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VerfGBbg, Beschluss vom 8. Dezember 2008 - VfGBbg 23/08 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 4
- VerfGGBbg, § 21 Satz 2
Schlagworte: - Rechtsschutzbedürfnis
- effektiver Rechtsschutz
- Eilrechtsschutzverfahren
- Ersatzvornahme
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 8. Dezember 2008 - VfGBbg 23/08 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 23/08



IM NAMEN DES VOLKES

 
B E S C H L U S S

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

P.,

Beschwerdeführerin,

gegen die Untätigkeit des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Weisberg-Schwarz, Prof. Dawin, Prof. Dr. Harms-Ziegler, Havemann, Dr. Jegutidse, Dr. Knippel und Prof. Dr. Schröder

am 08. Dezember 2008

b e s c h l o s s e n :

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

G r ü n d e :

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 2 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen, nachdem die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 03. Juni 2008 - zugestellt am 09. Juni 2008 - auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde hingewiesen worden ist und diese Bedenken nicht, auch nicht durch ihr Schreiben vom 07. Juli 2008, ausgeräumt hat.

Es bleibt dabei, daß der Verfassungsbeschwerde das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Die beim Landesverfassungsgericht angestrebte Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde ist nicht geeignet, die geltend gemachte Beschwer zu beseitigen. Das Begehren der Beschwerdeführerin, einstweiligen Rechtsschutz gegen den von Seiten des Zweckverbandes anberaumten Ortstermin zur Vorbereitung der Ersatzvornahme zu erlangen, hat sich durch den faktischen Vollzug der Maßnahme erledigt. Im Fall einer eingetretenen Erledigung besteht das Rechtsschutzbedürfnis nur dann fort, wenn andernfalls die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage von grundsätzlicher Bedeutung unterbliebe, etwa weil die Sachentscheidung des Verfassungsgerichts wegen der Art der Maßnahme oder des Geschehensablaufs nicht rechtzeitig ergehen kann, und wenn der gerügte Grundrechtseingriff besonders schwer wiegt; es besteht ferner dann fort, wenn eine Wiederholung der angegriffenen Maßnahme zu befürchten ist oder die gegenstandslos gewordene Maßnahme den Beschwerdeführer weiterhin beeinträchtigt (vgl. BVerfGE 91, 125, 133 m. w. N.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

1. ( Eine konkrete Wiederholungsgefahr ist nicht hinreichend dargelegt worden und ist auch nicht erkennbar. Wiederholungsgefahr besteht nur, wenn in absehbarer Zukunft mit einer Situation zu rechnen ist, die den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen zum Zeitpunkt der beanstandeten Maßnahme entspricht. Der Hinweis der Beschwerdeführerin, sie befinde sich in einer Vielzahl von gerichtlichen Auseinandersetzungen mit dem Zweckverband, habe bereits mehrfach verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen müssen und werde dies bei Bedarf auch in der Zukunft tun, genügt dem nicht. Die Umstände, die verhindert haben, daß das Verwaltungsgericht die in Aussicht gestellte Sachentscheidung hatte treffen können, sind das Resultat einer singulären Zuspitzung der Auseinandersetzung zwischen der Beschwerdeführerin und dem Zweckverband, bei der nicht absehbar ist, daß sie sich noch einmal in gleicher oder zumindest vergleichbarer Weise ereignen wird.

2. ) Ferner ist weder die mit der beanstandeten Verfahrensweise des Verwaltungsgerichts verbundene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (dazu unten a.), noch wirkt sich die gerügte Verfahrensweise des Verwaltungsgerichts weiterhin auf die Beschwerdeführerin aus (dazu unten b.).

a. ) Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gewährung von Eilrechtsschutz sind wesentlich Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV zu entnehmen. Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV konkretisiert den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes zu einem Grundrecht auf ein zügiges Verfahren vor Gericht und gewährleistet, daß gerichtliche Entscheidungen in angemessener Zeit ergehen (vgl. etwa Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 16. März 2006 - VfGBbg 62/05 – m. w. N.). Aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung folgt das Gebot, soweit als möglich zu verhindern, daß durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme Tatsachen geschaffen werden, die auch dann, wenn sich die Maßnahme bei richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist, nicht mehr rückgängig gemacht werden können (vgl. BVerfGE 37, 150, 153; 65, 1, 70). Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV (i. V. m. Art. 6 Abs. 1 LV) gewährleistet zwar die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen nicht schlechthin. Es muß jedoch gewährleistet sein, daß der Betroffene umgehend eine gerichtliche Entscheidung darüber herbeiführen kann, ob im konkreten Einzelfall das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung oder aber das Interesse des Einzelnen an der Aussetzung der Vollziehung bis zur Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme überwiegt (vgl. BVerfGE 37, 150, 153). Dies gilt ebenfalls, wenn der Betroffene eine Rechtsverletzung durch die Zwangsmittelandrohung selbst behauptet bzw. seine Rechte durch eine bevorstehende Vollziehungsmaßnahme beeinträchtigt sieht.

Art. 52 Abs. 4 LV stellt konkrete Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens und die Behandlung von Anträgen im einstweiligen Rechtsschutz durch das zur Entscheidung berufene Gericht. Mit Art. 52 Abs. 4 LV ist es unvereinbar, wenn Gerichte dem Betroffenen eine Entscheidung zur Sache wegen Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzbegehrens versagen, nachdem sie selbst durch eine verfahrensfehlerhafte Behandlung des zugrunde liegenden Antrags verhindert haben, daß eine gerichtliche Entscheidung vor Erledigung zustande kam. Das Prozeßgrundrecht auf ein faires Verfahren verbietet es den Gerichten, aus eigenen Fehlern, Unklarheiten oder Versäumnissen Nachteile für die Verfahrensbeteiligten abzuleiten (vgl. BVerfGE 78, 123, 126; 110, 339, 342). Dazu zählen auch Verzögerungen, die der Justiz anzulasten sind, und die verhindern, daß eine gerichtliche Entscheidung nicht vor Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzbegehrens zustande kommt. Im Hinblick auf den Grundsatz, daß der Rechtsstaat rechtswidriges Vorgehen nicht begünstigen darf, kann es Gerichten nicht gestattet sein, Gründe für die Abweisung von Anträgen als unzulässig durch eigene verfahrensfehlerhafte Antragsbehandlung selbst herbeizuführen (BVerfG, Beschluß vom 27. Dezember 2006 – 2 BvR 803/05 - , EuGRZ 2007, 96, 97).

Unter dem Gesichtspunkt des effektivem Rechtsschutzes ist das Verwaltungsgericht gehalten, alle Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, daß es den begehrten gerichtlichen Eilrechtsschutz rechtzeitig wird gewähren können. Dazu kann es erforderlich sein, die Zusicherung der Beteiligten einzuholen, daß bis zu einer Entscheidung des Gerichts keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden. In der vorliegenden Konstellation hatte das Verwaltungsgericht zunächst keinen Anlaß, sich um eine entsprechende Zusicherung des Zweckverbandes zu bemühen, da es davon ausgehen durfte, es würde in der Sache rechtzeitig entscheiden können. Die Kammer hat der Beschwerdeführerin eine rechtzeitige Sachentscheidung vor 15.00 Uhr in Aussicht gestellt. Daß der Zweckverband den Termin zur Aufmessung nicht wie ursprünglich angekündigt um 15:00 Uhr, sondern bereits um 11:00 realisieren würde, entzieht sich der Vorhersehbarkeit und dem Einfluß des Gerichts.

Inwieweit das Verwaltungsgericht gehalten war, sich die Entscheidungshoheit über das laufende Verfahren durch geeignete Maßnahmen zu erhalten, als es über das Handeln des Zweckverbandes in Kenntnis gesetzt wurde, kann hier im Ergebnis dahinstehen, da eine fortwirkende Beeinträchtigung der Beschwerdeführerin durch die beanstandete Verfahrensweise nicht gegeben ist.

b. ) Eine fortwirkende Beeinträchtigung der Beschwerdeführerin wäre trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzzieles insbesondere dann anzunehmen, wenn mit der beanstandeten Verfahrensweise des Verwaltungsgerichts ein tiefgreifender Grundrechtseingriff verbunden wäre (vgl. BVerfGE 96, 27, 40; 104, 220, 233). Dies ist hier nicht der Fall. Der von der Beschwerdeführerin begehrte Eilrechtsschutz bezog sich auf vorbereitende Maßnahmen zur Durchsetzung der bestandskräftigen Anschlußverfügung im Wege der Ersatzvornahme. Da die Beschwerdeführerin die Ersatzvornahme als solche zu dulden hatte, kann mit dem Vollzug von Maßnahmen (hier zur Aufmessung), die lediglich der Vorbereitung der Ersatzvornahme dienten, kein bleibender und tiefgreifender Grundrechtseingriff verbunden sein. Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht haben in anschließenden Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahme entschieden und diese aus verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Gründen bejaht (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 15. Dezember 2008, VfGBbg 33/08).

Der Beschluß ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
 

Weisberg-Schwarz Prof. Dawin
     
Prof. Dr. Harms-Ziegler Havemann
 
Dr. Jegutidse Dr. Knippel
   
Prof. Dr. Schröder