VerfGBbg, Beschluss vom 11. Dezember 2015 - VfGBbg 77/15 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 2; LV, Art. 5; LV, Art. 9 Abs. 1; LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 2; LV, Art. 52 Abs. 4 - VerfGGBbg, § 21; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2; VerfGGBbg, § 48 - StPO, § 33a; StPO, § 309 Abs. 1; StPO, § 311 - StGB, § 79 Abs. 3; StGB, § 79a - JGG, § 2 Abs. 2; JGG, § 58 Abs. 1 Satz 2; JGG, § 59 Abs. 3; JGG, § 104 Nr. 8 - GVG, §§ 198 ff.; GVG, § 198 Abs. 3 Satz 1 |
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Schlagworte: | - Anhörungsrügeverfahren - Verzögerungsrüge - Widerruf der Bewährung |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 11. Dezember 2015 - VfGBbg 77/15 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 77/15
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IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
S,
Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt
F.
wegen Beschluss des Amtsgerichts Fürstenwalde/Spree vom 8. Juli 2014 (5 Ls 292 Js 31460/07 (93/07)); Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 28. August 2015 (23 Qs 63/14)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
am 11. Dezember 2015
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt
beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten wird abgelehnt.
Gründe:
A.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung.
I.
Der 1988 geborene Beschwerdeführer war am 14. Mai 2008 unter unmittelbarer und mittelbarer Einbeziehung dreier Urteile aus den Jahren 2004 und 2006, denen Taten im Zeitraum Januar 2003 bis April 2005 zugrunde gelegen hatten und für die er zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt worden war, durch das Amtsgericht unter anderem wegen Raubes und gefährlicher Körperverletzung, begangen im Zeitraum Juni 2007 bis Februar 2008, zu einer Einheitsjugendstrafe von 3 Jahren und 10 Monaten verurteilt worden. Er verbüßte diese Strafe teilweise bis zu seiner Entlassung am 23. Dezember 2009, die aufgrund eines die Strafaussetzung zur Bewährung gewährenden Beschlusses des Amtsgerichts Cottbus vom 18. Dezember 2009 erfolgte. Mit Beschluss vom 5. Dezember 2012 war diese zunächst für die Dauer von drei Jahren gewährte Strafaussetzung zur Bewährung wegen der ungeklärten Ausbildungs- und Berufsperspektive des Beschwerdeführers und weiterer offener Strafverfahren um ein Jahr verlängert worden.
Mit dem angegriffenen Beschluss vom 8. Juli 2014 widerrief das Amtsgericht die Strafaussetzung zur Bewährung. Der Beschwerdeführer hatte innerhalb der Bewährungszeit - von Juli 2010 bis März 2012 - weitere Straftaten - unter anderem abermals einen Raub - begangen. Auf die Möglichkeit des Widerrufs hatte es den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 22. November 2013 unter Verweis auf noch anhängige Strafverfahren hingewiesen. Am 3. Juli 2014 hatte das Landgericht die Berufung des Beschwerdeführers gegen ein Strafurteil des Amtsgerichts vom 17. Juni 2013 verworfen. Das Urteil ist seit dem 29. März 2015 rechtskräftig.
Die gegen den Widerruf gerichtete sofortige Beschwerde verwarf das Landgericht durch Beschluss vom 28. August 2015, da der Beschwerdeführer sich während der Bewährungszeit strafbar gemacht und damit gezeigt habe, dass sich die der Strafaussetzung zugrunde liegende Erwartung nicht erfüllt habe.
Gegen den Beschluss des Landgerichts erhob der Beschwerdeführer am 2. September 2015 Gehörsrüge, mit der er geltend machte, das Gericht habe sich mit einem wesentlichen Argument der Beschwerdebegründung nicht auseinandergesetzt. Der mit dem Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung verfolgte Zweck könne nicht erreicht werden, da er nicht geeignet sei, auf den mittlerweile 26 Jahre alten Beschwerdeführer noch erzieherisch einzuwirken. Auch sei der Rahmen der Bewährungszeit nach § 22 Jugendgerichtsgesetz (JGG) nicht eingehalten worden. Vor dem Hintergrund des Beschlusses des Amtsgerichts Cottbus vom 18. Dezember 2009 habe die Bewährung längstens bis zum 18. Dezember 2013 widerrufen werden können. Die Strafe sei daher gemäß § 26a JGG zu erlassen.
Das Landgericht verwarf die Gehörsrüge mit Beschluss vom 6. Oktober 2015 als unzulässig und führte zur Begründung aus, die Behauptung des Beschwerdeführers, es habe seinen Sach- und Rechtsvortrag nicht vollständig zur Kenntnis genommen, reiche nicht aus, um eine Verletzung des rechtlichen Gehörs schlüssig darzutun. Die Kammer habe das Vorbringen vielmehr sorgfältig zur Kenntnis genommen und sich hiermit auseinandergesetzt, sie sei aber nicht dazu verpflichtet, jedwedes vorgetragene Argument unabhängig von seiner Stichhaltigkeit in ihrer Entscheidung auch ausdrücklich zu erwähnen. Soweit die Frage der erzieherischen Wirkung des Jugendstrafvollzugs angesprochen werde, sei anzumerken, dass der Beschwerdeführer, der das 24. Lebensjahr deutlich überschritten habe, zur Verbüßung der Reststrafe nach § 85 Abs. 6 JGG aus dem Jugendvollzug herausgenommen und sich der Vollzug nach den Vorschriften des Strafvollzugs für Erwachsene gestalten werde.
II.
Der Beschwerdeführer hat bereits zuvor, am 30. September 2015, Verfassungsbeschwerde erhoben, mit der er einen Verstoß gegen seine Grundrechte auf Freiheit der Person aus Art. 9 Abs. 1 Landesverfassung (LV), auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 LV und auf ein zügiges Verfahren nach Art. 52 Abs. 4 LV geltend macht.
1. Zur Begründung der Verletzung seines Grundrechts aus Art. 9 Abs. 1 LV trägt er vor, mit den einbezogenen Urteilen seien Straftaten erfasst worden, bei denen der Beschwerdeführer zwischen 14 und 16 Jahren alt gewesen sei; bei den weiteren Taten sei er zwischen 17 und 19 Jahren alt gewesen. Er habe zunächst in Untersuchungshaft und in Jugendhaft gesessen und sei sodann nach rund zwei Jahren verbüßter Teilstrafe entlassen worden. Die Freiheit der Person dürfe gemäß Art. 9 Abs. 1 Satz 2 LV nur aufgrund eines Gesetzes und unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Form eingeschränkt werden. Zum Widerruf der Strafaussetzung lägen mit §§ 26, 26a JGG Spezialnormen vor, wobei § 26 Abs. 2 Nr. 1 JGG ein Höchstmaß der Bewährungszeit von vier Jahren vorschreibe. Dieses gesetzlich vorgesehene Höchstmaß habe am 18.Dezember 2013 geendet und sei durch den Widerruf überschritten worden. Dieser sei daher verspätet erfolgt. Die Jugendstrafe habe statt dessen gemäß § 26a JGG erlassen werden müssen; eine zu § 56g Strafgesetzbuch (StGB) vergleichbare Regelung, nach der der Straferlass noch binnen eines Jahres nach Ablauf der Bewährungszeit wegen einer erneut begangenen Straftat widerrufen werden könne, existiere im auf Beschleunigung angelegten Jugendstrafrecht nicht. Soweit in der strafrechtlichen Literatur und Rechtsprechung angenommen werde, eine Frist für den Widerruf bestehe nicht oder sei nur innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Bewährungszeit zulässig, werde das Recht zum Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise ausgedehnt. Jedenfalls bei ganz außergewöhnlichen Verzögerungen - etwa bei einem Zeitraum von zehn Monaten - sei der Widerruf unzulässig. Der Beschwerdeführer habe, nachdem die Reststrafe über mehr als vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt worden sei, darauf vertrauen dürfen, dass diese nicht mehr gegen ihn vollstreckt werde. Die nunmehr erfolgende Vollstreckung sei auch unverhältnismäßig. Mit ihr würden unter anderem Taten aus dem Jahre 2003 geahndet, was mit Sinn und Zweck des Jugendstrafrechts nicht zu vereinbaren sei.
2. Für die behauptete Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör trägt der Beschwerdeführer vor, das Landgericht habe sich nicht in dem erforderlichen Maße mit seiner auf die Besonderheiten des Jugendstrafrechts bezogenen Argumentation auseinandergesetzt. Weder sei es auf die Frage eingegangen, wie eine misslungene Erziehung aus den Jahren 2003 bis 2008 im Jahre 2015 nachgeholt werden solle, noch habe es erkannt, dass der gesetzlich zulässige Zeitraum der Widerrufsentscheidung überschritten worden sei. Schließlich hätten weder das Amts- noch das Landgericht den Beschwerdeführer persönlich angehört oder eine mündliche Verhandlung durchgeführt.
3. Dem Beschwerdeführer fehle bereits seit dem 18. Dezember 2009 die Gewissheit, ob er die restliche Jugendstrafe verbüßen müsse; das Landgericht habe erst ein Jahr nach Einlegung der sofortigen Beschwerde hierüber entschieden. In einer Haftangelegenheit verletze dies das Grundrecht auf ein zügiges Verfahren.
III.
Die Akten des Ausgangsverfahrens sind beigezogen worden.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.
Ihr steht bereits der Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Das in § 45 Abs. 2 VerfGGBbg verankerte Prinzip der Subsidiarität verlangt von einem Beschwerdeführer, dass dieser - über eine bloße Rechtswegerschöpfung hinaus - alles im Rahmen seiner Möglichkeiten Stehende getan hat, um eine etwaige Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder von vornherein zu verhindern. Vor Anrufung des Verfassungsgerichts muss er alle ihm gegebenenfalls zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung ergreifen (st. Rspr., vgl. etwa Beschluss vom 22. Mai 2015 - VfGBbg 32/14 -). Erst wenn dies ergebnislos geblieben ist, kann er das Verfassungsgericht anrufen.
1. Macht der Beschwerdeführer in Anbetracht dieses Erfordernisses noch von einem besonderen Rechtsbehelf Gebrauch, muss er dessen Ergebnis abwarten und kann zunächst noch keine Verfassungsbeschwerde erheben, sofern der Rechtsbehelf nicht von vornherein offensichtlich aussichtslos gewesen war (vgl. Beschlüsse vom 19. Juni 2015 - VfGBbg 43/15 - und vom 22. Mai 2015 - VfGBbg 32/14 -).
Vorliegend hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben, ohne das Ergebnis des von ihm parallel betriebenen Anhörungsrügeverfahrens abzuwarten. Über die von dem Beschwerdeführer zum Landgericht angebrachte Anhörungsrüge nach § 33a StPO war zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde noch nicht entschieden. Daher ist die Verfassungsbeschwerde insgesamt, also nicht nur in Bezug auf eine etwaige Gehörsverletzung, unzulässig. Zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde war nicht auszuschließen, dass die im Erfolgsfalle zur Fortsetzung des fachgerichtlichen Verfahrens führende Anhörungsrüge auch bezogen auf die von dem Beschwerdeführer gerügte Verletzung der Grundrechte aus Art. 9 Abs. 1 LV und aus Art. 52 Abs. 4 LV zur fachgerichtlichen Abhilfe geführt hätte (vgl. Beschlüsse vom 19. Juni 2015 - VfGBbg 43/15 -, vom 22. Mai 2015 - VfGBbg 32/14 -, vom 22. Februar 2013 - VfGBbg 33/12 - und vom 21. Januar 2011 - VfGBbg 28/10 -).
Auf den Abschluss des Anhörungsrügeverfahrens konnte auch nicht deshalb verzichtet werden, weil dieses offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg gewesen wäre. Der Beschwerdeführer ist selbst von einer Gehörsverletzung ausgegangen und hat dies gegenüber dem Landgericht auch zum Ausdruck gebracht.
Da es sich bei der Erschöpfung des Rechtsweges um eine Zugangsvoraussetzung handelt, die bei Erhebung der Verfassungsbeschwerde vorliegen muss, kommt auch ein Ruhen des Verfahrens von vornherein nicht in Betracht (vgl. Beschluss vom 19. Juni 2015 - VfGBbg 43/15 -).
2. Auch soweit der Beschwerdeführer geltend macht, das Landgericht habe erst ein Jahr nach Einlegung der sofortigen Beschwerde über diese entschieden, steht dem der Grundsatz der Subsidiarität entgegen, da der Beschwerdeführer nicht um Rechtsschutz nach den §§ 198 ff. Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) nachgesucht, insonderheit keine Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG erhoben hat. Diese Vorschriften eröffnen die Möglichkeit, bei dem mit der Sache befassten Fachgericht die lange Dauer des Verfahrens formal zu rügen (Verzögerungsrüge). Der Beschwerdeführer war unter Subsidiaritätsgesichtspunkten gehalten, diese Rechtsschutzmöglichkeit wahrzunehmen (vgl. Beschlüsse vom 21. September 2012 - VfGBbg 43/12 - und vom 21. Februar 2014 - VfGBbg 54/13 -; vgl. auch BVerfGK 19, 424, 426 f), da die Verzögerungsrüge dem Landgericht Anlass zur Beschleunigung des Verfahrens gegeben hätte und damit zur Abhilfe grundsätzlich geeignet gewesen wäre. Es spricht viel dafür, dass der Beschwerdeführer nach Ablauf einer angemessenen Wartezeit nach Einlegung der Verzögerungsrüge berechtigt gewesen wäre, Verfassungsbeschwerde zu erheben, da er nur hiermit, und nicht durch die in §§ 198 ff. GVG vorgesehene Entschädigung, sein Grundrecht auf ein zügiges Verfahren durchsetzen kann (vgl. VerfGH Berlin, Beschl. v. 14. Mai 2014 - 85/12 -, juris).
C.
Die Verfassungsbeschwerde ist zudem auch unbegründet. Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde prüft das Verfassungsgericht gerichtliche Entscheidungen nur eingeschränkt. Feststellung und Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung einfachen Rechts und seine Anwendung auf den Einzelfall sind zuvörderst Sache der dafür allgemein zuständigen Fachgerichte und der Nachprüfung durch das Verfassungsgericht solange entzogen, wie nicht Fehler sichtbar werden, die auf ein Übersehen betroffener Grundrechte oder der nicht hinreichenden Berücksichtigung bzw. unrichtigen Anschauung von Bedeutung und Tragweite der Grundrechte beruhen, oder Folge sachfremder und damit objektiv willkürlicher Erwägungen sind (ständige Rechtsprechung, zuletzt Beschluss vom 19. Juni 2015 - VfGBbg 24/15 - m. w. Nachw.). Derartige Fehler lassen die angegriffenen Entscheidungen nicht erkennen.
1. Der Widerruf der Bewährung verletzt den Beschwerdeführer zunächst nicht in seinem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 1 LV und verstößt nicht unter den Gesichtspunkten von Vertrauensschutz und Rechtssicherheit gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 2, Art. 5 LV). Ein Widerruf der Bewährung kann grundsätzlich auch nach Ablauf der Bewährungszeit erfolgen. So hat es das Gericht bereits unbeanstandet gelassen, dass ein Beschwerdeführer erst vier Monate nach Ablauf der Bewährungszeit von einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der Bewährung Kenntnis erhielt (Beschluss vom 25. Mai 2012 - VfGBbg 2/12 -).
Der Beschwerdeführer war vorliegend allerdings bereits mit dem Schreiben des Amtsgerichts vom 22. November 2013 - und damit sogar noch innerhalb der Bewährungszeit - davon unterrichtet worden, dass der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung vom Ausgang noch gegen ihn anhängiger Strafverfahren abhängig gemacht werde. Dem Beschwerdeführer war somit auch deutlich gemacht worden, dass das Gericht erst nach Abschluss der Strafverfahren entscheiden werde. Der Widerruf des Amtsgerichts erfolgte sodann am 8. Juli 2014 und damit nur wenige Tage, nachdem das Landgericht die gegen ein Strafurteil eingelegte Berufung des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 3. Juli 2014 verworfen hatte.
Der Widerruf erfolgte wegen der weitgehend geständigen Einlassung des Beschwerdeführers zudem bereits vor Rechtskraft der zum Widerruf führenden Verurteilung (vgl. BVerfG NJW 2005, 817; Eisenberg, Jugendgerichtsgesetz, 18. Aufl., § 26a Rn. 5 f) und damit zu einem sehr frühen Zeitpunkt; das Gericht hat dagegen bereits entschieden, dass auch ein acht bzw. neun Monate nach Rechtskraft der Verurteilung erfolgender Widerruf verfassungsrechtlich unbedenklich ist (vgl. Beschluss vom 25. Mai 2012 - VfGBbg 2/12 -).
Der Beschwerdeführer musste nach allem mit dem Widerruf rechnen. Ein schützenswertes Vertrauen, der Strafvollstreckung nach Ablauf der Bewährungszeit zu entgehen, konnte bei ihm nicht entstehen; Besonderheiten des Jugendstrafrechts, die zu einer anderen Bewertung führten, sind insofern nicht ersichtlich.
b. Der Einwand des Beschwerdeführers, die (Fortsetzung der) Vollstreckung der Strafe für lange zurückliegende Taten sei unverhältnismäßig und stehe konträr zum Erziehungszweck des Jugendstrafrechts, sodass Art. 9 Abs. 1 LV verletzt sei, bleibt ohne Substanz. Insoweit ist zunächst anzumerken, dass die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen keine Aussage zur Strafvollstreckung selbst treffen, sondern den Widerruf der Bewährung zum Gegenstand haben. Im Übrigen fehlt es bereits an Vortrag dahin, dass vorliegend die in § 79 Abs. 3, § 79a StGB einfachgesetzlich vorgesehene Vollstreckungsverjährung überschritten würde; indem § 2 Abs. 2 JGG auf diese Vorschrift verweist, kommt schließlich zum Ausdruck, dass diesbezüglich keine Besonderheiten des Jugendstrafrechts bestehen.
2. a. Eine persönliche Anhörung vor der Entscheidung über den Widerruf der Bewährung ist zwar prinzipiell nach § 104 Nr. 8, § 58 Abs. 1 Satz 2 JGG gesetzlich vorgesehen, der Beschwerdeführer war jedoch zum Zeitpunkt des Widerrufs bereits 25 Jahre alt und damit seit vier Jahren Erwachsener. Es ist daher von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht ihm mit Schriftsatz vom 1. April 2014 rechtliches Gehör gewährt hat, indem es ihm Gelegenheit gab, zu dem möglichen Bewährungswiderruf schriftlich Stellung zu nehmen (vgl. LG Heidelberg, Beschl. v. 24. April 2007 - 3 Qs 4/07 jug, 3 Qs 4/07, juris), was der Beschwerdeführer mit seinem Schreiben vom 11. April 2014 auch wahrnahm.
b. Die Entscheidung über die sofortige Beschwerde nach § 59 Abs. 3 JGG ergeht im Übrigen gemäß §§ 311, 309 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren nach Aktenlage (vgl. Meyer-Goßner, in: ders./Schmitt, Strafprozessordnung, 58. Aufl., § 309 Rn. 1). Eine persönliche Anhörung des Beschwerdeführers ist nicht vorgesehen.
Der verfassungsrechtliche Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst nicht in jedem Fall einen Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Es ist vielmehr grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, je nach Sachmaterie und Bedeutung der Verfahren für den Einzelnen zu entscheiden, in welchen Gerichtsverfahren auf welche Weise rechtliches Gehör gewährt werden soll. Die Modalitäten der Gehörsgewährung sind damit weitgehend der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber in der jeweils einschlägigen Verfahrensordnung überlassen. Fehlen gesetzliche Vorgaben zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung, besteht von Verfassungs wegen kein genereller Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf eine mündliche Verhandlung oder persönliche Anhörung (vgl. Urteil vom 24. Januar 2014 - VfGBbg 2/13 -).
c. Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV gewährt den Verfahrensbeteiligten das Recht, sich vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu den für diese erheblichen Sach- und Rechtsfragen zu äußern. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass das Gericht dieser Pflicht nachkommt, und es von Verfassungs wegen nicht jedes vorgebrachte Argument ausdrücklich bescheiden muss, bedarf es besonderer Umstände für die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV (st. Rspr., vgl. etwa Beschlüsse vom 22. Mai 2015 - VfGBbg 17/15 -, vom 10. Mai 2007 - VfGBbg 8/07 -, LVerfGE 18, 150, 157, und vom 17. Juni 2011 - VfGBbg 33/10 -). Solche besonderen Umstände legt der Beschwerdeführer hier nicht dar. Vielmehr geht aus dem Beschluss im Anhörungsrügeverfahren hervor, dass das Landgericht das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht etwa übergangen, sondern sich hiermit auseinandergesetzt, aber für unerheblich gehalten hat. Das Grundrecht auf rechtliches Gehör schützt jedoch nicht vor einer abweichenden (womöglich auch unzutreffenden) Rechtsauffassung des Gerichts (st. Rspr., vgl. etwa Beschluss vom 22. Mai 2015 - VfGBbg 17/15 -).
D.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten ist abzulehnen, da die Verfassungsbeschwerde aus den vorgenannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 48 VerfGGBbg in Verbindung mit §§ 114, 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung).
E.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Möller | Dr. Becker |
Dielitz | Dresen |
Dr. Fuchsloch | Partikel |
Dr. Lammer | Nitsche |
Schmidt |