In dem kommunalen
Verfassungsbeschwerdeverfahren
Gemeinde Falkenrehde,
vertreten durch den ehrenamtlichen Bürgermeister,
dieser vertreten durch den Amtsdirektor des Amtes Ketzin,
Am Mühlenweg 2,
14669 Ketzin,
Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt
S.,
wegen: |
kommunale Neugliederung;
hier: Eingemeindung der Gemeinde Falkenrehde (Amt Ketzin) in die
Stadt Ketzin |
hat das Verfassungsgericht des Landes
Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Weisberg-Schwarz, Prof. Dawin, Prof. Dr.
Dombert, Havemann, Dr. Jegutidse, Dr. Knippel, Prof. Dr. Schröder und Prof.
Dr. Will
am 09. Februar 2006
b e s c h l o s s e n :
Die kommunale Verfassungsbeschwerde wird
zurückgewiesen.
G r ü n d e :
A.
Die Beschwerdeführerin, eine bisher dem
Amt Ketzin angehörende Gemeinde, wehrt sich gegen ihre Auflösung durch
Eingemeindung in die amtsfreie Stadt Ketzin.
I.
1. Die Beschwerdeführerin liegt ungefähr
15 km westlich der Berliner Stadt- und Landesgrenze im Landkreis Havelland.
Das nach dem sogenannten Amtsmodell 1 gebildete bisherige Amt Ketzin mit den
Gemeinden Etzin, Tremmen, Zachow, der Stadt Ketzin und der
Beschwerdeführerin war dem engeren Verflechtungsraum zu Berlin zugeordnet
(s. Art. 1 Anlage 1 § 4 S. 4 Nr. 1 i.V.m. Anhang B 1 des Staatsvertrages vom
7. August 1997 über das gemeinsame Landesentwicklungsprogramm der Länder
Berlin und Brandenburg [Landesentwicklungsprogramm, nachfolgend LEPro] und
über die Änderung des Landesplanungsvertrages [GVBl. 1998 I S. 14]). Sitz
der Amtsverwaltung war Ketzin. Mit einem im April 2002 genehmigten
Gebietsänderungsvertrag gliederte sich die bisherige Gemeinde Etzin zum Tag
der nächsten landesweiten Kommunalwahl (26. Oktober 2003) in die Stadt
Ketzin ein. Das Gebiet des Amtes Ketzin grenzt im Westen an das Amt Beetzsee
und ist im übrigen von den jeweils dem engeren Verflechtungsraum
zugeordneten amtsfreien Kommunen Nauen, Wustermark, Potsdam, Werder und dem
früheren Amt Groß Kreutz umgeben. Die Beschwerdeführerin grenzt im Westen an
die Stadt Ketzin. Die beiden Ortszentren waren ca. sechs Kilometer entfernt.
Über das Gebiet der Beschwerdeführerin verläuft die Bundesstraße 273, die
sie mit ihren beiden anderen Nachbargemeinden Potsdam und Wustermark und
nach ca. 3,5 bzw. 7 Kilometern jeweils mit der Autobahn (Berliner Ring)
verbindet. In Potsdam und Wustermark besteht auch Anschluß zu den nach
Berlin führenden Bundesstraßen 2 und 5 sowie zu mehreren Regionalbahn- und
Regionalexpreßlinien nach Berlin. Mehrere Landesstraßen verbinden die
Gemeinden des Amtes untereinander sowie über Ketzin bzw. über Ketzin und die
Beschwerdeführerin mit dem Bundesstraßen- und Autobahnnetz. Zwei Buslinien
mit zumeist dichter Taktfolge verkehren zwischen den Gemeinden des Amtes
einschließlich der Stadt Ketzin sowie Potsdam und Nauen (z.B. montags bis
freitags jeweils bis zu 18 Fahrten nach Potsdam bzw. 14 Fahrten nach Nauen
mit ebenso vielen Rückfahrten). Die Flächengröße des Amtes lag mit 92,8 km²
deutlich unter dem Landesdurchschnitt vor der kommunalen Neugliederung (161
km²). Die Bevölkerungsdichte betrug mit ca. 70 Einwohnern je
Quadratkilometern mehr als der Durchschnitt des äußeren Entwicklungsraums
(knapp 50 Einwohner je Quadratkilometer) und weniger als der
Landesdurchschnitt (87 Einwohner je Quadratkilometer). Die Bevölkerungszahl
des Amtsgebietes stieg gegenüber dem Jahr 1992 und insbesondere zuletzt seit
1998 leicht an. Während die Stadt Ketzin bis zum 31. Dezember 2001 5 % ihrer
Einwohner verlor, wuchsen die Gemeinde Zachow um 11 % und die
Beschwerdeführerin um 35 % durch Zuzüge aus dem Amtsgebiet, den benachbarten
Städten und aus Berlin. Nach diesem Stand lebten vor der gesetzlichen
Eingliederung von den etwa 6.470 Einwohnern des Amtsgebietes ca. 4.240 in
Ketzin (darunter ca. 300 Einwohner des Ortsteils Etzin), ca. 730 in Tremmen,
670 in Zachow und ca. 830 im Gebiet der Beschwerdeführerin. In allen
amtsangehörigen Gemeinden einschließlich der Stadt Ketzin gab es
Gewerbegebiete, die zumeist gut ausgelastet waren, und weitere
Gewerbebetriebe. Neben kleineren Industriebetrieben waren zudem eine
Baumschule und zwei größere Agrarbetriebe im Amtsgebiet vorhanden. Die
Arbeitslosenquote war unterdurchschnittlich gering und lag im Gebiet der
Beschwerdeführerin bei 5 %. Berufstätige, die nicht in ihrem Wohnort
arbeiteten, pendelten zu Betrieben innerhalb des Amtsgebiets, in die
Nachbarstädte oder nach Berlin. Die Beschwerdeführerin ist schuldenfrei, die
Stadt Ketzin und die anderen Gemeinden des Amtes haben deutlich unter dem
Landesdurchschnitt liegende Schulden. Die Stadt Ketzin und alle Gemeinden
des Amtes verfügten über einen ausgeglichenen Haushalt. Die Steuerkraft der
Beschwerdeführerin lag unter dem Landesdurchschnitt für Gemeinden ihrer
Größe, die Steuerkraft der Stadt Ketzin war überdurchschnittlich.
2. Bereits Ende April 2002 versandte das Ministerium des Innern Unterlagen
für eine Anhörung der Beschwerdeführerin und der anderen Gemeinden des Amtes
Ketzin zu der für sie und für die Gemeinde Wachow des damaligen Nachbaramtes
Nauen beabsichtigten kommunalen Neugliederung mit der Gelegenheit zur
Stellungnahme. In den ersten beiden Maiwochen wurden auch die Unterlagen für
die Anhörung der Bevölkerung an den Landrat des Landkreises Havelland
versandt. Für die Anhörung der Bürger stand ein Monat zur Verfügung. Die
Gemeindevertretung sowie 5 % der Einwohner der Beschwerdeführerin sprachen
sich in Stellungnahmen gegen die beabsichtigte Eingliederung aus.
3. Im September/Oktober desselben Jahres brachte die Landesregierung sechs
Gesetzentwürfe zur landesweiten Gemeindegebietsreform in den Landtag ein. §
3 des Entwurfs zum Vierten Gesetz zur landesweiten Gemeindegebietsreform
betreffend die Landkreise Havelland, Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming (4.
GemGebRefGBbg) sah die Eingliederung der Beschwerdeführerin sowie der
weiteren Gemeinden des Amtes Ketzin in die nunmehr amtsfreie Stadt Ketzin
vor. Die Gemeinde Wachow sollte nunmehr im Raum Nauen verbleiben. Der
Innenausschuß des Landtages, an den die Gesetzentwürfe nach der ersten
Lesung verwiesen worden waren, führte am 23. Oktober 2002 vorab eine
Anhörung zu grundsätzlichen Fragen durch. In der Anhörung der
Beschwerdeführerin vor dem Innenausschuß am 07. November 2002 nahm deren
ehrenamtlicher Bürgermeister Stellung. Das Gesetz wurde sodann im Frühjahr
2003 vom Landtag verabschiedet. § 3 des 4. GemGebRefGBbg vom 24. März 2003 (GVBl.
I S. 73), am Tag der landesweiten Kommunalwahlen (26. Oktober 2003) in Kraft
getreten (s. § 37 des Gesetzes), lautet:
§ 3
Verwaltungseinheit Amt Ketzin
(1) Die Gemeinden Falkenrehde, Tremmen und
Zachow werden in die Stadt Ketzin eingegliedert.
(2) Das Amt Ketzin wird aufgelöst. Die Stadt Ketzin ist amtsfrei.
II.
Die Beschwerdeführerin hat am 24.
Oktober 2003 kommunale Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie macht geltend, der
Gesetzgeber sei seiner Anhörungspflicht ungenügend nachgekommen. Im Hinblick
auf die auszuwertenden Ergebnisse der Bevölkerungsanhörung und die im
Gesetzentwurf erstmalig enthaltenen Leitbildbestimmungen sei die
Stellungnahmefrist für die Beschwerdeführerin zu knapp bemessen gewesen.
Eine strikte Zugrundelegung der Leitbildvorgaben sei unzulässig. Ein Erhalt
des Amtes Ketzin habe als eigenständige und vorzugswürdige leitbildgerechte
Alternative in den Abwägungsprozeß eingehen müssen. Die Stadt Ketzin sei
kein Grundzentrum gewesen. Die finanzielle und wirtschaftliche Lage der
Stadt Ketzin sei schlechter als die der Beschwerdeführerin. Insbesondere die
geringe Siedlungsdichte entspreche nicht den typischen Merkmalen des engeren
Verflechtungsraums. Es handele sich um einen vorwiegend ländlich geprägten
Raum. Wegen naturräumlicher Beschränkungen und Schutzgebieten seien eine
weitere bauliche Verflechtung und eine wesentliche Bevölkerungszunahme nicht
zu erwarten. Die Beschwerdeführerin strebe aber in naher Zukunft einen
Anstieg auf 1.000 Einwohner an. Der Gesetzgeber habe den Sachverhalt nicht
vollständig und richtig ermittelt, insbesondere sei eine Ortsbesichtigung
unterblieben. Beziehungen zwischen den Orten im Amtsgebiet seien lediglich
in dem Maße gegeben wie zwischen allen Nachbargemeinden im Land Brandenburg.
Die Beschwerdeführerin beantragt festzustellen:
§ 3 Abs. 1 des Vierten
Gemeindegebietsreformgesetzes Brandenburg, soweit es die
Beschwerdeführerin betrifft, ist mit Art. 97 Abs. 1 und Art. 98 der
Verfassung des Landes Brandenburg unvereinbar und deshalb nichtig.
III.
Der Landtag Brandenburg, die
Landesregierung, der Städte- und Gemeindebund Brandenburg und die Stadt
Ketzin hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
B.
Die kommunale Verfassungsbeschwerde bleibt
ohne Erfolg.
I.
Sie ist - insbesondere nachdem die
Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 30. August 2004 generell klargestellt
hat, sich nur gegen ihre eigene Eingliederung in die größere bzw.
neue Gemeinde, hier nach Ketzin, zu wenden - gemäß Art. 100 Verfassung des
Landes Brandenburg (LV), §§ 12 Nr. 5, 51 Verfassungsgerichtsgesetz des
Landes Brandenburg (VerfGGBbg) statthaft und auch sonst zulässig. Die
Beschwerdeführerin ist ungeachtet des zwischenzeitlichen Inkrafttretens der
Neuregelung beteiligtenfähig. Eine Gemeinde gilt nach feststehender
Rechtsprechung für die Dauer des gegen ihre Auflösung gerichteten
Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahrens als fortbestehend.
II.
Die kommunale Verfassungsbeschwerde erweist sich aber in der Sache selbst
als unbegründet. Die Auflösung von Gemeinden durch den Staat ist, wie sich
unmittelbar aus Art. 98 Abs. 1 und 2 LV ergibt, nicht von vornherein
ausgeschlossen. Die dafür nach Art. 98 Abs. 1 sowie Abs. 2 LV gezogenen
Grenzen sind hier nicht verletzt.
1. Die nach der Landesverfassung geltenden Anhörungserfordernisse sind
eingehalten worden. Im Hinblick auf die insoweit in einer Vielzahl von
Verfahren im wesentlichen gleichlautend vorgebrachten Einwände wird auf die
ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes (vgl. u.a. Urteil vom 18.
Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 - und zuletzt ausführlich Beschlüsse vom 16.
September 2004 - VfGBbg 102/03 und 118/03 -
www.verfassungsgericht.brandenburg.de) verwiesen.
Insbesondere ist die durchgeführte Anhörung der Beschwerdeführerin hier auch
nicht deshalb obsolet geworden, weil danach der Gesetzentwurf geändert
worden ist. Eine erneute Anhörung ist nur geboten, wenn es zu einer
wesentlichen Änderung kommt (vgl. BVerfGE 50, 195, 203; SächsVerfGH
LVerfGE 11, 356, 386; NdsStGH NJW 1979, 2301; StGH BW DÖV 1976, 245; VerfGH
NW OVGE 26, 306). Das war hier auch insoweit nicht der Fall, wie die
Beschwerdeführerin rügt, in die Begründung des Gesetzentwurfs im September
2002 seien ausdrückliche Leitbildformulierungen eingefügt worden. Denn zum
einen ergaben sich die für die konkrete Neugliederungsentscheidung
maßgeblichen Leitbildgründe bereits aus der eingehenden Begründung des
Anhörungsentwurfs. Zum anderen entsprachen diese den der Beschwerdeführerin
bereits für die Freiwilligkeitsphase seit dem Jahr 2000 bekanntgegebenen,
vom Gesetzgeber bereits im Jahr 2001 ausdrücklich gebilligten und später
auch formal übernommenen Leitlinien des Innenministeriums.
Ebensowenig stellt es eine wesentliche Änderung dar, daß mit der
gesetzlichen Eingliederung der dem bisherigen Nachbaramt Nauen angehörenden
Gemeinde Wachow in die Stadt Nauen die noch im Anhörungsentwurf enthaltene
Textpassage über die Eingliederung auch dieser Gemeinde nach Ketzin entfiel.
Bereits grundsätzlich ist eine Gemeinde in Bezug auf die Eingliederung
anderer Gemeinden nicht in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung
betroffen. Eine amtsangehörige Gemeinde kann nach der Rechtsprechung des
Landesverfassungsgerichtes lediglich beanspruchen, daß ihr überhaupt eine
geeignete (Amts-) Verwaltung, nicht aber, daß sie ihr in der bisherigen Form
und in dem bisherigen Zuschnitt zur Verfügung steht (Beschluß vom 16. Mai
2002 - VfGBbg 57/01 -, LKV 2002, 515 sowie Urteil vom 29. August 2002 -
VfGBbg 34/01 - [Kreuzbruch], LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 13, S. 116 = LKV
2002, 573, 574). Für einen Ausnahmefall, in dem eine Gemeinde ihre
Selbständigkeit zugunsten einer Lösung aufgeben soll, deren Qualität in
gewichtigem Maße von der Zuordnung einer anderen Gemeinde abhängt (vgl.
Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 26. August 2004 -
VfGBbg 230/03 - [Groß Machnow]), ist nichts ersichtlich. Auch die
Beschwerdeführerin hat dieser Änderung des Neugliederungsvorhabens in ihrem
Vortrag keine Bedeutung beigemessen.
2. Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Ketzin bleibt auch
in der Sache selbst im Einklang mit der Landesverfassung.
a) In das Gebiet einer Gemeinde sowie - erst recht - in ihre
körperschaftliche Existenz kann zufolge Art. 98 Abs. 1 LV nur aus
Gründen des öffentlichen Wohls eingegriffen werden. Der Inhalt des
Begriffes „öffentliches Wohl“ ist dabei im konkreten Fall vom Gesetzgeber
auszufüllen, dem in dieser Hinsicht grundsätzlich ein Beurteilungsspielraum
und politische Gestaltungsfreiheit in dem Sinne zukommt, daß er Ziele,
Leitbilder und Maßstäbe festlegen kann.
Das Verfassungsgericht überprüft zunächst, ob der Gesetzgeber den
entscheidungsrelevanten Sachverhalt zutreffend und umfassend ermittelt hat.
Dabei ist die verfassungsgerichtliche Kontrolle nicht eingeschränkt
(Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, ständige Rechtsprechung, u.a.
Beschluß vom 27. Mai 2004 - VfGBbg 138/03 - [Königsberg]; BVerfGE 50, 50, 51
[Laatzen]).
Das Verfassungsgericht prüft sodann, ob der Gesetzgeber den ermittelten
Sachverhalt seiner Regelung zutreffend zugrundegelegt und die mit ihr
einhergehenden Vor- und Nachteile in verfassungsrechtlich vertretbarer Weise
gewichtet und in die Abwägung eingestellt hat. Hierbei darf sich das
Verfassungsgericht nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen und hat seine
Nachprüfung darauf zu beschränken, ob die Zielvorstellungen, Sachabwägungen,
Wertungen und Einschätzungen des Gesetzgebers offensichtlich fehlerhaft,
lückenhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder der Werteordnung der
Verfassung widersprechen. Die Bevorzugung einzelner unter gleichzeitiger
Hintanstellung anderer Belange bleibt dem Gesetzgeber so weit überlassen,
als das mit dem Eingriff in den Bestand der Kommunen verbundene
Abwägungsergebnis zur Erreichung der verfolgten Zwecke nicht offenkundig
ungeeignet oder unnötig ist oder zu den angestrebten Zielen deutlich außer
Verhältnis steht und frei von willkürlichen Erwägungen und Differenzierungen
ist. Es ist dabei nicht die Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob der
Gesetzgeber die beste und zweckmäßigste Neugliederungsmaßnahme getroffen hat
(Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 1998 –
VfGBbg 27/97 –, LVerfGE 8, 97, 169 f. m.w.N. und vom 29. August 2002, a.a.O.;
ständige Rechtspr., u.a. Urteil vom 18. Dezember 2003 – VfGBbg 101/03 -,
a.a.O.).
b) In Anwendung dieser Grundsätze
hat sich hier der Gesetzgeber fehlerfrei auf den Standpunkt gestellt, daß
für die Eingliederung der Beschwerdeführerin Gründe
des öffentlichen Wohls vorliegen, und auf dieser Grundlage eine
verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Regelung getroffen. Im
einzelnen:
aa) Die allgemeinen vom Gesetzgeber hier
herangezogenen Kriterien halten sich im Rahmen des öffentlichen Wohls (Art.
98 Abs. 1 LV). Der Gesetzgeber beruft sich für die Eingliederung der
Beschwerdeführerin in die Stadt Ketzin wesentlich auf das Bedürfnis einer
Strukturänderung der brandenburgischen Gemeinden in der Nähe zu Berlin (vgl.
LT-Drucksache 3/4883, S. 122 ff. sowie Beschlußempfehlung des
Innenausschusses zu § 3 des 4. GemGebRefGBbg, Anlage 2 zu LT-Drucksache
3/5550), und zwar auf das Leitbild des Zusammenschlusses bislang
amtsangehöriger zu amtsfreien Gemeinden im engeren Verflechtungsraum
Brandenburg-Berlin (2. a) aa) des Leitbildes).
(1) Die Einteilung des Landes in verschiedene Neugliederungsräume mit
der Differenzierung zwischen engerem Verflechtungs- und äußerem
Entwicklungsraum einschließlich der Grundsatzentscheidung für amtsfreie
Gemeinden in einem Bereich um Berlin ist verfassungsrechtlich zulässig. Der
Gesetzgeber hat die Problematik des engeren Verflechtungsraumes ausführlich
untersucht und beschrieben (s. Gesetzesbegründung zum 4. GemGebRefGBbg,
LT-Drucksache 3/4883, S. 23 ff., 75 f.). Wenn er annimmt, die beiden
Teilräume des Landes unterschieden sich in einigen Kennziffern deutlich -
etwa Bevölkerungsdichte, durchschnittliche Gemeindegröße,
Bevölkerungsentwicklung, Wanderungssaldo, Anteil der Beschäftigten nach
Gewerbearten, Anteile der Auspendler nach Berlin sowie der Einpendler in die
Brandenburger Gebiete aus Berlin, Arbeitslosenquote etc. (vgl. LT-Drucksache
3/4883, S. 23 ff.) - und er für diese Teilräume grundsätzlich jeweils eine
andere Struktur präferiert, so liegt darin nicht die Entscheidung für
offenkundig ungeeignete oder unnötige Maßnahmen (Verfassungsgericht des
Landes Brandenburg, ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. Urteil vom 26. August
2004 - VfGBbg 230/03 - [Groß Machnow]).
(2) Es kann auch nicht festgestellt werden, daß der Gesetzgeber
grundsätzlich fehlerhaft die Abgrenzung zwischen den beiden
Neugliederungsräumen vorgenommen hätte. Er hat im Gesetzgebungsverfahren,
ausgehend von der bisherigen landesplanerischen Einordnung nach Anhang B 1
zum Landesentwicklungsprogramm und Anlage 1 zum Landesplanungsvertrag,
geprüft, ob die Einordnung einer Gemeinde bzw. eines Amtes in den engeren
Verflechtungsraum angesichts der tatsächlichen Entwicklung der letzten Jahre
noch trägt. Diese Vorgehensweise ist verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden (eingehend hierzu: Verfassungsgericht des Landes Brandenburg,
u.a. Urteil vom 26. August 2004, a.a.O.).
(3) Auch die Zugehörigkeit des Amtsgebiets Ketzin zum engeren
Verflechtungsraum durfte der Gesetzgeber annehmen. Er hat gesehen, daß
einzelne der im engeren Verflechtungsraum häufig gegebenen Merkmale nicht
erfüllt sind. So wies das Amtsgebiet eine unter dem Landesdurchschnitt
liegende Siedlungsdichte auf. Diese lag aber noch deutlich über dem
Bevölkerungsdurchschnitt des äußeren Entwicklungsraums im Land Brandenburg.
Durch einen Bevölkerungsrückgang in der Stadt Ketzin kam auch nur ein
geringer Einwohnerzuwachs des Amtsgebiets zum Tragen. Immerhin verzeichneten
die Beschwerdeführerin und die Gemeinde Zachow eine deutliche und
kontinuierliche Bevölkerungszunahme. Demgegenüber trägt die
Beschwerdeführerin nicht schlüssig vor, wenn sie einerseits annimmt, eine
wesentliche Bevölkerungszunahme sei nicht zu erwarten, andererseits schon
für die nächste Zeit eine Einwohnerzahl von 1.000 anstrebt. Als typisch für
eine Belegenheit im engeren Verflechtungsraum durfte der Gesetzgeber die
außerordentlich guten Verbindungen des Öffentlichen Personennahverkehrs
berücksichtigen, insbesondere die montags bis freitags 17 bzw. 18
Busverbindungen nach Ketzin und Potsdam neben 14 Verbindungen nach Ketzin
und Nauen mit ebenso vielen Rückfahrten. Über diese Busverbindungen und die
Bahnhöfe Nauen, Wustermark, Potsdam-Marquardt sowie weitere Potsdamer
Bahnhöfe bestand regelmäßiger Anschluß an mehrere Regionalbahn- und
Regionalexpreßlinien nach Berlin. Potsdam und Berlin sind auch über die im
Osten des Amtsgebiets verlaufende Bundesstraße 273 mit Anbindung an die nahe
Bundesautobahn A 10 und die Bundesstraßen 2 und 5 gut erreichbar. Daß der
Gesetzgeber das Gebiet des Amtes Ketzin entgegen der gelegentlich
vertretenen Ansicht der Beschwerdeführerin nicht als dem äußeren
Entwicklungsraum zugehörig ansehen mußte, wird auch daran deutlich, daß
abgesehen von einigen Agrarbetrieben und einer Baumschule vor allem gut
ausgelastete Gewerbegebiete in allen Gemeinden des bisherigen Amtes und
weitere Gewerbebetriebe (insbesondere ein Technik- und Logistikzentrum und
eine Zweigstelle eines Telefonbuchverlags jeweils in Ketzin), sowie einzelne
Industriebetriebe (u.a. Betonwerk auf dem Gebiet der Beschwerdeführerin,
Leuchtmittelwerk in Zachow) eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung
besaßen. Auch die damit und mit einem über die Amtsgrenzen bis nach Berlin
reichenden Pendelverkehr der Arbeitnehmer verbundene, für das Land
Brandenburg außerordentlich geringe Arbeitslosenquote von ca. 5 %
(insbesondere im Gebiet der Beschwerdeführerin) ist ein typisches Merkmal
des engeren Verflechtungsraums und der günstigen Standortbedingungen im sog.
„Speckgürtel“ um Berlin.
bb) Der Gesetzgeber hat sich auch im übrigen ausreichend mit den
maßgeblichen tatsächlichen Verhältnissen befaßt.
Er hat nachvollziehbar dargestellt, daß die Stadt Ketzin angesichts eines
Bevölkerungsanteils von zwei Dritteln im Amt sowie aufgrund ihrer Lage und
als bedeutende Arbeitsstätte einen Kristallisationskern für die bislang
amtsangehörigen Gemeinden bildet. Darüber hinaus kommt es darauf, daß die
Stadt Ketzin nach ihrer Ausstattung nicht zugleich sämtliche Merkmale eines
Grundzentrums erfüllt, wie die Beschwerdeführerin geltend machte und auch
der Gesetzgeber einräumte (s. Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu § 3
des 4. GemGebRefGBbg, Anlage 2 zu LT-Drucksache 3/5550), gemäß dem Leitbild
für den engeren Verflechtungsraum (Ziff. 2. a) aa)) und nach den Erwägungen
des Gesetzgebers nicht maßgeblich an. Die örtlichen Verhältnisse sowohl mit
Blick auf die allgemeinen Strukturprobleme, die sich aus der Nähe zu Berlin
ergeben, als auch die Verflechtung der Beschwerdeführerin mit der Stadt
Ketzin und den weiteren eingegliederten Gemeinden sind in den
Gesetzesunterlagen zutreffend angesprochen (s. die Beschreibung der
Gemeinden im „Neugliederungssachverhalt“ in LT-Drucksache 3/4883, S. 118
ff.). Auch die weiteren wesentlichen Strukturdaten wurden zutreffend
gesehen. So betrachtete der Gesetzgeber etwa die Haushaltssituation der
Beschwerdeführerin, der Stadt Ketzin und der übrigen Gemeinden des Amtes.
Auch erfaßte er die Einwohnerzahlen, Entfernungsverhältnisse und
Verkehrsverbindungen im Amtsgebiet und darüber hinaus. In der Stadt Ketzin
befinden sich neben der bisherigen Amts- und Stadtverwaltung eine
Grundschule und eine Gesamtschule, zwei Kindertagesstätten, zwei
Sportplätze, zwei Sporthallen sowie Seniorenbetreuungseinrichtungen. Über
Kindertagesstätten verfügten jeweils auch die Gemeinden Tremmen, Zachow und
die Beschwerdeführerin. Zudem ermittelte der Gesetzgeber die - neben den
außerhalb des Amtsgebietes in Anspruch genommenen Angeboten - vorwiegend in
Ketzin konzentrierten, aber auch in anderen Gemeinden des Amtes vorhandenen
Dienstleistungseinrichtungen sowie die Gewerbebetriebe.
Diese Sachverhaltsermittlung begegnet keinen verfassungsrelevanten Bedenken.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Gesetzgeber sämtliche tatsächlichen
Momente in allen Einzelheiten richtig erfaßt und gewürdigt hat. Ins Gewicht
fällt vielmehr nur, ob er die für die Durchführung des gewählten Leitbildes
bestimmenden Elemente in ihrem wesentlichen Gehalt richtig erkannt und
daraus sachgerechte Folgerungen gezogen hat. Nur wenn die Richtigkeit einer
die Entscheidung tragenden Tatsache bestritten und es möglich ist, daß bei
Zugrundelegung der behaupteten abweichenden Situation die Neugliederung
anders ausgefallen wäre, besteht eine Nachprüfungspflicht für das
Verfassungsgericht (vgl. SächsVerfGH, LVerfGE 10, 375, 398 „[mit-]entscheidend“;
VerfGH NW, Urteil vom 6. Dezember 1975 - VerfGH 39/74 -, UA S. 25; StGH BW,
NJW 1975, 1205, 1213). Derartige Tatsachen hat die Beschwerdeführerin indes
nicht vorgetragen.
cc) Zur Bewältigung der vom Gesetzgeber benannten Strukturfragen ist die
Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Ketzin nicht
offensichtlich ungeeignet. Das Landesverfassungsgericht vermag nicht zu
erkennen, daß das Ziel einer Verbesserung der Strukturen im Ketziner Bereich
durch die Zusammenführung in einem einheitlichen Aufgaben- und
Verwaltungsraum eindeutig verfehlt würde.
dd) Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Ketzin ist auch nicht unverhältnismäßig.
Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz müssen die für eine Auflösung der
Gemeinde sprechenden Gründe des öffentlichen Wohls gegenüber den für ihren
Fortbestand sprechenden Gründen erkennbar überwiegen (vgl. hierzu BayVerfGH
BayVBl 1981, 399, 400 f.; s. auch NdsStGH OVGE 33, 497, 503; StGH BW NJW
1975, 1205, 1211). Dies ist hier - nach der vertretbaren Wertung des
Gesetzgebers - der Fall. Da die kommunale Selbstverwaltung auch dazu dient,
die Bürger zu integrieren, den Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl („Heimat“)
zu vermitteln und damit die Grundlagen der Demokratie zu stärken, ist die
Reform der Gemeindestruktur nicht ausschließlich an Rationalisierung und
Verbesserung der Effizienz der Verwaltungsorganisation zu messen. Eine
Gemeinde darf nicht ohne Berücksichtigung von Besonderheiten allein aus
Gründen der Strukturbereinigung aufgelöst werden. Andernfalls können der
Eingriff in die Existenz einer Gemeinde und die dadurch bewirkte
Beeinträchtigung der örtlichen Verbundenheit außer Verhältnis zu dem
angestrebten Vorteil geraten (vgl. Verfassungsgericht des Landes
Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002, a.a.O.).
Vorliegend besitzen indes nach der vertretbaren Abwägung des Gesetzgebers
die für die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Ketzin
sprechenden Gründe das größere Gewicht. Dem Gesetzgeber war die Bedeutung
der kommunalen Selbstverwaltung gegenwärtig. Er hat die Belange der
Einwohner durchaus im Blick gehabt und sich damit auseinandergesetzt,
ablesbar aus der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs (s. LT-Drucksache
3/4883, S. 115 ff.; s. auch S. 63 ff., 80 f.) und den Niederschriften über
die Beratungen im Landtag und seinen Ausschüssen (Beschlußempfehlung des
Innenausschusses zu § 3 des 4. GemGebRefGBbg, Anlage 2 zu LT-Drucksache
3/5550). Auf der anderen Seite hat er als gegenläufige Belange in zulässiger
und vertretbarer Weise namentlich die Steigerung der Wirtschaftlichkeit und
Sparsamkeit der Verwaltung durch die Zusammenführung in einer einheitlichen
Kommune, ferner die bereits heute - neben denjenigen zum nur einige
Kilometer weiter entfernten Berlin sowie nach Nauen - bestehenden nicht
unerheblichen Verflechtungsbeziehungen (z.B. im Schulwesen, beim
Arbeitsplatzangebot und bei den Dienstleistungen) sowie Gesichtspunkte der
Raumordnung in seine Abwägung eingestellt und ihnen die größere Bedeutung
beigemessen (vgl. LT-Drucksache 3/5021, S. 122 ff. sowie Beschlußempfehlung
des Innenausschusses zu § 3 des 4. GemGebRefGBbg, Anlage 2 zu LT-Drucksache
3/5550). Dies ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
Auch die Einschätzung des Gesetzgebers ist nachvollziehbar, daß sich die
hier in Frage stehende Strukturverbesserung im näheren Wirkbereich Berlins
nicht ebenso gut durch interkommunale Zusammenarbeit herstellen läßt.
Interkommunale Zusammenarbeit, in welcher Form auch immer (in Gestalt von
Zweck- oder Planungsverbänden, Arbeitsgemeinschaften oder
Kapitalgesellschaften oder durch öffentlich-rechtliche
Kooperationsverträge), kann typischerweise jeweils nur in Teilbereichen
wirken. Sie wirft zudem ihrerseits Abstimmungs- und Kooperations- sowie
Rechts- und Personalfragen auf. Im Vergleich zu einer gemeindlichen
Neuordnung ist die interkommunale Zusammenarbeit schwächer und instabiler.
ee) Auch im übrigen läßt die Abwägung des Gesetzgebers keine seine
Entscheidung in Frage stellenden Defizite erkennen.
(1) Eine mindestens gleich geeignete Alternative zu der Eingliederung der
Beschwerdeführerin in die Stadt Ketzin ist weder von der Beschwerdeführerin
vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Gesetzgeber durfte seiner
Entscheidung zugrundelegen, daß die Strukturaussage 2. d) bb) seines
Leitbildes für den Regelfall anstrebt, daß Gemeinden nur innerhalb der
Grenzen der bestehenden Ämter zusammengeschlossen werden und es daher
konsequent und leitbildgerecht ist, sämtliche Gemeinden des bisherigen Amtes
zu vereinigen, also unter Einbeziehung auch der Beschwerdeführerin, nachdem
ein Abweichungsfall, ähnlich den in 2 d) bb) Satz 2 des Leitbildes
angeführten Beispielen (zur Stärkung der Zentralorte nach
Landesentwicklungsplan I bzw. nach den Regionalplänen sowie zur Schaffung
von Verwaltungseinheiten annähernd gleicher Leistungskraft geboten), nicht
ersichtlich ist (vgl. u.a. VfGBbg, Beschluß vom 24. Juni 2004 - 148/03 - [Altglietzen],
S. 24 f. des EA; aber zur Nichtanwendbarkeit dieser Leitbildregelung, wenn
das bisherige Amt durch das Gesetz ohnehin amtsgebietsüberschreitend
neugegliedert wird: VfGBbg Beschlüsse vom 27. Mai 2004 - 63/03 und 138/03
[Herzsprung, Königsberg], S. 18 EA). Es ist von Verfassungs wegen nichts
dagegen einzuwenden, wenn der Gesetzgeber unter Meidung einer aufwendigen
Vermögensauseinandersetzung (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 4, § 22 des 4.
GemGebRefGBBg) bei der Auflösung eines Amtes an das regelmäßig seit Jahren
stattfindende Zusammenwirken der bislang amtsangehörigen Gemeinden anknüpft
und eine Fortführung der Gemeinschaft in Gestalt der amtsfreien Gemeinde
präferiert, soweit - wie hier - keine besonderen Umstände stärker für eine
(ggf. nur partiell) die bisherigen Amtsgrenzen überschreitende Lösung
sprechen. Auch die Beschwerdeführerin hat keine solche Alternative geltend
gemacht.
(2) Der Gesetzgeber mußte im Bereich Ketzin auch nicht das Amt erhalten,
weil er andernorts im engeren Verflechtungsraum entsprechend verfahren war.
Die Neugliederung verstößt in dieser Hinsicht nicht gegen das Gebot der
Systemgerechtigkeit. Insoweit entspricht es der ständigen Rechtsprechung der
Verfassungsgerichte, daß der Gesetzgeber bei der Umsetzung einer
Gemeindegebietsreform sein „System“ nicht ohne hinreichende Begründung
verlassen darf (vgl. etwa Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 27.
November 1978 - 2 BvR 165/75 -, BVerfGE 50, 50, 51 „Raum Hannover“;
ThürVerfGH, Urt. vom 18. Dezember 1996 - VerfGH 2/95 -, LVerfGE 5, 391, 422;
BayVerfGH, Entsch. vom 20. April 1978 - Vf.6-VII-78 -, BayVBl 1978, 497,
503; hinsichtlich Kreisgebietsreform bereits das erkennende Gericht, Urteil
vom 14. Juli 1994 – VfGBbg 4/93 – LVerfGE 2, 125, 142; vgl. auch Dreier, in:
Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 1998, Art. 28 Rn. 122; Tettinger, in:
von Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz Band 2, Art. 28 Rn. 233).
Im wesentlichen vergleichbare Neugliederungen müssen gleich behandelt
werden. Regelungen, die ohne hinreichende Begründung das zugrundeliegende
System verlassen, verstoßen gegen das öffentliche Wohl.
Die Einschätzung des Gesetzgebers, es liege keine maßgeblich vom Regelfall
abweichende Situation vor, ist nicht zu beanstanden. Daß gegen das Gebot der
Systemgerechtigkeit verstoßen worden wäre, ist schon im Ansatz nicht
ersichtlich. Nach dem Leitbild kann es allerdings auch im engeren
Verflechtungsraum im Ausnahmefall weiterhin Ämter geben. Von dieser
Möglichkeit hat der Gesetzgeber in einem Fall (Amt Spreenhagen (Landkreis
Oder-Spree)) Gebrauch gemacht. Die Situation in diesem Amt steht jedoch der
im Amt der Beschwerdeführerin nicht gleich. Die im Amt Spreenhagen
außerordentlich weite Ost-West-Ausdehnung (über 30 km) sowie das Fehlen
eines ausgeprägten Siedlungskerns, die heterogene Siedlungsstruktur, zudem
mit der Ausrichtung auf unterschiedliche Orte, lassen es als vertretbar,
wenn nicht sogar als geboten erscheinen, für das Amt Spreenhagen eine
atypische Konstellation anzunehmen. Solche besonderen Umstände sind im
Bereich Ketzin nicht gegeben. Zwar lag die Einwohnerdichte im Amt Ketzin
deutlich unter dem Durchschnitt für den engeren Verflechtungsraum, aber doch
erheblich über den Durchschnittswerten für das Amt Spreenhagen sowie für den
äußeren Entwicklungsraum. Auch darüber hinaus ergeben die maßgeblichen
Strukturdaten keinen Sachverhalt, nach dem die Entscheidung für den vom
Leitbild im engeren Verflechtungsraum regelmäßig vorgesehenen Zusammenschluß
zu einer amtsfreien Gemeinde von Verfassungs wegen unvertretbar wäre.
(3) Der Gesetzgeber war auch nicht durch die finanziellen Folgen an einer
Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Ketzin gehindert. Er hat
die Problematik der Verlagerung der Finanz- und Planungshoheit gesehen und
demgegenüber dem Vorteil der Bündelung der finanziellen Möglichkeiten
infolge der Neugliederung im Verbund der Gesamtabwägung und mit Blick auf
gestärkte Instrumente der Ortschaftsverfassung (§§ 54 - 54 e GO) sowie die
Pflicht einer jeden Gemeinde und Stadt, für das soziale, kulturelle und
wirtschaftliche Wohl aller ihrer Einwohner und für eine harmonische
Gestaltung der Gemeindeentwicklung zu sorgen (vgl. u.a. § 1 Abs. 2 Sätze 2
und 3, § 3 Abs. 2 GO), in vertretbarer Weise höheres Gewicht zuerkannt (vgl.
LT-Drucksache 3/4883, S. 84 f.). Für die Beurteilung am Maßstab des
öffentlichen Wohls im Sinne des Art. 98 Abs. 1 LV ist nicht ausschließlich
oder auch nur in erster Linie entscheidend, welche Lösung für die Einwohner
der einzelnen Gemeinde die meisten Vorteile bietet. Entscheidend ist
vielmehr, welche Lösung den Interessen des gesamten neu zu gliedernden
Verwaltungsraumes und seiner Bevölkerung sowie darüber hinaus der
Gesamtbevölkerung des Landes am besten entspricht. Von dieser Erwägung hat
sich der Gesetzgeber bei der Ausübung seines Ermessens leiten lassen. Eine
Beteiligung aller Gemeinden an den finanziellen Lasten des miteinander
verflochtenen Gesamtraumes ist nicht unangemessen. Unabhängig davon ist die
Finanzlage naturgemäß nicht von Dauer, sondern veränderlich. Die
wirtschaftliche Entwicklung des Gesamt-Neugliederungsgebietes ist so oder so
nicht sicher einschätzbar.
(4) Der Gesetzgeber ist sich bei seiner Abwägungsentscheidung auch des
Spannungsverhältnisses von Bürgernähe und Verwaltungseffizienz bewußt
gewesen. Deshalb ergibt sich eine Fehlerhaftigkeit weder des
Abwägungsprozesses noch seines Ergebnisses daraus, daß der Gesetzgeber
einerseits anstrebte, beiden Zwecken möglichst weitgehend zu dienen und
andererseits in Kauf nahm, bei der Gemengelage unterschiedlicher
Zielsetzungen und Maßstäbe nicht gewährleisten zu können, daß sämtliche
Reformziele stets gleichermaßen verwirklicht werden (LT-Drucksache 3/4883,
S. 18 f.).
(5) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich auch, wie der
Gesetzgeber den geäußerten Willen der Bevölkerung gewichtet hat. Die aus der
Anhörung der Bevölkerung der Beschwerdeführerin und der weiteren bisher
amtsangehörigen Gemeinden des Amtes Ketzin resultierenden wenigen
Stellungnahmen (vgl. LT-Drucksache 3/4883, S. 115 ff.) zur beabsichtigten
Neugliederung lagen im Landtag vor und sind damit in das
Gesetzgebungsverfahren eingeflossen. An das sich daraus ergebende
Stimmungsbild ist der Gesetzgeber nicht gebunden. Das Ergebnis der Anhörung
der Bevölkerung stellt vielmehr nur ein Merkmal unter weiteren
Gesichtspunkten dar, die für die Ermittlung der Gründe des öffentlichen
Wohles und damit für die Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers von
Bedeutung sind. Bei einer allgemeinen Gebietsreform geht es eben auch darum,
größere Räume neu zu gliedern, so daß nicht nur örtliche Gegebenheiten - wie
etwa die Akzeptanz des Vorhabens bei den Bürgern der einzelnen Gemeinde -
ins Gewicht fallen. Hiervon ausgehend hat sich der Landtag in den Grenzen
seiner Entscheidungsfreiheit bewegt, als er den für die Eingliederung der
Beschwerdeführerin in die Stadt Ketzin sprechenden Umständen, dem Ziel der
Schaffung eines einheitlichen Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsraumes im
Umfeld brandenburgischer Städte sowie Berlins, auch hier das höhere Gewicht
beigemessen hat.
C.
Das Verfassungsgericht hat einstimmig eine mündliche Verhandlung nicht
für erforderlich gehalten, § 22 Abs. 1, 2. Alt. VerfGGBbg.
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