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VerfGBbg, Beschluss vom 9. Oktober 2015 - VfGBbg 65/15 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 6 Abs. 1; LV, Art. 12 Abs. 1
- VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 21 Satz 1; VerfGGBbg, § 46
- OBGBbg, § 13
- HundeHVBbg, § 1; HundeHVBbg, § 8
- VwGO, § 80 Abs. 5; VwGO, § 80 Abs. 7; VwGO, § 152 Abs. 1; VwGO, § 166 Abs. 1 Satz 1
- ZPO, § 114 Satz 1
Schlagworte: - Hundehaltung
- Prozesskostenhilfe
- Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 9. Oktober 2015 - VfGBbg 65/15 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 65/15




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

K,

Beschwerdeführer,

wegen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. April 2015 (OVG S 6.15)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 9. Oktober 2015

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer und Schmidt

beschlossen: 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

Gründe:

A.

 

 

 

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe.

I.

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer und Halter eines Hundes, dessen Rasse er gegenüber der Ordnungsbehörde der Stadt Neuruppin mit „Irish Bulldog Terrier“ bzw. mit „Irish Bulldog Terrier Mix“ angab und für den bestimmt werden soll, ob es sich um einen gefährlichen Hund im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 der Ordnungsbehördlichen Verordnung über das Halten und Führen von Hunden (HundehV) handelt.

1. Die Frage der Rassezugehörigkeit ist Gegenstand mehrerer verwaltungsgerichtlicher Verfahren und einer hierzu bereits erhobenen Verfassungsbeschwerde (Verfahren VfGBbg 39/15).

a. Der Bürgermeister der Stadt Neuruppin (nachfolgend: Bürgermeister) gab dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 11. Juli 2013 unter Berufung auf § 13 Abs. 1 des Gesetzes über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden (Ordnungsbehördengesetz Brandenburg - OBGBbg) auf, ein von einem anerkannten Sachverständigen erstelltes Gutachten über die Rassezugehörigkeit (Rassegutachten) seines Hundes vorzulegen und benannte zugleich zwei in Betracht kommende Sachverständige. Der mögliche Verstoß gegen das Haltungsverbot stelle eine (Anscheins-)Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar, zu deren Abwehr die notwendigen Maßnahmen zu treffen seien. Mit der Vorlage des Gutachtens solle Sicherheit zu der Rassezugehörigkeit des Hundes erlangt werden. Den Bescheid erklärte er für sofort vollziehbar.

Mit wiederum für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 2. August 2013 setzte der Bürgermeister gegenüber dem Beschwerdeführer sodann die Sicherstellung des Hundes fest, verfügte dessen Übergabe an das Ordnungsamt und ordnete für den Fall der Nichtbefolgung unmittelbaren Zwang an. Zur Begründung führte er aus, der Beschwerdeführer sei seiner Verpflichtung aus dem Bescheid vom 11. Juli 2013 nicht nachgekommen und habe kein Rassegutachten vorgelegt.

Das Verwaltungsgericht Potsdam ordnete mit Beschluss vom 30. August 2013 gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Beschwerdeführers gegen die Ordnungsverfügung vom 11. Juli 2013 sowie eines „noch einzulegenden Widerspruches“ gegen den Bescheid vom 2. August 2013 wegen der nicht hinreichenden Substantiierung der Anscheinsgefahr durch den Bürgermeister an.

Mit Beschluss vom 22. Juli 2014 (OVG 5 S 28.13) änderte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG Bln-Bbg) diese Entscheidung und lehnte die Anträge des Beschwerdeführers ab. Zur Begründung führte es aus, hinsichtlich der Ordnungsverfügung vom 11. Juli 2013 sei das Verwaltungsgericht zu Unrecht von günstigen Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs ausgegangen, da es konkrete Anhaltspunkte gebe, dass es sich bei dem Hund um einen Staffordshire Bullterrier oder um eine Kreuzung handele, die rassespezifische Merkmale eines Staffordshire Bullterriers enthalte. Damit liege eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit vor. Bezüglich des Bescheides vom 2. August 2013 gehe der Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung ins Leere bzw. fehle es am erforderlichen Rechtsschutzinteresse, da der Bescheid bestandskräftig geworden sei, der Beschwerdeführer habe nämlich keinen Widerspruch eingelegt.

b. Ein zwischenzeitlich von dem Beschwerdeführer vorgelegtes Rassegutachten erkannte der Bürgermeister nicht an. Mit Beschluss vom 29. September 2014 (VG 3 L 934/14) lehnte das Verwaltungsgericht einen Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO mit dem Ziel, die Rassezugehörigkeitsbescheinigung der vom Beschwerdeführer beauftragten Sachverständigen „nicht anzuzweifeln“, ab. Zur Begründung führte es aus, der Antragsgegner sei gemäß § 24 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) gehalten, den für seine Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aufzuklären, wofür er sich der Beweismittel bedienen könne, die er für erforderlich halte; insbesondere könne er weitere Gutachten durch Sachverständige erstellen lassen, wenn er weiter zweifele und vorliegende Gutachten nicht für ausreichend erachte.

Mit Beschluss vom 10. Februar 2015 (OVG 5 S 40.14) lehnte das OVG Bln-Bbg den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für seine gegen den Beschluss des Verwaltungsgericht gerichtete Beschwerde ab und wies diese zugleich zurück. Sie könne, ungeachtet der Bestandskraft des Bescheides vom 2. August 2013, keinen Erfolg haben, da das vom Beschwerdeführer vorgelegte Rassegutachten weder von einer vom Bürgermeister anerkannten noch von einer auf der Liste des Ministeriums des Innern „Sachverständige für die Sachkundeprüfung“ vom 23. November 2005 geführten Sachverständigen erstellt worden sei. Dass die von ihm betraute Sachverständige auf einer überholten Liste des Ministeriums des Innern aus dem Jahr 2004 aufgeführt gewesen sei, begründe keinen Anspruch auf Berücksichtigung des Rassegutachtens. Auch seien vom Bürgermeister benannte Zweifel an der Eignung des vorgelegten Gutachtens nicht von der Hand zu weisen.

2. Mit Beschluss vom 3. Februar 2015 (VG 3 L 1117/14) lehnte das Verwaltungsgericht einen Antrag des Beschwerdeführers ab, die

„Zwangsvollstreckung bis zum Erlass eines Urteils im Verfahren VG 3 K 2677/14 aus der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 11. Juli 2013 sowie des Festsetzungs- und Androhungsbescheides vom 2. August 2013 einzustellen“,

wobei es den Antrag als nach § 80 Abs. 7 VwGO auf Änderung des Beschlusses des OVG Bln-Bbg vom 22. Juli 2014 gerichtet wertete. Zur Begründung führte es unter Verweis auf seinen Beschluss vom 29. September 2014 aus, eine Begutachtung des Hundes bleibe auch nach Vorlage des Rassegutachtens erforderlich. Angesichts der vom Beschwerdeführer im Verfahren verwendeten Vielzahl von Bezeichnungen - „Irish Bulldog Terrier“, „Bullterrier“, „Irish Staffordshire Bullterrier“ - beseitige das inhaltlich wenig aussagekräftige Gutachten nicht die dem Beschluss des OVG Bln-Bbg zugrunde gelegten konkreten Anhaltspunkte für die Annahme, bei dem Hund handele es sich um einen Staffordshire Bullterrier. Im Übrigen stelle die Vorlage des Gutachtens keine Erfüllung der Verfügung vom 11. Juli 2013 dar, ein Gutachten durch einen der beiden in dem Bescheid konkret bezeichneten Gutachter erstellen zu lassen. Da der Bescheid insoweit keinen Bezug auf andere Gutachter nehme, etwa durch Bezugnahme auf Gutachterlisten, komme es nicht darauf an, ob die genannten Gutachter oder die vom Beschwerdeführer beauftragte Gutachterin in Gutachterlisten aufgenommen seien. Schließlich könne der Beschwerdeführer nicht mit Erfolg einwenden, gegen den Bescheid vom 2. August 2013 Widerspruch erhoben zu haben, da der Bescheid für sofort vollziehbar erklärt worden und damit auch im Falle eines erhobenen Widerspruches vollziehbar bleibe. Das hiergegen betriebene Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO sei bislang wegen der Entscheidung des OVG Bln-Bbg vom 22. Juli 2014 ohne Erfolg geblieben, und es sei kein veränderter Umstand im Sinne des § 80 Abs. 7 VwGO erkennbar, der nach diesem Beschluss, der den Bescheid vom 2. August 2013 für bestandskräftig erachtet habe, eingetreten sei.

Den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine gegen diesen Beschluss zu erhebende Beschwerde lehnte das OVG Bln-Bbg mit dem angegriffenen Beschluss vom 29. April 2015 ab, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 11. Mai 2015 zugestellt.

II.

Der Beschwerdeführer hat am 13. Juli 2015, einem Montag, Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt die in der Versagung der Prozesskostenhilfe liegende Verletzung seines Grundrechts aus Art. 6 Abs. 1 LV auf Eröffnung des Rechtsweges und auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Weiter stelle die wegen § 152 Abs. 1 VwGO fehlende Möglichkeit einer Beschwerde gegen den ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss eines Oberverwaltungsgerichts eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 LV und des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 12 Abs. 1 LV in seiner Ausprägung als Willkürverbot dar.

Das OVG Bln-Bbg habe die an die Erfolgsaussichten des beabsichtigten Rechtsmittels zu stellenden Anforderungen überspannt, da der von ihm, dem Beschwerdeführer, unterbreitete Vortrag, insbesondere das von ihm vorgelegte Rassegutachten, einen Erfolg des Rechtsmittels jedenfalls möglich erscheinen lasse; nicht zulässig sei es dagegen, dass die Prüfung der streitigen Sach- und Rechtsfragen in das Verfahren auf Gewährung von Prozesskostenhilfe vorverlagert werde. Anders, als das Verwaltungsgericht angenommen habe, müsse für die Anerkennung eines Sachverständigen für die Rassebegutachtung auf einen (landesweit) einheitlichen Maßstab abgestellt werden, hierfür komme eine vom Ministerium des Innern des Landes Brandenburg aufgelegte Gutachterliste in Betracht; es könne dagegen nicht angehen, dass jede Ordnungsbehörde für sich eigenständig eine Auswahl treffe. Hierin liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz begründet, da die Gutachterin in verschiedenen Gemeinden Brandenburgs anerkannt sei.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig, da sie nicht den Begründungserfordernissen aus § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg genügt.

1. Der Vortrag des Beschwerdeführers lässt zunächst eine mögliche Verletzung seiner Grundrechte durch den angegriffenen Beschluss des OVG Bln-Bbg  vom 29. April 2015 nicht erkennen; es wird nicht dargelegt, dass das OVG Bln-Bbg die an die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) zu stellenden Anforderungen überspannt hat.

Die Annahme der Verwaltungsgerichte, das seitens des Beschwerdeführers vorgelegte Rassegutachten erfülle nicht die in dem Ausgangsbescheid vom 11. Juli 2013 auferlegte Verpflichtung, wird erkennbar auf zwei Gründe gestützt: Zum einen habe der Beschwerdeführer keinen der in dem Bescheid benannten Gutachter beauftragt, zum anderen beseitige das von ihm vorgelegte Gutachten nicht die Zweifel über die Zugehörigkeit des Hundes zu einer unter § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 HundehV fallenden Rasse.

Diesen Begründungen tritt der Beschwerdeführer nur bezüglich der Frage der Auswahl der Sachverständigen, nicht aber auch mit Blick auf die angenommene mangelnde Qualität des Gutachtens selbst entgegen; hierzu ist er jedoch verpflichtet, da jeder der beiden Begründungsansätze die Entscheidung selbständig zu tragen vermag.

Das OVG Bln-Bbg hatte in seinem Beschluss vom 22. Juli 2014 bereits dargelegt, aus welchen tatsächlichen Gründen heraus Anhaltspunkte für die Annahme bestanden, bei dem Hund des Beschwerdeführers handele es sich um einen „Staffordshire Bullterrier“ oder um eine Kreuzung dieser mit einer anderen Hunderasse. Unter anderem hatte es sich auf eine Beschreibung von 15 entsprechenden Rassemerkmalen des Hundes durch die Ordnungsbehörde, die unbestritten geblieben war, bezogen und weiter ausgeführt, der Züchter, bei dem der Beschwerdeführer den Hund erworben hatte, habe in seiner Internetpräsentation ausdrücklich betont, bei den Hunden handele es sich um solche (oder könne es sich um solche handeln), die der thüringischen Rasseliste unterfielen; diese sei, so das OVG Bln-Bbg, ihrerseits zu § 8 Abs. 2 HundehV vergleichbar. Die Verwendung von Rassebezeichnungen, die in Fachkreisen nicht bekannt und auch nicht im FCI (Federation Cynologique International) zu finden seien, könne nicht zu einer Umgehung der Vorschriften der HundehV führen.

Bereits in seinem Beschluss vom 10. Februar 2015 hat das OVG Bln-Bbg sodann auf Zweifel an der Eignung des Gutachtens hingewiesen, die nicht von der Hand zu weisen seien. Dieses hatte sich - ohne eine nähere Begründung zu geben - auf die bloße Feststellung beschränkt, bei dem Hund handele es sich aufgrund der Größe, der Gesamterscheinung und vom Phänotyp her um ein Exemplar der Rasse „Irish Bulldog Terrier“.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde legt der Beschwerdeführer - in Kenntnis der von Anfang an gegen das von ihm vorgelegte Gutachten bestehenden und den Entscheidungen auch in den vorherigen Verfahren zugrunde gelegten Vorbehalte der Verwaltungsgerichte - nicht ansatzweise dar, dass das Verwaltungsgericht die (Un-)Geeig-netheit des zum Nachweis der Rassezugehörigkeit des Hundes erstellten Gutachtens unzutreffend bewertet und dass deshalb die Beschwerde hinreichende Aussicht auf Erfolg hätte. Damit aber fehlt es auch an dem für die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde erforderlichen Vortrag, dass das OVG Bln-Bbg die Erfolgsaussichten der Beschwerde im Rahmen seiner Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe insoweit grundlegend falsch beurteilt und überspannt hätte.

2. Soweit der Beschwerdeführer rügt, gegen den Beschluss des OVG Bln-Bbg sei eine (weitere) Rechtsschutzmöglichkeit nicht gegeben, was Art. 6 Abs. 1 LV verletze, verkennt er, dass Ausgestaltungen des gerichtlichen Verfahrens der VwGO als Bundesrecht nicht mit der Verfassungsbeschwerde zum Verfassungsgericht des Landes Brandenburg angegriffen werden können; hierfür kommen gemäß § 45 Abs. 1 VerfGGBbg nur behauptete Grundrechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt des Landes Brandenburg in Betracht (st. Rspr., vgl. nur Beschluss vom 16. September 2011 - VfGBbg 26/11 -, www.verfassungsgericht-brandenburg.de).

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dr. Fuchsloch
   
Dr. Lammer Schmidt