz-Kreise Pritzwalk, Kyritz und Wittstock. Ein Großkreis, bestehend aus den vier Kreisen der Prignitz, erreiche mit einer Fläche von ca. 3.400 km² eine große Dimension. Beide Varianten leisten darüber hinaus nicht das Problem der Zuordnung des Kreises Neuruppin. Im Anschluß an die erste Lesung des Gesetzesentwurfs vom 30. September 1992 war das Kreisneugliederungsgesetz Gegenstand der Beratung im Innenausschuß, der vom 15. bis 17. Oktober und am 30. November 1992 Anhörungen durchführte. In der Anhörung vom 15. Oktober 1992 sprachen sich die Vertreter des Kreises Pritzwalk unter Berufung auf die Ergebnisse der Bürgerbefragung gegen eine Trennung der Kreise Pritzwalk, Kyritz und Wittstock aus. In einem historischen Prignitz-Kreis könne auch Perleberg einbezogen werden. Die Vertreter der Kreise Wittstock und Kyritz erläuterten den Wandel ihrer Standpunkte im Zuge der Meinungsbildung zu einer Favorisierung eines Ostprignitz-Kreises (Ausschußprotokoll 1/536 S. 19 ff.) Die Vertreter des Kreises Neuruppin stimmten in der Anhörung vom 16. Oktober 1992 dem Gesetzesentwurf zu. In der Ausschußsitzung vom 30. November 1992, in der die Zuordnung der Ämter Gumtow und Kyritz im Mittelpunkt der Anhörung stand, wiederholten die Landräte der Kreise Kyritz und Pritzwalk noch einmal ihre Präferenz für einen dem Bürgerwillen Rechnung tragenden Zusammenschluß der Kreise Kyritz, Pritzwalk und Wittstock. Der Landrat des Kreises Perleberg befürwortete aus wirtschaftlichen Gründen die Verbindung mit dem Kreis Pritzwalk (Ausschußprotokoll 1/645 S. 3 f., 6, 9 ff.). In der zweiten und letzten Lesung des Kreisneugliederungsgesetzes vom 16. Dezember 1992 (Plenarprotokoll 1/58 S. 4298 ff.) wurde über die umstrittenen Neugliederungsmaßnahmen durch §§ 1 und 2 KNGBbg im Raum der Prignitz debattiert. Ein von der CDU-Fraktion eingebrachter Änderungsantrag im Sinne der Schaffung eines Kreises Großprignitz fand keine Mehrheit. II. Mit ihren am 21. September 1993 eingegangenen Verfassungsbeschwerden machen die Beschwerdeführer die Verletzung ihrer verfassungsrechtlich verbürgten kommunalen Selbstverwaltungsgarantie geltend. Sie halten die §§ 1 und 2 KNGBbg wegen Verstoßes gegen ihr Selbstverwaltungsrecht für verfassungswidrig. Sie erkennen die Notwendigkeit der durchgeführten Kreisneugliederung an und wenden sich nicht gegen ihre Auflösung als solche. Die Verletzung des Rechts der Selbstverwaltung gründe sich auf eine nicht hinreichende Anhörung der Beschwerdeführer, die fehlende Eignung der gesetzlichen Regelung gemessen an den gesetzgeberischen Neugliederungszielen, deren fehlende Erforderlichkeit wegen besserer Alternativlösungen zur Kreisneugliederung im Gebiet der Prignitz und deren Unverhältnismäßigkeit wegen der Unvereinbarkeit mit bestehenden wirtschaftlichen und landschaftlichen Bindungen in der Ostprignitz sowie dem Willen der Bevölkerung im Raum der Gesamtprignitz. Im einzelnen sehen die Beschwerdeführer Anhörungsfehler darin, daß ihnen nicht alle wesentlichen, die Neugliederungsentscheidung tragenden Gründe rechtzeitig und ausreichend mitgeteilt worden seien, so daß eine angemessene Sachentscheidung weder zeitlich noch inhaltlich habe stattfinden können. Zum einen vernachlässigten die pauschale Begründung des Gesetzentwurfs wie die Auseinandersetzung mit den Stellungnahmen der Beschwerdeführer die besonderen Gegebenheiten im Raum der Prignitz, zum anderen habe die Kürze des Gesetzgebungsverfahrens einer gebotenen eingehenden Erörterung entgegengestanden. Diese formellen Defizite werden nach Auffassung der Beschwerdeführer um materielle Mängel ergänzt. Die Zuordnung des Kreises Pritzwalk zum Kreis Perleberg und die Verbindung der Kreise Kyritz und Wittstock mit dem Kreis Neuruppin zerschneide einerseits den zusammengehörigen Wirtschafts- und Landschaftsraum der Ostprignitz und verknüpfe andererseits mit der Ostprignitz und dem Ruppiner Land nicht verwandte Landschafts- und Wirtschaftsräume, wodurch das Zusammenwachsen zu einer kreislichen Einheit verhindert werde. Die Kreise Perleberg und Pritzwalk seien infolge ihrer langjährigen Zugehörigkeit zu den Bezirken Schwerin und Potsdam durch keinerlei wirtschaftliche und infrastrukturelle Beziehungen miteinander verbunden. Die Entstehung eines leistungsfähigen Kreises sei demzufolge von vornherein ausgeschlossen. Anstelle der gesetzgeberischen Lösung seien zwei Varianten besser geeignet, die gesetzgeberischen Neugliederungsziele in der Prignitz zu verwirklichen. Eine Variante sei die Bildung eines Westprignitz-Kreises (bestehend aus dem Kreis Perleberg und den Gemeinden der Ämter Putlitz-Berge, Groß Pankow und Plattenburg) und eines Ostprignitz-Kreises (bestehend aus den Kreisen Pritzwalk, Kyritz und Wittstock). Als weitere Variante biete sich die Schaffung eines Gesamtprignitz-Kreises an. Diese Modelle entsprächen nach Bevölkerungszahl und Fläche den gesetzgeberischen Vorgaben, trügen dem Bevölkerungswillen Rechnung und vermieden die durch §§ 1 und 2 KNGBbg verursachten Unverträglichkeiten. Auch für die östlich angrenzenden Kreise Neuruppin, Gransee und Oranienburg ließe sich bei Verwirklichung eines der Alternativvorschläge eine mit den Neugliederungszielen verträgliche Lösung entweder mit dem Fortbestand des Kreises Oranienburg oder einer weiteren Großkreisbildung finden. III. Das Gericht hat dem Landtag, der Landesregierung, den Landkreisen Prignitz und Ostprignitz-Ruppin sowie den vormaligen Kreisen Neuruppin, Perleberg und Wittstock Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Der Landtag hat beschlossen, von einer Stellungnahme abzusehen. Die Landesregierung, vertreten durch das Ministerium des Innern hält die Verfassungsbeschwerden für unzulässig und unbegründet. Die Verfassungsbeschwerde sei bereits deshalb unzulässig, da die Beschwerdeführer nicht die Verletzung eigener Rechte geltend machten. Denn sie wendeten sich nicht gegen ihre zum Rechtsverlust führende Auflösung, sondern lediglich gegen die Art der Durchführung der Neugliederung. In der Sache sei die Argumentation der Beschwerdeführer unzutreffend; §§ 1 und 2 KNGBbg seien vielmehr formell wie materiell verfassungsgemäß. Ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs, des Gesetzgebungsverfahrens und der das Gesetzesvorhaben vorbereitenden Maßnahmen habe eine umfangreiche Auseinandersetzung mit den Argumenten der Beschwerdeführer - und der anderen betroffenen Kreise - stattgefunden. Gemessen an den grundlegenden Reformkriterien sei die gesetzgeberische Entscheidung gegenüber den Alternativvorschlägen der Beschwerdeführer besser geeignet. Die von den Beschwerdeführern vorgeschlagenen Varianten - Trennung in West- und Ostprignitz oder Großprignitz - gerieten sowohl im Gebiet der Prignitz als auch in den benachbarten Kreisen Neuruppin, Gransee und Oranienburg in Widerspruch zu den angestrebten Einwohnerzahlen und der annehmbaren Fläche sowie der Sektoralkreisbildung. Die Kreise Neuruppin, Perleberg und Wittstock haben ihr Äußerungsrecht ausgeübt und treten übereinstimmend der von den Beschwerdeführern geltend gemachten Verfassungswidrigkeit der §§ 1 und 2 KNGBbg entgegen. Die Bestimmungen seien weder formellen noch materiellen Einwänden ausgesetzt. Von Anhörungsmängeln könne angesichts der vielfältigen Gelegenheiten zur Stellungnahme im Vorbereitungsstadium des Gesetzes und auch im Gesetzgebungsverfahren keine Rede sein. Der von den Beschwerdeführern behauptete trennscharfe Grenzverlauf zwischen der West- und Ostprignitz einerseits und zwischen der Prignitz und dem Ruppiner Land andererseits bestehe weder unter historischem noch wirtschaftlichem und infrastrukturellem Aspekt. Überdies ließe sich die Wirtschaftstätigkeit durch Kreisgrenzen, die lediglich Verwaltungsgrenzen darstellten, nicht beschränken. Der Kreis Perleberg weist darauf hin, daß man mit dem Kreis Pritzwalk unterdessen eine gemeinsame Verkehrsgesellschaft gegründet habe, so daß der öffentliche Personennahverkehr bereits auf das Gebiet des Kreises Prignitz umgestellt worden sei. B. Die Kommunalverfassungsbeschwerden nach Art. 100 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), §§ 12 Nr. 5, 51 Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg (VerfGGBbg), die das Gericht zur gemeinsamen Entscheidung verbunden hat, sind zulässig. Die Beschwerdeführer sind beschwerdefähig (I.), prozeßfähig (II.) und beschwerdebefugt (III.). I. Die Beschwerdeführer sind als ehemalige Gemeindeverbände gemäß § 51 Abs. 1 VerfGGBbg beschwerdefähig. Ihre Auflösung durch § 16 S. 2 KNGBbg i.V.m. § 1 Wahldurchführungsgesetz (Art. 2 des Gesetzes über die Neuordnung des Kommunalwahlrechts im Land Brandenburg, die Änderung der Kommunalverfassung sowie die Änderung der Amtsordnung vom 22. April 1993, GVBl. I S. 110) zum 5. Dezember 1993 steht der Zulässigkeit ihrer Verfassungsbeschwerden nicht entgegen. Für die Dauer des Rechtsbehelfsverfahrens gegen den ihre Auflösung bewirkenden Rechtsakt gelten Gemeindeverbände als fortbestehend. Den Fortbestand der Rechtspersönlichkeit und damit der Beschwerdefähigkeit zu fingieren, ist ein Gebot der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes, da anderenfalls der Existenzverlust nicht rügefähig bliebe (vgl. aus der st. Rspr. nur BVerfGE 3, 267, 279 f.; 42, 345, 355 f.; VerfGH NW OVGE 31, 309, 310; Saarl. VerfGH NVwZ 1994, 481 jeweils m.w.N.). II. Vertreten werden die Beschwerdeführer durch ihre zuletzt amtierenden Landräte als ihre gesetzlichen Vertreter (§ 91 Abs. 1 S. 2 des Gesetzes über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung) vom 17. Mai 1990, GBl. der DDR I S. 255). Ebenso wie die Beschwerdeführer kraft Fiktion als beschwerdefähig zu behandeln sind, gilt die Vertretungsfunktion ihrer Landräte, deren Amtszeit mit dem Tag des Dienstantritts des neuen Landrats, spätestens aber mit dem 5. Mai 1994 endete (§ 18 Abs. 2 S. 2 und 3 KNGBbg, geändert durch Art. 8 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg vom 15. Oktober 1993, GVBl. I S. 398), gleichermaßen als fortbestehend. Da die Landräte nicht in den Diensten der neuen Landkreise stehen ist es mangels der Gefahr eines Interessenwiderstreits nicht veranlaßt, die Prozeßfähigkeit der Beschwerdeführer über ihre Repräsentativorgane herzustellen (so aber VerfGH NW OVGE 26, 306, 310; 26, 316, 318; 31, 309, 310). III. Die Beschwerdeführer sind beschwerdebefugt. Es besteht die Möglichkeit, daß sie durch §§ 1 und 2 KNGBbg in ihrem Selbstverwaltungsrecht aus Art. 97, 98 LV verletzt worden sind. Dem steht weder ihre grundsätzliche Zustimmung zu ihrer Auflösung noch ihre weitgehend geschlossene Überführung in die neugebildeten Kreise Prignitz und Ostprignitz-Ruppin entgegen. Die nicht von vornherein auszuschließende Außerachtlasssung des für die Gebietsänderung nach Art. 98 Abs. 1 LV maßgebenden öffentlichen Wohls betrifft die aufgelösten Gemeindeverbände in ihrem eigenen Recht. Das Selbsverwaltungsrecht der Gemeindeverbände erstreckt sich auch darauf, im Rahmen einer Neugliederungsmaßnahme nur dann und zu dem Zweck ihre Existenz einbüßen zu müssen, um in einem nach Maßgabe des öffentlichen Wohls geschaffenen neuen Gemeindeverband aufzugehen. C. Die Verfassungsbeschwerden sind indessen unbegründet. §§ 1 und 2 KNGBbg verletzen die Beschwerdeführer nicht in ihrem Selbstverwaltungsrecht aus Art. 97, 98 LV. I. Das Gebiet von Gemeindeverbänden kann nur aus Gründen des öffentlichen Wohls geändert werden (Art. 98 Abs. 1 LV). Vor der Entscheidung über seine Auflösung ist die gewählte Vertretung des Gemeindeverbandes zu hören (Art. 98 Abs. 3 S. 3 LV). Mit diesen verfassungsrechtlichen Geboten kodifiziert die Landesverfasssung - entsprechend der in den Beratungen des Verfassungsentwurfes erklärten Absicht (so Mitarbeiter der SPD-Fraktion in der 8. Sitzung des Verfassungsausschusses II vom 9. April 1992, Protokoll S. 17, Dokumentation zur Verfassung des Landes Brandenburg, Band 3, S. 917) - die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Landesverfassungsgerichte aus Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz (GG) und den entsprechenden Bestimmungen der Landesverfassungen entwickelten Anforderungen an Neugliederungsmaßnahmen. Danach steht die gesetzgeberische Verfügungsbefugnis über den Bestand und Gebietszuschnitt von Gemeinden und Gemeindeverbänden unter dem Vorbehalt, von Gründen des öffentlichen Wohls getragen und nur nach vorheriger Anhörung der betroffenen Gebietskörperschaften zulässig zu sein (vgl. nur BVerfGE 86, 90, 107 m.w.N.; VerfGH NW OVGE 26, 270, 272 f.). Bestands- und Gebietsänderungen von Landkreisen als Gemeindeverbänden (so BVerfGE 52, 95, 111 f.) berühren, sofern nur die kreisliche Ebene, wie vorliegend, überhaupt erhalten bleibt, lediglich die individuelle, nicht aber die institutionelle Selbstverwaltungsgarantie. Ein eingriffsfester Kernbereich besteht nur zugunsten der institutionellen Selbstverwaltungsgarantie, hingegen für den einzelnen Gemeindeverband ebensowenig wie für die einzelnen Gemeinden (so für die Gemeinden bereits VerfGBbg, Urt. v. 19.5.1994 - VfGBbg 9/93 -, AU S. 12 m.w.N.). Der einzelne Gemeindeverband unterliegt nur einem nach Maßgabe des öffentlichen Wohls relativierten Bestandsschutz (StGH BaWü ESVGH 25, 1, 10). II. Die Auflösung der Beschwerdeführer und ihre Vereinigung mit den benachbarten Kreisen zu den neuen Landkreisen Prignitz und Ostprignitz-Ruppin genügt (als ein Unterfall der Gebietsänderung) den die Selbstverwaltungsgarantie konkretisierenden Anforderungen des Art. 98 Abs. 1 und 3 LV. 1. Das Gesetzgebungsverfahren ist verfassungsgemäß erfolgt. Insbesondere wurden die Beschwerdeführer vor der gesetzlichen Neugliederungsentscheidung in verfassungsrechtlich gebotenem Umfang (Art. 98 Abs. 3 S. 3 LV) angehört. Die Anhörung der von der Gebietsänderung betroffenen Gemeineindeverbände verfolgt als ein verfahrensrechtliches Sicherungsinstrument ihrer Selbstverwaltungsgarantie die Zwecke, dem Gesetzgeber eine umfassende Entscheidungsgrundlage zu vermitteln und die Gemeindeverbände als Rechtsträger nicht zum bloßen Regelungsobjekt werden zu lassen. Art. 98 Abs. 3 S. 3 LV läßt, da weder bestimmte Verfahren noch bestimmte Förmlichkeiten angeordnet werden, alle Modalitäten der Anhörung zu, die sicherstellen, daß die in der gewählten Vertretung des Gemeindeverbandes stattgefundene Meinungsbildung dem Gesetzgeber zur Kenntnis gelangt. Voraussetzung einer sachgerechten Stellungnahme ist, daß der Anhörung die rechtzeitige Information über die beabsichtigte Regelung einschließlich ihres wesentlichen Inhalts und ihrer maßgeblichen Begründung vorausgeht. Gemessen an diesen verfassungsrechtlichen Erfordernissen ist die Anhörung der Beschwerdeführer unter zeitlichem und inhaltlichem Aspekt ausreichend gewesen. Der Wille der Bevölkerung in den Kreisen Pritzwalk und Kyritz ist dem Gesetzgeber durch die Stellungnahmen der Landräte und der Vorsitzenden der Kreistage in der Anhörung vom 15. Oktober 1992 zur Kenntnis gebracht worden. Die Vertreter der Beschwerdeführer haben nochmals die Gründe vortragen können, aus denen sie die Bildung der Landkreise Prignitz und Ostprignitz-Ruppin ablehnen. Die Beschwerdeführer konnten ihre Interessen wirksam vertreten und ihre Argumente gegen die geplante Neugliederung vollständig vortragen. Die betroffenen Kreise waren durch die Übermittlung des vollständigen Gesetzesentwurfs über den räumlichen Umfang des Neugliederungsvorhabens und dessen wesentlichen Begründung ausreichend informiert. Die Begründung ließ insbesondere in dem für eine sachgerechte Stellungnahme erforderlichen Umfang die Erwägungen erkennen, aus denen den Anregungen der Beschwerdeführer nicht gefolgt worden ist. Die Kreistage der Beschwerdeführer hatten weiterhin genügend Zeit für eine begründete Willens- und Meinungsbildung. Zwar ist nicht zu verkennen, daß zwischen der Einbringung des Gesetzesentwurfs am 22. September 1992 und der ersten mündlichen Anhörung der Beschwerdeführer am 16. Oktober 1992 ein relativ kurzer Zeitraum lag. Die Anhörungsrechte der Beschwerdeführer wurden hierdurch allerdings nicht in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise verkürzt, da die Beschwerdeführer von dem Neugliederungsvorhaben ersichtlich nicht überrascht worden sind. Die Beschwerdeführer erhielten seit Anfang 1991 wiederholt Gelegenheit, sich zum jeweiligen Stand der Pläne zur Kreisneugliederung zu äußern. Der Gesetzesentwurf der Landesregierung übernahm im wesentlichen die Neuordnungskriterien und Neugliederungsvorschläge der Arbeitsgruppe "Kreisgebietsreform", die den Beschwerdeführern seit Ende 1991 bekannt gewesen sind. Für ihre Stellungnahme zum Gesetzesentwurf konnten die Beschwerdeführer auf die Beschlüsse ihrer Vertretungsorgane und vorangegangene Stellungnahmen zurückgreifen und brauchten nur zu prüfen, ob diese weiterhin Bestand haben sollten. Auch zum Änderungsvorschlag des Innenausschusses erhielten die Beschwerdeführer in der Ausschußsitzung vom 30. November 1992 Gelegenheit zur Stellungnahme. 2. Die §§ 1 und 2 KNGBbg sind auch in sachlicher Hinsicht verfassungsgemäß. Die Auflösung der Beschwerdeführer zugunsten der Schaffung der Landkreise Prignitz und Ostprignitz-Ruppin verstößt nicht gegen das öffentliche Wohl im Sinne des Art. 98 Abs. 1 LV. a) Der Inhalt des Begriffes des öffentlichen Wohls ist nicht festgelegt. Er muß vom Gesetzgeber ausgefüllt werden. Der Gesetzgeber bestimmt mit den Zielen seines Gesetzes die für die Neugliederung maßgebenden Gründe des öffentlichen Wohls (Nds.StGH. Nds. MinBl. 1979, S. 547, 585). Bei Neugliederungsentscheidungen kommt dem Gesetzgeber innerhalb des von der Verfassung gesteckten Rahmens grundsätzlich eine politische Entscheidungsbefugnis und weite Gestaltungsfreiheit in dem Sinne zu, daß er Ziele, Leitbilder und Maßstäbe der Gebietsänderung selbst festlegen kann. Die Ausübung dieses gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums unterliegt nur einer eingeschränkten verfassungsrichterlichen Überprüfung. Für die Kontrolle von Neugliederungsgesetzen durch das Landesverfassungsgericht gelten die gleichen Grundsätze, wie sie in ständiger Rechtsprechung vom Bundesverfassungsgericht und von den Verfassungsgerichten der Länder entwickelt worden sind (vgl. BVerfGE 50, 50, 51 f.; 86, 90, 107 ff.; Nds StGH Nds MinBl. 1979, 547, 586 ff.; StGH BaWü ESVGH 23, 1, 4 ff.). Das Verfassungsgericht darf sich nicht an die Stelle Gesetzgebers setzen. Es hat seine Nachprüfungen darauf zu beschränken, ob die Zielvorstellungen, Sachabwägungen, Wertungen und Einschätzungen des Gesetzgebers offensichtlich fehlerhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder der verfassungsmäßigen Wertordnung widersprechen. Das Verfassungsgericht überprüft den Abwägungsvorgang darauf hin, ob der Gesetzgeber den entscheidungserheblichen Sachverhalt umfassend ermittelt, seiner Regelung zugrunde gelegt und die mit ihr einhergehenden Vor- und Nachteile gewichtet und in die Abwägung eingestellt hat. Die Bevorzugung einzelner und die gleichzeitige Hintanstellung anderer Belange ist dem Gesetzgeber soweit überlassen, als das mit einem Eingriff in den Bestand einzelner Gemeindeverbände verbundene Abwägungsergebnis zur Erreichung der verfolgten Zwecke nicht offenkundig ungeeignet oder unnötig oder zu den angestrebten Zielen deutlich außer Verhältnis steht und frei von willkürlichen Erwägungen und Differenzierungen ist. Es ist nicht die Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber die beste und zweckmäßigste Neugliederungsentscheidung getroffen hat (BVerfGE 86, 90, 109). b) Die vom Gesetzgeber nach der Begründung des Gesetzesentwurfs wie dem Gesetzgebungsverfahren mit der Kreisneugliederung verfolgten Ziele und Neugliederungsprinzipien halten sich innerhalb der verfassungsrechtlichen Maßgaben zur gesetzgeberischen Bestimmung des öffentlichen Wohls. Es wird allgemein - auch von den Beschwerdeführern - anerkannt, daß die Kreisgebietsreform des Landes Brandenburg und in ihrem Rahmen die Neuordnung des Raumes der Prignitz aus Gründen des öffentlichen Wohls notwendig ist und der Gesetzgeber sie deshalb vorgenommen hat. Mit der Neuordnung verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, hinreichend leistungsfähige Landkreise zu schaffen. Die Stärkung ihrer Finanz- und die Sicherung ihrer Verwaltungskraft soll die Landkreise in den Stand setzen, den ihnen im Rahmen eines zweigliedrigen Verwaltungsaufbaus zukommenden Aufgaben gerecht zu werden. Zu diesem Zweck soll eine Einwohnerzahl in den Landkreisen von 150.000 angestrebt, eine Zahl von 120.000 Einwohnern nicht unterschritten werden. Um eine einseitige Entwicklung des Berlin nahen Raumes zu verhindern, sollen Sektoralkreise gebildet werden. Zur Schaffung möglichst gleicher Lebensverhältnisse sollen wirtschaftlich stärkere und wirtschaftlich schwächere Räume miteinander verbunden werden. Die Gemeinwohlkonformität dieses Zieles und der auf seine Verwirklichung gerichteten Neugliederungsprinzipien ist gemessen an den in den Kreisen abweichenden Aufgaben unbestreitbar und wird auch von den Beschwerdeführern nicht ernsthaft in Zweifel gezogen. c) Auch die gesetzgeberische Konkretisierung dieser Neugliederungskonzeption im Raum der Prignitz entspricht dem öffentlichen Wohl. Der Gesetzgeber hat sich bei dieser Neugliederungsmaßnahme von seinen generellen Maßgaben leiten lassen, die er unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Willkürverbotes angewendet hat. Der den §§ 1 und 2 KNGBbg zugrundeliegende Abwägungsvorgang gibt zu keinen verfassungsrechtlichen Bedenken Anlaß. Der Gesetzgeber hat den für diese Neugliederungsentscheidungen relevanten Sachverhalt umfassend ermittelt und zur Kenntnis genommen. Die Vor- und Nachteile der gesetzlichen Regelung wurden abgewogen. Gegenstand der Erörterung und Bewertung waren dabei in ausreichendem Umfang die von den Beschwerdeführern vorgeschlagenen Neugliederungsvarianten. Die von den Beschwerdeführern im verfassungsgerichtlichen Verfahren als eindeutig besser bezeichneten Gebietszuschnitt in Anlehnung an den zwischen 1817 und 1952 bestandenen Grenzverlauf zwischen den Kreisen West- und Ostprignitz hat der Gesetzgeber zwar nicht übersehen (vgl. Drs. 1/1259 S. 18 der Begründung) aber auch nicht detailliert geprüft. Insoweit bestehende Defizite führen allerdings nicht wegen Außerachtlassung der dem öffentlichen Wohl innewohnenden verfahrensmäßigen Anforderungen an Neugliederungsgesetze zur Verfassungswidrigkeit der §§ 1 und 2 KNGBbg. Denn eine Gebietsänderung entsprechend der Wiederherstellung dieser historischen Grenzen mußte sich dem Gesetzgeber nicht aufdrängen. Sie widersprach den in der Begründung des Gesetzesentwurfs erkennbaren Ziel, auch in dünn besiedelten Gebieten die für den Aufbau einer leistungsfähigen Verwaltung als erforderlich angesehene Mindesteinwohnerzahl von 120.000 nicht wesentlich zu unterschreiten. Nur diesen Erwägungen zum Zweck der Verwirklichung des Neugliederungszieles sind die gesetzgeberischen Maßnahmen nicht offensichtlich ungeeignet. Vielmehr verhelfen sie den Wertungen und Erwägungen, die das Neugliederungskonzept kennzeichnen, gerade zu möglichst weitgehender und vollständiger Geltung. Die Bildung der Kreise Prignitz und Ostprignitz-Ruppin erreicht die angestrebte Mindesteinwohnerzahl. In Übereinstimmung mit der gesetzgeberischen Zielsetzung werden mit den wirtschaftlich stärkeren Kreisen Perleberg und Neuruppin jeweils leistungsschwächere Gebiete verbunden, so daß im Ergebnis eine ausgewogene Wirtschaftskraft und -struktur gefördert werden kann. Die geographische Randlage der Prignitz im Nordwesten Brandenburgs und der Verlauf der Landesgrenze schließen zwar die Einbindung dieses Gebietes in das Sektoralkreiskonzept aus. Aber die Einbeziehung des Kreises Neuruppin in die Neugliederung der Prignitz sichert dessen weitestgehende Umsetzung, da auf diese Weise in der östlich anschließenden Region unter Beachtung von Einwohnerzahl und Fläche wiederum Sektoralkreise gebildet werden können. Die Vernachlässigung des repräsentierten Bevölkerungswillens der Beschwerdeführer sowie der historisch und landschaftlich verbindenden und trennenden Momente innerhalb der Prignitz und zum Ruppiner Land macht die Neugliederungsentscheidung nicht offensichtlich ungeeignet. Wenn der Gesetzgeber weder in den historischen noch den landschaftlichen Verflechtungen und Grenzverläufen noch in der wesentlich darauf beruhenden ablehnenden Haltung der Beschwerdeführer eine die neue kreisliche Einheit sprengende Wirkung erkennt, so ist diese Erwägung nicht offensichtlich unzutreffend. Diese Belange sind - nicht zuletzt wegen des uneinheitlichen Meinungsbildes in allen von den §§ 1 und 2 KNGBbg betroffenen Kreisen - nicht derart eindeutig und zwingend, als daß sie ein Zusammenwachsen der neugebildeten Kreise von vornherein und auf Dauer verhindern könnten. Ohnedies ist die Berücksichtigung des in der Bürgerbefragung vom April 1992 ermittelten Bevölkerungswillens bedenklich. Die von den Beschwerdeführern vorgeschlagene Variante eines West- und Ostprignitzkreises, die mit der Aufspaltung des Gebietes des Kreises Pritzwalk einhergeht, war nicht zum Gegenstand der Befragung gemacht worden. Es mag bezweifelt werden dürfen, ob die Bürger des Kreises Pritzwalk in gleichem Maße der Teilung ihres Kreisgebietes zugestimmt hätten wie sie die Bildung eines Landkreises aus den Kreisen Kyritz, Pritzwalk und Wittstock befürworteten. Die Auflösung der Beschwerdeführer und ihre Überführung in die Kreise Prignitz und Ostprignitz-Ruppin verstößt auch nicht gegen den Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs. Der Gesetzgeber darf im Interesse der Verbesserung der Funktionsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung in den Bestand und Gebietszuschnitt der Gemeindeverbände eingreifen. Nicht erforderlich ist die von diesem Zweck getragene Neugliederungsmaßnahme nur dann, wenn Alternativlösungen zur Verwirklichung der Neugliederungskonzeption offensichtlich gleichermaßen geeignet und zugleich von geringerer Eingriffsintensität sind als die gesetzliche Maßnahme. Die auch von den Beschwerdeführern angestrebten Varianten der Bildung eines West- und Ostprignitzkreises oder eines Kreises Großprignitz stellen keine die Erforderlichkeit ausschließenden Lösungen zur Neustrukturierung dar. Ein Westprignitzkreis aus dem Kreis Perleberg einschließlich der zum Kreis Pritzwalk gehörenden Gemeinden der Ämter Putlitz-Berge, Groß Pankow und Plattenburg bedeutet für den Kreis Pritzwalk gemessen an der gesetzgeberischen Entscheidung keinen geringeren Eingriff. Der mit der Neugliederung einhergehende Eingriff in den Gebietsbestand wiegt um so geringer je geschlossener der aufgelöste Gemeindeverband in den neugebildeten Gemeindeverband überführt wird. Zwar lehnt sich dieser Neuordnungsvorschlag an den Grenzverlauf zwischen den Kreisen West- und Ostprignitz im 19. Jahrhundert an. Aber er bewirkt gegenüber der Regelung des § 1 KNGBbg eine weitergehende Gebietsabspaltung vom Kreis Pritzwalk. Darüber hinaus löste diese Neugliederungsvariante für die aus dem Kreis Pritzwalk auszugliedernden Gemeinden der Ämter Putlitz-Berge, Groß Pankow und Plattenburg doch gerade die infrastrukturellen und wirtschaftlichen Nachteile aus, die der Kreis Pritzwalk wegen der seit 1952 bestandenen abweichenden Bezirkszuordnung von Perleberg (Schwerin) und Pritzwalk (Potsdam) an der Gesetz gewordenen Lösung rügt. Überdies lassen sich beide Varianten mit der zugrunde liegenden gesetzlichen Neugliederungskonzeption keinesfalls besser vereinbaren als das gesetzliche Neugliederungsmodell. Entweder werden bei der Schaffung eines West- und Ostprignitzkreises die Vorgaben über die angestrebte Mindesteinwohnerzahl mit jeweils um 80.000 Einwohnern bei weitem unterschritten oder der Kreis Gesamtprignitz beginnt angesichts seiner flächenmäßigen Ausdehnung mit etwa 3.400 km² in eine unerwünschte regionale Dimension hineinzuwachsen. Zudem stehen beide Varianten der leitbildgerechten Neugliederung in dem östlich an die Prignitz anschließenden Gebiet entgegen. Aus den Kreisen Neuruppin, Gransee und Oranienburg entstünde entweder zwangsläufig - flächen- und bevölkerungsmäßig - ein Großkreis oder das Prinzip der Sektoralkreisbildung müßte in dieser Region aufgegeben werden. Schließlich ist die gesetzliche Neugliederungsentscheidung nicht offensichtlich unverhältnismäßig. Trotz der Zurückstellung historischer und landschaftlicher Verbundenheiten und des Willens der Beschwerdeführer steht der gesetzgeberische Gebietszuschnitt der Kreise Prignitz und Ostprignitz-Ruppin für die Beschwerdeführer nicht außer Verhältnis. Eine Abwägung der von den Beschwerdeführern vorgetragenen traditionellen und vergangenheitsorientierten Belange mit den zukunftsgewandten und vornehmlich wirtschaftsstrukturellen Erwägungen des Gesetzgebers läßt nicht erkennen, daß das Maß der Belastung seitens der Beschwerdeführer außer Verhältnis zu den dem Gesamtraum erwachsenden Vorteilen steht. Vielmehr haben die von den Beschwerdeführern vorgetragenen historischen Gesichtspunkte nicht das ihnen zugemessene Gewicht. Die im Grenzbereich der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt gelegene Landschaft läßt sich in ihrer Gänze nicht als Verwaltungseinheit herstellen. Aber auch ein trennscharfer Grenzverlauf zwischen der Prignitz und dem Ruppiner Land ist jedenfalls seit 1946 und der Verwaltungsreform im Jahre 1952 nicht mehr festzustellen gewesen. Bereits in früheren Jahrhunderten hatten insbesondere im Gebiet um Zechlin und Zerlang Grenzverschiebungen stattgefunden. Gleichermaßen ist die Annahme der strikten Trennung der Prignitz nicht zutreffend. Die Teilung der Prignitz in die Kreise West- und Ostprignitz bestand zwar - aber auch erst - im wesentlichen unverändert seit 1817. Zuvor bildete diese Landschaft indes über etwa fünf Jahrhunderte eine verwaltungsmäßige Einheit innerhalb der Mark Brandenburg (vgl. Schultze, Die Prignitz, 1956, S. 4). Auch die Orientierung der Kreisneuordnung an den seit 1952 bestehenden Kreisgrenzen ist nicht unverhältnismäßig, sofern sie nicht - gemessen an der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie - offensichtliche Fehlentscheidungen verfestigt. Auf der anderen Seite ist es aber nicht geboten, die abweichende Bezirkszuordnung zwischen der West- und Ostprignitz bei der Kreisneugliederung aufrechtzuerhalten. Die Umsetzung der in die Zukunft weisenden Neuordnungsziele überwiegt gegenüber den auf dieser Vergangenheit beruhenden anfänglichen Schwierigkeiten, zu einer kreislichen Einheit zusammenzuwachsen. Schließlich läßt sich auch eine Mißachtung des Willkürverbotes durch den Gesetzgeber nicht feststellen. Das Willkürverbot erfährt bei kommunalen Neugliederungsmaßnahmen eine besondere Ausprägung in dem Grundsatz der Leitbild- oder Systemgerechtigkeit, der den Gesetzgeber soweit als möglich auf die Einhaltung seiner von ihm selber gewählten und zugrunde gelegten Maßstäbe verpflichtet (vgl. dazu StGH BaWü ESVGH 25, 1 (23); Nds StGH Nds MinBl. 1979, 547, 586 f.). Diesem Gebot hat der Gesetzgeber gerade Rechnung getragen, indem er die Kreise Prignitz und Ostprignitz-Ruppin geschaffen hat. Zwingende Gründe für ein Abweichen von dieser Neugliederungskonzeption im Raum der Prignitz sind - nach den vorangegangenen Ausführungen - nicht erkennbar. | ||||||||||||||||
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