VerfGBbg, Beschluss vom 9. August 2001 - VfGBbg 15/01 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 52 Abs. 3 - SachenRBerG, § 116 Abs. 1; SachenRBerG, § 116 Abs. 1 Nr. 3 - ZGB, § 321; ZGB, § 322 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1. |
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Schlagworte: | - Begründungserfordernis - Zivilprozeßrecht - Bundesrecht - Zuständigkeit des Landesverfassungsgerichts - rechtliches Gehör - Prüfungsmaßstab |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 9. August 2001 - VfGBbg 15/01 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 15/01

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren D., Beschwerdeführer, Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt K., gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 6. April 2001 hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg am 9. August 2001 b e s c h l o s s e n : Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen. G r ü n d e : A. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines Hausgrundstücks in der H.-straße 12 in F.. Das Nachbargrundstück, H.-straße 11, unterlag seit 1984 der staatlichen Treuhandverwaltung durch den VEB G.. Unter dem 13. September 1989 schlossen die Ehefrau des Beschwerdeführers als damalige Eigentümerin und der VEB G. eine schriftliche Vereinbarung dahingehend, daß der Eigentümer des Grundstücks H.-straße 12 berechtigt sein sollte, das Grundstück H.-straße 11 zum Befahren mit PKW und LKW zu benutzen. Eine Eintragung im Grundbuch unterblieb. Mit Schreiben vom 24. Juni 1991 forderte der Beschwerdeführer die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die seit 1991 Eigentümerin des Nachbargrundstücks ist, vergeblich auf, aufgrund des eingeräumten Wegerechts einen Schlüssel für das neue Vorhängeschluß zu übergeben oder aber das neue Vorhängeschloß gegen das alte einzutauschen, für welches er einen Schlüssel besitze. Mit seiner - im Jahr 1999 erhobenen – Klage begehrte der Beschwerdeführer die Bewilligung der Eintragung eines Wegerechts zu seinen Gunsten, um die Erreichbarkeit des hinteren Grundstücksteils mit PKW und LKW bis 7,5 t zu gewährleisten. Durch Urteil vom 14. Juni 2000 hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe weder einen Anspruch auf Eintragung eines Wegerechts im Grundbuch gemäß Art. 233 § 5 EGBGB i.V.m.§§ 321, 322 ZGB noch nach § 116 Sachenrechtsbereinigungsgesetz (SachenRBerG). Gemäß § 321 Abs. 1 S. 3 ZGB habe die dauernde Mitbenutzung der Zustimmung des betroffenen Grundstückseigentümers bedurft. Hieran fehle es, da der VEB G. als staatlicher Treuhänder weder durch die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Eigentümer bevollmächtigt worden sei noch eine eigentümerähnliche Stellung gehabt habe. Jedenfalls fehle es an der nach DDR-Vorschriften erforderlichen Genehmigung des Rates des Kreises. Ein Anspruch nach § 116 Abs. 1 SachenRBerG bestehe gleichfalls nicht. Es sei nicht substantiiert vorgetragen worden, daß die Mitbenutzung des Grundstücks erforderlich sei. Der Beschwerdeführer habe seinen Gewerbebetrieb seit 9 Jahren auch ohne Nutzung des Nachbargrundstücks aufrechterhalten können. Zur Begründung seiner Berufung hat der Beschwerdeführer geltend gemacht, daß die Voraussetzungen des § 321 Abs. 1 Satz 3 ZGB erfüllt seien und die – hier zudem gar nicht erforderliche - Zustimmung des Rates des Kreises nachgewiesen sei. Zu dem Rechtsanspruch auf Bestellung einer Dienstbarkeit nach § 116 SachenRBerG sei „hilfsweise“ vorzutragen, daß das Grundstück des Klägers nur über das Nachbargrundstück hofseitig erreichbar und die Zufahrt zum Materiallager auf dem Hof zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs erforderlich sei. Da nach der Rechtsprechung des Kammergerichts das Kriterium der Erforderlichkeit bereits dann erfüllt sei, wenn die Nutzung der Erschließung des eigenen Grundstücks oder Bauwerks objektiv diene und die Zweckerreichung auf anderem Wege kostspieliger, technisch aufwendiger oder anderweitig belästigender wäre, reiche es aus, daß die Zufahrt bis zu der Vereitelung des Zufahrtsrechts durch Auswechslung des Torschlosses durch die Beklagte im Juni 1991 genutzt worden sei. Auch nach Auffassung des BGH sei maßgeblich, ob die Erforderlichkeit bis zum 3. Oktober 1990 vorgelegen habe. Durch Urteil vom 6. April 2001 hat das Landgericht die Berufung zurückgewiesen. Zwar habe der Kläger entgegen der Auffassung des Amtsgerichts zu DDR-Zeiten ein Mitbenutzungsrecht an dem Nachbargrundstück nach § 321 Abs. 1, 322 Abs. 1 ZGB erlangt. Dieses sei aber in der Folgezeit nach § 322 Abs. 3 Satz 1 ZGB erloschen. Da der Kläger sein Herrenkonfektionsgeschäft zum 31. Dezember 2000 aufgegeben habe, seien die Voraussetzungen für die Begründung des gegenständlichen Wege- und Überfahrtrechts weggefallen. Daß der Kläger die Absicht habe, die Räumlichkeiten an Dritte zu gewerblichen Zwecken zu vermieten, ändere hieran nichts. II. Mit seiner am 7. Juni 2001 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Grundrechts auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 Verfassung des Landes Brandenburg (LV). Das rechtliche Gehör sei verletzt, da sich die Entscheidung des Landgerichts nicht mit dem im Rechtsstreit umfassend eingebrachten Vorbringen zur Anspruchsberechtigung nach § 116 Abs. 1 SachenRBerG auseinandersetze. Dies sei jedoch schon deshalb erforderlich gewesen, weil das Amtsgericht diese Anspruchsgrundlage als grundsätzlich einschlägig erachtet und lediglich auf Grundlage des Parteivorbringens als nicht gegeben angesehen habe. Eine Auseinandersetzung sei auch nicht wegen § 116 Abs. 1 Nr. 3 SachenRBerG entbehrlich gewesen, wonach der Anspruch grundsätzlich nicht besteht, wenn ein Mitbenutzungsrecht nach den §§ 321, 322 ZGB begründet worden sei. Bei sachgerechter Würdigung des Vortrags wäre eine anderslautende Entscheidung wahrscheinlich gewesen. Insbesondere schließe die Bejahung eines ursprünglich bestehenden Mitbenutzungsrechts gem. Art. 233 § 5 EGBGB, §§ 321, 322 ZGB nicht von vornherein wegen § 116 Abs. 1 Nr. 3 SachenRBerG die Geltendmachung des Anspruchs aus. Die Begründung des Regierungsentwurfs stelle zu dieser Vorschrift klar, daß dem Schutz des § 116 SachenRBerG sämtliche Fälle erforderlicher Nutzungen unterfallen sollten, in denen nicht ein diesbezüglicher Schutz durch entsprechende Mitbenutzungsrechte bereits bestehe. In praktisch allen Kommentierungen zu dieser Vorschrift werde ein Ausschlußtatbestand nur dann angenommen, wenn das Mitbenutzungsrecht noch fortbestehe. III. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens hält die Verfassungsbeschwerde mangels ausreichender Substantiierung bereits für unzulässig. Die aus dem Grundrecht auf rechtliches Gehör folgende Begründungspflicht der Gerichte beziehe sich nur auf die wesentlichen, der Rechtsverfolgung und –verteidigung dienenden Tatsachen, nicht jedoch auf Rechtsausführungen. Zudem gelte die gerichtliche Begründungspflicht nur für mit ordentlichen Rechtsmitteln angreifbare Entscheidungen. Aufgrund der - infolge der Geschäftsaufgabe des Beschwerdeführers - veränderten Tatsachenlage nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils habe zudem kein Anlaß mehr bestanden, sich mit dem die „Erforderlichkeit der Mitbenutzung“ voraussetzenden Anspruch des § 116 Abs. 1 SachRBerG in den Entscheidungsgründen auseinanderzusetzen. Das Landgericht hat von einer Stellungnahme abgesehen. B. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. 1. Die Verfassungsbeschwerde enthält eine ausreichende Begründung. § 46 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) verlangt, daß der Beschwerdeführer innerhalb der Frist des § 47 VerfGGBbg in der Begründung seiner Beschwerde das Grundrecht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die er sich verletzt fühlt, bezeichnet. Dies ist hier geschehen. Soweit sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darüber hinaus aus dem Sachvortrag des Beschwerdeführers - ebenfalls innerhalb der genannten Frist – mit hinreichender Deutlichkeit die Möglichkeit einer Verletzung seiner Grundrechte oder grundrechtsähnlichen Rechte ergeben muß (vgl. BVerfGE 28, 17, 20 zu § 92 BVerfGG), ist auch diese Voraussetzung hier entgegen der Auffassung der Beklagten des Ausgangsverfahrens noch gewahrt. Indem der Beschwerdeführer darauf hinweist, daß in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils der – einen Kern der Berufungsbegründung ausmachende – Vortrag zu der Anspruchsgrundlage des § 116 Abs. 1 SachBerG nicht erwähnt wird, hat er jedenfalls die Möglichkeit einer Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Nichtberücksichtigung seines Vorbringens ausreichend dargetan.2. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht auch nicht entgegen, daß mit ihr u.a. die Verletzung von Landesgrundrechten bei der Durchführung eines bundesrechtlich - durch die Zivilprozeßordnung - geordneten Verfahrens gerügt wird. Die Voraussetzungen für ein Eingreifen des Landesverfassungsgerichts - keine Rechtsschutzalternativen zur Verfassungsbeschwerde, keine vorangegangene Befassung eines Bundesgerichts, Inhaltsgleichheit der Landes- und Bundesgrundrechte (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 16. April 1998 – VfGBbg 1/98 -, LVerfGE 8, 82, 84 f.) – liegen vor. II. Die Verfassungsbeschwerde ist jedoch nicht begründet. Das angegriffene Urteil des Landgerichts verletzt nicht das Recht des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör. Art. 52 Abs. 3 LV gewährleistet – ebenso wie Art. 103 Abs. 1 GG - das Recht, sich zu den entscheidungserheblichen Fragen vor Erlaß der Entscheidung äußern zu können (vgl. etwa Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 15. September 1994 - VfGBbg 10/93 -, LVerfGE 2, 179, 182). Insoweit bestehen hier keine Anhaltspunkte für einen Verstoß. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das entscheidende Gericht darüber hinaus, die Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 86, 133, 145). Grundsätzlich ist indes davon auszugehen, daß ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, jedwedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung zu bescheiden (BVerfGE 96, 105, 216 f.). Es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, daß das Gericht Vorbringen gar nicht erst in sich aufgenommen hat (vgl. BVerfGE 69, 233, 246, zu Art. 103 Abs. 2 LV). Nach diesen Maßstäben ist ein Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs hier nicht festzustellen: Zwar trifft es zu, daß sich die Entscheidung des Landgerichts nicht ausdrücklich mit dem Vorbringen zur Anspruchsberechtigung nach § 116 Abs. 1 SachenRBerG auseinandersetzt. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ergibt sich hieraus jedoch nicht, daß das Gericht den diesbezüglichen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen und bedacht hat. Insoweit kann dahinstehen, ob – wie die Beklagte des Ausgangsverfahrens meint – das Landgericht diese Ausführungen der Berufungsbegründung schon deshalb außer Betracht lassen konnte, weil es sich nicht um Sachvortrag, sondern um reine Rechtsausführungen handelte. Denn jedenfalls kam es hier auf die Rechtsausführungen zum Tatbestandsmerkmal der „Erforderlichkeit“, auf das das Amtsgericht noch abgestellt hatte, nicht an, weil der Tatbestand des § 116 Abs. 1 SachenRBerG nach dem im Ansatz abweichenden Rechtsstandpunkt des Landgerichts bereits aus anderen Gründen offensichtlich nicht erfüllt war. In der Tat setzt der Anspruch auf Bestellung einer Dienstbarkeit nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 SachenRBerG auch voraus, daß „ein Mitbenutzungsrecht nach den §§ 321 und 322 des Zivilgesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik nicht begründet wurde“. Das Landgericht hat aber gerade angenommen, daß ein derartiges Mitbenutzungsrecht im vorliegenden Fall begründet worden war. Der Ausschlußgrund des§ 116 Abs. 1 Nr. 3 SachenRBerG war damit nach dem Rechtsstandpunkt des Landgerichts erfüllt. Daß das Mitbenutzungsrecht nach Auffassung des Landgerichts in der Folgezeit gemäß § 322 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt., ZGB, wieder erloschen ist, kann daran nichts ändern. Gegen die Auffassung des Beschwerdeführers, daß der Ausschlußtatbestand des § 116 Abs. 1 Nr. 3 SachenRBerG nur zur Anwendung komme, wenn das ursprünglich begründete Mitbenutzungsrecht zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs nach § 116 Abs. 1 SachenRBerG noch fortbestehe, spricht im übrigen neben dem Wortlaut auch die Nachrangigkeit (vgl. hierzu etwa auch das in der Berufungsbegründung zitierte Urteil des KG vom 18. November 1998, VIZ 1999, 356, 358) des Anspruchs auf Bestellung einer Dienstbarkeit gegenüber dem Anspruch aus § 321 und 322 ZGB. Ist ein Mitbenutzungsrecht begründet worden, bedarf es eines – an die Stelle des nicht zustande gekommenen Mitbenutzungsrechts tretenden - Bereinigungsanspruchs nicht (so auch der BGH in dem in der Berufungsbegründung zitierten Urteil vom 25. Februar 2000, VIZ 2000, 366). Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten die in der ehemaligen DDR ohne ausreichende rechtliche Absicherung erfolgten Inanspruchnahmen und Investitionen abgesichert und eine wirtschaftlich unsinnige Verlegung oder Neuerrichtung von baulichen Anlagen vermieden werden (vgl. KG, a.a.O.). Vor diesem Hintergrund kann es nicht Zweck des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes sein, einen über das Notwegrecht gemäß §§ 917 f. BGB hinausgehenden Anspruch auch in solchen Fällen zu gewähren, in denen selbst nach den einschlägigen Vorschriften des ZGB die Voraussetzungen für ein Mitbenutzungsrecht zwar ursprünglich vorlagen, zwischenzeitlich aber entfallen waren. Die Auffassung des Beschwerdeführers liefe auf einen im Rahmen eines Rechtsbereinigungsgesetzes systemwidrigen Anspruch auf Neubegründung eines Mitbenutzungsrechts hinaus. Das Landgericht brauchte unter diesen Umständen auf die von dem Beschwerdeführer geltend gemachten Auslegungsgesichtspunkte, da es hierauf für seine Entscheidung nicht ankam, nicht einzugehen.
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