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VerfGBbg, Beschluss vom 13. Dezember 2019 - VfGBbg 60/18 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 2
- VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1; VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- Prozesskostenhilfe
- Zwangsverwaltung
- Schadenersatz
- prozessuale Überholung
- Nichtabhilfebeschluss
- Zwischenentscheidung
- Rechtswegerschöpfung
- Subsidiarität
- rechtliches Gehör
- Anhörungsrüge
- Grundrechtsverletzung
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 13. Dezember 2019 - VfGBbg 60/18 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 60/18




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

S.,

Beschwerdeführer,

wegen

Beschlüsse des Landgerichts Neuruppin vom 11. Juni 2018 und 17. Juli 2018 (2 O 5/17) sowie Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 13. September 2018 (5 W 97/18) und Gerichtskostenrechnung der Landesjustizkasse vom 20. September 2018

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 13. Dezember 2019

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dresen, Dr. Finck, Heinrich-Reichow, Kirbach, Dr. Lammer, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

                                              

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

 

 

 

Gründe:

 

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen Prozesskostenhilfe ablehnende Beschlüsse des Landgerichts Neuruppin und des Brandenburgischen Oberlandesgerichts sowie eine Gerichtskostenrechnung.

I.

Ein mit mehreren Gebäuden bebautes, ursprünglich vom Beschwerdeführer gewerblich genutztes und in dessen Eigentum stehendes Grundstück befand sich vom 14. Mai 2007 bis 27. November 2013 und vom 5. Februar 2014 bis 27. Mai 2014 in der Zwangsverwaltung.

Unter dem 24. Februar 2017 beantragte der Beschwerdeführer bei dem Landgericht Neuruppin Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten für eine auf Schadenersatz in Höhe von 115.366,49 Euro gegen die beiden Zwangsverwalter und das die Zwangsvollstreckung betreibende Kreditinstitut gerichtete Klage. Er war der Auffassung, das Grundstück sei nach der Zwangsräumung in den Jahren der Zwangsverwaltung durch die beiden Zwangsverwalter pflichtwidrig dem Verfall preisgegeben worden und das beteiligte Kreditinstitut habe dies geduldet und finanziert. Verkehrswertgutachten vom 14. August 2002 und 31. Juli 2012 mit Nachtrag vom 23. August 2012 belegten den Wertverlust. Durch die Objektbewachung und die Verwaltung seien zudem unnütze Kosten produziert worden. Der Beschwerdeführer habe Räume anmieten müssen, um seine wirtschaftliche Tätigkeit fortzuführen. Die Grundsteuer B sei jahrelang nicht gezahlt worden, was zu Vollstreckungs- und Mahngebühren geführt hätte. Der erste Zwangsverwalter habe vom Beschwerdeführer eine Nutzungsentschädigung verlangt, obwohl er gewusst habe, dass das Grundstück nicht zu vermieten oder anderweitig zu nutzen sei. Sämtliche Beträge fordere er als Schadenersatz. Die Verjährung sei noch nicht eingetreten, da er gegen die Aufhebung der Zwangsverwaltung Beschwerde eingelegt habe.

Das Landgericht Neuruppin wies den Prozesskostenhilfeantrag mit Beschluss vom 11. Juni 2018 (2 O 5/17) zurück. Der beabsichtigten Klage fehle die Aussicht auf Erfolg, denn dem Beschwerdeführer stehe unter keinem Gesichtspunkt ein Schadenersatzanspruch zu. Etwaige Ansprüche gegenüber dem ersten Zwangsverwalter seien bereits verjährt und gegenüber der zweiten Zwangsverwalterin nicht ersichtlich. Gegenüber dem Kreditinstitut seien Schadenersatzansprüche nicht ersichtlich und zudem sei auch hier mit der durchgreifenden Einrede der Verjährung zu rechnen.

Das Landgericht Neuruppin half der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 17. Mai 2018 nicht ab.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht wies die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 13. September 2018 (5 W 97/18) unter Verweis auf die zutreffenden Gründe der Beschlüsse des Landgerichts zurück. Der Beschwerdeführer habe außerdem einen konkreten Schaden nicht hinreichend dargelegt. Hierfür genüge nicht der pauschale Differenzbetrag des ermittelten Verkehrswerts zweier Gutachten von 2002 und 2012, wenn die Zwangsverwaltung erst 2007 angeordnet und erstmals 2013 beendet worden sei. Dieser Beschluss ist dem Beschwerdeführer am 19. September 2018 zugegangen.

Der Beschwerdeführer erhielt unter dem 20. September 2018 für den Beschluss des Oberlandesgerichts eine Kostenrechnung in Höhe von 60,00 Euro mit einer Belehrung über den Rechtsbehelf der Erinnerung.

II.

Der Beschwerdeführer hat am 8. November 2018 Verfassungsbeschwerde erhoben.

Er trägt vor, dass beide Gerichte ihm das rechtliche Gehör gemäß Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 Landesverfassung (LV) verweigert hätten, da sie sich vorsätzlich nicht oder nur oberflächlich mit seinem Vorbringen auseinandergesetzt und Tatsachen verdreht hätten. Zudem seien die Rechtsschutzgarantie, der Grundsatz des fairen Verfahrens, das Gleichheitsrecht, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und sein Recht auf die Durchsetzung seiner Eigentumsrechte verletzt. Die Frage der Verjährung dürfe als zweifelhafte Rechtsfrage nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren vorverlagert werden. Das verletze das Gebot der Waffen- und Chancengleichheit. Es müsse effektiver Rechtsschutz ermöglicht werden. Der erste Zwangsverwalter habe seine Pflichten verletzt und sei zu Schadenersatz verpflichtet. Die zweite Zwangsverwalterin habe die Zwangsverwaltung fortgesetzt. Die Gerichte hätten den während der Zwangsverwaltung eingetretenen Vermögensverfall willkürlich in ihrer Entscheidung ausgeblendet. Auch das Verhalten des Kreditinstituts sei willkürlich gewesen. Es habe nichts getan, um den Wert der Bausubstanz zu erhalten, und stattdessen den Verfall noch mit über 34.000,00 Euro finanziert.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

I.

1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Neuruppin vom 11. Juni 2018 richtet, ist sie wegen prozessualer Überholung unzulässig. Eine solche tritt durch die vollständige Überprüfung einer Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch das Rechtsmittelgericht ein (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 10. Mai 2019 - VfGBbg 41/18 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn der Beschluss ist durch den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 13. September 2018 ohne Einschränkungen im Prüfungsmaßstab inhaltlich bestätigt worden.

2. Bezüglich des Nichtabhilfebeschlusses des Landgerichts Neuruppin vom 17. Juli 2018 ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil der Nichtabhilfebeschluss als Zwischenentscheidung, mit der eine eigenständige Beschwer nicht verbunden ist, nicht selbständig angreifbar ist (vgl. Beschluss vom 10. Mai 2019 - VfGBbg 41/18 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. N.). Auch der Nichtabhilfebeschluss ist zudem prozessual durch den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 13. September 2018 überholt.

3. In Bezug auf den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 13. September 2018 hat der Beschwerdeführer den Rechtsweg nicht erschöpft bzw. genügt die Verfassungsbeschwerde nicht dem Grundsatz der Subsidiarität.

a. Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, hat er den Rechtsweg nicht erschöpft. Grundsätzlich sind alle Gehörsverstöße im Wege der - insoweit zum Rechtsweg im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg gehörenden - Anhörungsrüge zur fachgerichtlichen Überprüfung zu stellen, bevor Verfassungsbeschwerde erhoben wird (vgl. Beschluss vom 10. Mai 2019 - VfGBbg 41/18 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. N.). Dies gilt auch bei Beschlüssen, mit denen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt wird (vgl. Beschluss vom 10. Mai 2019 - VfGBbg 41/18 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Daran fehlt es. Der Beschwerdeführer trägt in seiner Beschwerdeschrift vor, dass die letzte Entscheidung des Oberlandesgerichts in diesem Verfahren bei ihm am 19. September 2018 eingegangen sei. Wie sich aus den Anlagen zur Verfassungsbeschwerde ergibt, handelt es sich dabei um den Beschluss vom 13. September 2018. Eine Entscheidung über eine Gehörsrüge war danach im fachgerichtlichen Verfahren jedenfalls vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde nicht ergangen.

b. Die Verfassungsbeschwerde ist auch unzulässig, soweit andere Grundrechtsverletzungen durch den Beschluss vom 13. September 2018 geltend gemacht werden.

Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gebietet, dass der Beschwerdeführer alle nach der Lage der Sache zur Verfügung stehenden zumutbaren prozessualen Möglichkeiten ergreift, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnäheren Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 24. März 2017 - VfGBbg 27/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. N.). Das Subsidiaritätsprinzip ist Ausdruck der Zuständigkeitsverteilung und Aufgabenzuweisung zwischen den Fachgerichten und der Verfassungsgerichtsbarkeit. Denn nach der in der Verfassung angelegten Kompetenzverteilung obliegt es zuvörderst den Fachgerichten, die Grundrechte zu wahren, zu schützen und durchzusetzen (st. Rspr., vgl. zuletzt Beschluss vom 10. Mai 2019 - VfGBbg 41/18 -, https://verfassungsgericht. brandenburg.de). Deshalb sind neben einer Gehörsverletzung auch alle anderen gerügten Grundrechtsverletzungen, die sich mit einem Gehörsverstoß in Zusammenhang bringen und vortragen lassen, zunächst vollständig mit der Anhörungs- oder Gehörsrüge vorzubringen, um vorrangig im fachgerichtlichen Verfahren Abhilfe zu erreichen (vgl. Beschlüsse vom 15. Februar 2019 - VfGBbg 4/19 - und 22. März 2019 - VfGBbg 1/18 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 2011 - 1 BvR 1468/11 -, Juris, Rn. 6). Denn wenn die Anhörungsrüge Erfolg hat, ist nicht ausgeschlossen, dass dies auch bezogen auf die gerügte Verletzung der materiellen Grundrechte zur fachgerichtlichen Abhilfe führt (vgl. Beschluss vom 22. Februar 2013 - VfGBbg 33/12 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Die unterbliebene Erhebung der statthaften Anhörungsrüge hat zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde nicht nur in Bezug auf eine etwaige Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, sondern insgesamt unzulässig ist und bleibt (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 16. Dezember 2016 - VfGBbg 30/16 - und 6. Januar 2016 - VfGBbg 88/15 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 2011 - 1 BvR 1468/11 -, Juris, Rn. 7).

Eine Anhörungsrüge ist nur ausnahmsweise entbehrlich, wenn sie offensichtlich unzulässig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Juni 2014 - 1 BvR 1443/12 -, Juris, Rn. 12, m. w. N.) oder offensichtlich und nach jeder Betrachtungsweise ohne Aussicht auf Erfolg gewesen wäre und daher unzumutbar ist (vgl. Beschlüsse vom 17. August 2012 - VfGBbg 36/12 - und 6. Januar 2016 - VfGBbg 88/15 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). In der Regel - wie auch hier - kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Anhörungsrüge zu einer anderen Beurteilung des Sachverhalts und im Ergebnis zu einer günstigeren Entscheidung führt (vgl. Beschluss vom 6. Januar 2016 - VfGBbg 88/15 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

4. Hinsichtlich der angegriffenen Kostenrechnung fehlt es - ungeachtet der Frage der Rechtswegerschöpfung - der Verfassungsbeschwerde an einer ausreichenden Begründung. Erforderlich ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, die schlüssig die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts des Beschwerdeführers aufzeigt. Dem wird der Beschwerdeführer nicht gerecht, denn er verhält sich in seiner Begründung nicht zur Kostenrechnung.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dresen Dr. Finck
   
Heinrich-Reichow Kirbach
   
Dr. Lammer Sokoll
   
Dr. Strauß