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VerfGBbg, Beschluss vom 9. September 2016 - VfGBbg 24/16 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 47 Abs. 1 Satz 1
Schlagworte: - Beschwerdefrist
- Anhörungsrüge
- offensichtlich aussichtslos
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 9. September 2016 - VfGBbg 24/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 24/16




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

P.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigter:             Rechtsanwalt
L.,

wegen Beschlüsse des Sozialgerichts Cottbus vom 29. Oktober 2015 (S 30 SF 344/15 E) und vom 19. Januar 2016 (S 30 SF 601/16 E RG)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 9. September 2016

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer und Partikel

beschlossen: 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

 

Gründe:

 

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen eine sozialgerichtliche Entscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren.

 

I.

Nach Abschluss eines sozialgerichtlichen Verfahrens setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Cottbus mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Juli 2015 (S 10 AS 4064/12) die dem Beschwerdeführer vom Beklagten zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf 204,68 € fest. Zur Begründung führte sie aus, es sei eine Anhörung des Beklagten zur Kostenfestsetzung erfolgt, auf dessen Kostenangebot sei durch den Bevollmächtigten des Beschwerdeführers auch nach wiederholter Aufforderung nicht reagiert worden; da dem Kostenangebot offensichtlich nicht entgegengetreten werde, erfolge die Festsetzung entsprechend dem Angebot im Schreiben des Beklagten.

 

Der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers legte hiergegen Erinnerung ein. Das Gericht habe sich dem Vortrag der Gegenseite in Bezug auf die Angemessenheit der geltend gemachten Gebühren angeschlossen, ohne selbst eine Prüfung der Sache vorzunehmen. Eine Stellungnahme auf das Kostenangebot sei unterblieben, weil es inakzeptabel gewesen sei. Die Gegenseite maße sich an, über den Umfang und die Qualität der Arbeit des Bevollmächtigten ein Urteil zu fällen. Das Gericht mache sich hinsichtlich des Ansatzes der Mindestgebühr für das Widerspruchsverfahren keine Vorstellungen darüber, was auf Seiten des Bevollmächtigten passiere, bevor ein Widerspruch erhoben werde. Die Veranschlagung der Mindestgebühr des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) sei unrealistisch. Zu Unrecht werde auf die angeblich unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers abgestellt, denn er habe einen Kostenerstattungsanspruch gegen einen Dritten. Die Bedeutung der Sache sei aufgrund des Bezuges von Grundsicherungsleistungen als deutlich überdurchschnittlich zu bewerten. Auf "besondere rechtliche Schwierigkeiten" komme es im Rahmen des § 14 RVG nicht an. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei als durchschnittlich zu bewerten. Im Weiteren werde nach RVG bei der Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG bereits eine Reduzierung wegen der Tätigkeit im vorgerichtlichen Verfahren vorgenommen, sodass eine weitere Herabsetzung unbillig sei. Auch die Höhe der geltend gemachten weiteren Gebühren sei angemessen. Sofern das Gericht versuche, Synergieeffekte zu konstruieren und diese der Gebührenbemessung zugrunde zu legen, werde dies ausdrücklich bestritten. Jedes Verfahren sei für sich selbst zu beurteilen und zu bearbeiten.

 

Das Sozialgericht Cottbus wies die Erinnerung durch Beschluss vom 29. Oktober 2015 zurück (S 30 SF 344/15 E), der am 10. Dezember 2015 beim Bevollmächtigten des Beschwerdeführers einging. Die Entscheidung der Urkundsbeamtin beruhe auf dem Antrag des beklagten Jobcenters. Da der Bevollmächtigte im Kostenfestsetzungsverfahren dem Vortrag des Jobcenters nicht substantiiert entgegengetreten sei und auch im Erinnerungsverfahren außer allgemeinen Erwägungen nichts dargetan habe, wieso die substantiierte Einschätzung der Behörde im konkreten Einzelfall unzutreffend sein solle, schließe sich auch das Gericht dem Kostenfestsetzungsbeschluss an.

 

Mit seiner Anhörungsrüge vom 10. Januar 2016 machte der Beschwerdeführer geltend, das Gericht möge das Erinnerungsschreiben, über das es entschieden habe, "wenigstens lesen". Dann wäre aufgefallen, dass dort sehr wohl konkrete Argumente gegen die Kostenfestsetzung vorgebracht worden seien. Dort sei nämlich ausdrücklich und unter Benennung von Rechtsprechung dargelegt worden, dass im vorliegenden Verfahren gerade nicht von unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen auszugehen sei. Die Entscheidung des Gerichts, die standardmäßig auf alle Erinnerungen ergehe, stelle eine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs dar.

 

Das Sozialgericht Cottbus verwarf die Gehörsrüge mit Beschluss vom 19. Januar 2016 als unzulässig (S 30 SF 601/16 E RG). Aus der Rüge sei lediglich erkennbar, dass der Bevollmächtigte sich hinsichtlich der Rüge ausschließlich auf die Begründungen des Beschlusses des Gerichts beziehe. Das Fehlen des rechtlichen Gehörs werde hingegen nicht substantiiert unter Beweis gestellt. Die substantiierte Darstellung der konkreten Verletzung des rechtlichen Gehörs sei jedoch Zulässigkeitsvoraussetzung für die Anhörungsrüge. Die Gehörsrüge diene nicht der nochmaligen Überprüfung der Entscheidung, sondern schaffe allein die Möglichkeit, im Falle der Verletzung des rechtlichen Gehörs dieses zu gewähren. Der Beschluss ist dem Bevollmächtigten am 3. Mai 2016 zugegangen.

II.

Mit seiner am 31. Mai 2016 erhobenen Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend.

 

Das Sozialgericht habe den Vortrag seines Bevollmächtigten aus seiner Erinnerung vollständig ignoriert und sich auf eine rein formelle und auch unzutreffende Betrachtungsweise zurückgezogen, wenn es meine, die Gehörsverletzung sei nicht glaubhaft gemacht worden. Damit verkenne das Sozialgericht die Voraussetzungen einer Anhörungsrüge. Es sei schon unklar, welche konkreten Tatsachen nicht glaubhaft gemacht worden sein sollen. Der gesamte Schriftverkehr ergebe sich aus der Gerichtsakte, so dass es keiner Glaubhaftmachung bedurft habe. Auch habe das Sozialgericht versäumt, ihn vor der Verwerfung der Anhörungsrüge einen Hinweis auf die unterbliebene Glaubhaftmachung zu erteilen.

 

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

 

I.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig, soweit sie sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 19. Januar 2016 (S 30 SF 601/16 E RG) richtet, mit dem die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers verworfen wurde. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichts, dass Anhörungsrügen zurückweisende gerichtliche Entscheidungen mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht selbständig mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden können, weil sie keine eigenständige Beschwer schaffen. Sie lassen allenfalls mit der Ausgangsentscheidung bereits eingetretene Verletzungen des rechtlichen Gehörs fortbestehen, indem eine Selbstkorrektur durch das Fachgericht unterbleibt. Ein schutzwürdiges Interesse an einer - zusätzlichen - verfassungsgerichtlichen Überprüfung der Gehörsrügeentscheidung besteht nicht (vgl. Beschlüsse vom 9. Oktober 2015 - VfGBbg 39/15 -, vom 12. Dezember 2014 - VfGBbg 23/14 - und vom 15. Juli 2011 - VfGBbg 10/11 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).

 

2. Bezüglich des Beschlusses des Sozialgerichts vom 29. Oktober 2015 (S 30 SF 344/15 E) wahrt die Verfassungsbeschwerde die Beschwerdefrist nach § 47 Abs. 1 Satz 1 VerfGGBbg nicht.

 

Die am 31. Mai 2016 eingegangene Verfassungsbeschwerde ist nicht innerhalb der nach § 47 Abs. 1 Satz 1 VerfGGBbg geltenden Zwei-Monats-Frist erhoben worden. Diese beginnt grundsätzlich mit der Zustellung, Verkündung oder Bekanntgabe der letztinstanzlichen Entscheidung. Dies war hier der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 29. Oktober 2015 (vgl. § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz), der dem Bevollmächtigten des Beschwerdeführers nach dessen eigenem Vorbringen am 10. Dezember 2015 zugegangen ist. Die gegen diesen Beschluss erhobene Anhörungsrüge war vorliegend nicht geeignet, die Frist für die Erhebung der Verfassungsbeschwerde offen zu halten (vgl. Beschluss vom 20. November 2015 - VfGBbg 71/15 -, www.ver­fassungsgericht.brandenburg.de; BVerfGE 122, 190, 197). Sie gehörte nicht zum Rechtsweg, da sie offensichtlich aussichtslos war. Denn der Beschwerdeführer hat in der Sache keine Gehörsrüge erhoben. Vielmehr hat er sich mit seinem Einwand, er habe "ausdrücklich und unter Benennung von Rechtsprechung dargelegt …, dass im vorliegenden Verfahren gerade nicht von unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen auszugehen" sei, lediglich im Gewand der Gehörsrüge gegen die vom Sozialgericht vertretene Rechtsauffassung zu den Maßgaben der (Un-)Billig­keit der anwaltlichen Gebührenbestimmung nach § 14 Abs. 1 RVG gewandt. Die Anhörungsrüge dient indes nicht dazu, das Gericht unabhängig vom Vorliegen eines Gehörsverstoßes zur Überprüfung einer dem Rechtsbehelfsführer ungünstigen Rechtsauffassung zu veranlassen, denn das Grundrecht auf rechtliches Gehör schützt nicht vor einer abweichenden (ggf. sogar unzutreffenden) Rechtsauffassung des Gerichts (st. Rspr., vgl. etwa Beschlüsse vom 19. Februar 2016
- VfGBbg 87/15 -, vom 16. Januar 2015 - VfGBbg 29/14 - und vom 19. Oktober 2012 - VfGBbg 72/11 -, www.ver­fassungsgericht.brandenburg.de).

 

II.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dresen
   
Dr. Fuchsloch Dr. Lammer
   
Partikel