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VerfGBbg, Beschluss vom 9. Dezember 2004 - VfGBbg 42/04 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 3
- ZPO, § 766; ZPO, § 767; ZPO, § 794 Abs. 1 Nr. 5
Schlagworte: - Zivilprozeßrecht
- Subsidiarität
- rechtliches Gehör
- Willkür
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 9. Dezember 2004 - VfGBbg 42/04 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 42/04



IM NAMEN DES VOLKES

 
B E S C H L U S S
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

R.,

Beschwerdeführer,

gegen die Beschlüsse des Landgerichts Potsdam vom 01. Juli 2004 und 21. Juni 2004 ... sowie gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Potsdam vom 03. Mai 2004 und 15. April 2004 ...

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Weisberg-Schwarz, Prof. Dawin, Prof. Dr. Dombert, Havemann, Dr. Jegutidse, Dr. Knippel, Prof. Dr. Schröder und Prof. Dr. Will

am 09. Dezember 2004

b e s c h l o s s e n :

1. Das Verfahren betreffend den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung wird eingestellt.

2. Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

G r ü n d e

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Beschluß des Landgerichts Potsdam vom 21. Juni 2004, mit dem seine sofortige Beschwerde einschließlich des Antrags, die Zwangsvollstreckung aus bestimmten notariellen Urkunden für unzulässig zu erklären, zurückgewiesen wurde, sowie gegen den seinen hierauf eingelegten weiteren Rechtsbehelf zurückweisenden Beschluß des Landgerichts vom 01. Juli 2004. Ebenso beanstandet er die im Zwangsvollstreckungsverfahren vorausgegangenen Beschlüsse des Amtsgerichts Potsdam vom 15. April und 03. Mai 2004. Außerdem greift er eine Ablehnung seines Kostenfestsetzungsantrages durch den Rechtspfleger beim Amtsgericht vom 15. Oktober 2004 mit der Verfassungsbeschwerde an.

I.

Der Beschwerdeführer, ein früherer Notar, ist ausweislich notarieller Urkunde, in der er sich gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozeßordnung (ZPO) der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, Schuldner einer Grundschuld. Die Hypo Real Estate Bank AG machte die Gläubigerstellung geltend und ließ beim Amtsgericht Potsdam die Zwangsvollstreckung im Wege der Zwangsversteigerung von Wohneigentumsanteilen des Beschwerdeführers einleiten.

Mit seiner Erinnerung gemäß § 766 ZPO vom 13. Januar 2004 machte der Beschwerdeführer geltend, es fehle ein wirksamer Vollstreckungstitel, weil die Vollstreckung aus notariellen Urkunden zulasten von Verbrauchern unzulässig sei. Internationales Recht verlange zunächst ein gerichtliches Erkenntnisverfahren; es liege ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 der Richtlinie 93/13/EWG, nämlich eine rechtsmißbräuchliche Benachteiligung eines Verbrauchers, vor.

Amts- und Landgericht wiesen in den angegriffenen Beschlüssen vom 15. April, 03. Mai und 21. Juni 2004 die Erinnerung bzw. die nachfolgende sofortige Beschwerde zurück, weil der Beschwerdeführer materiell-rechtliche Einwendungen geltend mache, die nicht vom Vollstreckungsgericht im allein für Rügen formeller Mängel vorgesehenen Erinnerungsverfahren (§ 766 ZPO) zu prüfen seien, sondern mit einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO beim Prozeßgericht geltend gemacht werden müßten.

Den neuerlichen, als Beschwerde bezeichneten Rechtsbehelf des Beschwerdeführers vom 30. Juni 2004, mit dem er insbesondere die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und des Gleichheitssatzes nach Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und Art. 3 Abs. 1 GG geltend machte, hilfsweise die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof und weiter hilfsweise die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragte sowie die Entscheidung durch die Einzelrichterin beanstandete, wies das Landgericht mit Beschluß vom 01. Juli 2004 zurück.

II.

Der Beschwerdeführer rügt mit der am 02. August 2004 erhobenen Verfassungsbeschwerde die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör und auf willkürfreie Entscheidung durch die Beschlüsse des Amts- sowie des Landgerichts. Diese Gerichte hätten seine Vollstreckungserinnerung nicht als unzulässig behandeln dürfen. Aus zwei Urteilen der Oberlandesgerichte Braunschweig und Frankfurt/Main ergebe sich, daß eine von Amts- und Landgericht für statthaft angesehene Vollstreckungsabwehrklage nicht zulässig wäre. Zugleich beantragte der Beschwerdeführer den Erlaß einer einstweiligen Anordnung durch das Verfassungsgericht.

Das Amtsgericht Potsdam hat zwischenzeitlich mit rechtskräftig gewordenem Beschluß vom 18. August 2004 das Zwangsversteigerungsverfahren und die Beschlagnahme aufgehoben, weil die Gläubigerin über Monate hinweg bestimmte Vollstreckungsvoraussetzungen (Klauselumschreibung und Zustellung) nicht nachgewiesen habe. Die Gläubigerin ließ dem Beschwerdeführer am 27. September 2004 eine Vorpfändung (§ 845 ZPO) zustellen, gegen die er wiederum Erinnerung beim Amtsgericht Potsdam einlegte.

Der Beschwerdeführer hat daraufhin seinen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zurückgenommen. An seiner Verfassungsbeschwerde halte er fest, weil zu befürchten stehe, daß das Amts- und das Landgericht in einem neuen Zwangsvollstreckungsverfahren ihm gegenüber den gleichen Standpunkt einnehmen werden wie bisher. Auch greife er jetzt eine seinen auf § 788 ZPO gestützten Kostenfestsetzungsantrag ablehnende Entscheidung des Rechtspflegers beim Amtsgericht vom 15. Oktober 2004 an. Zudem bitte er, das Verfassungsbeschwerdeverfahren auszusetzen, um weitere tatsächliche Entwicklungen und Entscheidungen der Gerichte und ggf. der Gläubigerin abzuwarten.

III.

Die Gläubigerin des Ausgangsverfahrens sowie das Amts- und das Landgericht haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Verfahrensakten sind beigezogen worden.

B.

I.

Das Verfahren betreffend den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung war nach der mit Schreiben vom 25. Oktober 2004 erklärten Antragsrücknahme gemäß § 13 Abs. 1 des Verfassungsgerichtsgesetzes Brandenburg (VerfGGBBg) in Verbindung mit § 92 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung einzustellen.

II.

Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Ihrer Zulässigkeit steht der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde entgegen.

Der Grundsatz der Subsidiarität verlangt von einem Beschwerdeführer, daß er vor der Anrufung des Verfassungsgerichts - über eine Rechtswegerschöpfung im engeren Sinne hinaus - alles im Rahmen seiner Möglichkeiten stehende unternommen haben muß, um eine etwaige Grundrechtsverletzung zu verhindern oder zu beseitigen. Er mußte deshalb vor Anrufung des Verfassungsgerichts alle nach Lage der Dinge ihm gegebenenfalls zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zur Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung ergreifen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg in ständiger Rechtsprechung, vgl. etwa Beschluß vom 18. Juni 1996 - VfGBbg 20/95 -, LVerfGE 4, 201, 205 m. w. N.).

Der Beschwerdeführer hätte deshalb zunächst Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO), ggf. in Verbindung mit einem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung (§ 769 ZPO), bzw. eine auf den vollstreckbaren Anspruch bezogene Feststellungsklage (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 1992 - VII ZR 204/90, - NJW 1992, 2160 = BGHZ 118, 229) erheben müssen.

Amts- und Landgericht haben das Vorbringen des Beschwerdeführers zur vermeintlichen Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels wegen Verstoßes gegen die europäische sog. Klauselrichtlinie (93/13/EWG vom 05. April 1995) - nämlich daß eine rechtsmißbräuchliche Benachteiligung des Beschwerdeführers als eines Verbrauchers vorliege - als materiell-rechtliche Einwendung angesehen und dafür die Zulässigkeit der Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) des Beschwerdeführers verneint. Hiergegen ist von Verfassungs wegen nichts zu erinnern. Selbst die beiden vom Beschwerdeführer bezeichneten obergerichtlichen Entscheidungen enthalten keine grundsätzlich andere Würdigung. Denn sie betreffen Erinnerungen, in denen es nach der von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden Ansicht von Amts- und Landgericht lediglich um formell-rechtliche Einwendungen gegangen ist, nämlich im besonderen um eine nach dem Text des notariellen Vertrages mit Vollstreckungsunterwerfungsklausel bzw. des sonstigen Titels unzureichende Bestimmtheit der zu vollstrecken bezweckten (Teil-)Forderung bzw. Zinsregelung (OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 29. Oktober 1997 - 9 U 32/97 -, InVO 1998, 235 f.; OLG Braunschweig, Urteil vom 23. März 2000 - 2 U 133/99 -, BauR 2000, 1229 unter Bezugnahme u.a. auf BGH, Urteil vom 14. Mai 1992, a.a.O., zu dem das BGH-Urteil vom 22. Oktober 1998 - VII ZR 99/97 -, NJW 1999, 51 festhält, der Senat habe „bislang nur zur formellen Wirksamkeit (Vollstreckungsfähigkeit) solcher Klauseln Stellung genommen“).

Amts- und Landgericht haben dem Beschwerdeführer im Zuge der Zurückweisung seines bewußt nur als Erinnerung gemäß § 766 ZPO geführten Rechtsbehelfs namentlich den Weg der Vollstreckungsabwehrklage als statthaft aufgezeigt. Von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, war dem Beschwerdeführer auch nicht unzumutbar (vgl. zu diesem Kriterium: BVerfGE 52, 380, 387; 68, 376, 381), zumal er mit Rücksicht darauf, daß der Vollstreckung aus notariellen Urkunden ein Erkenntnisverfahren regelmäßig nicht vorangegangen ist, gemäß § 797 Abs. 4 ZPO im Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage vom weitgehenden Einwendungsausschluß des § 767 Abs. 2 ZPO ausgenommen ist.

Soweit der Beschwerdeführer nunmehr eine Ablehnung seines Kostenfestsetzungsantrages durch den Rechtspfleger beim Amtsgericht vom 15. Oktober 2004 mit der Verfassungsbeschwerde angreifen will, kann dahinstehen, ob es insoweit sogar noch an einer Entscheidung, einem nach Art. 6 Abs. 2 LV, § 45 Abs. 1 VerfGGBbg mit der Verfassungsbeschwerde angreifbaren Akt der öffentlichen Gewalt des Landes Brandenburg, fehlt. Der Verfassungsbeschwerde steht jedenfalls auch insoweit der Grundsatz der Subsidiarität entgegen, da die fachgerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten (insbesondere sofortige Beschwerde gemäß §§ 788 Abs. 2 Satz 1, 104 Abs. 3 ZPO) nicht ausgeschöpft sind.

Danach kommt es auf die weiteren Zulässigkeitsbedenken, die das Verfassungsgericht in seinen Hinweisschreiben vom 20. September und 06. Oktober 2004 geäußert hat, nicht an.

Das Verfassungsgericht sieht keine Veranlassung, das Verfassungsbeschwerdeverfahren auszusetzen, zumal sich an den Gründen der Unzulässigkeit dieses Verfahrens auch nachträglich nichts ändern würde.
 

Weisberg-Schwarz Prof. Dawin
   
Prof. Dr. Dombert Havemann
   
Dr. Jegutidse Dr. Knippel
 
Prof. Dr. Schröder Prof. Dr. Will